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Wednesday, March 27, 2019

Erneut Radonstollen


Gestern hielt ich einen Vortrag über die ankylosierende Spondylitis (M. Bechterew) und im Diskussionsteil kam wieder einmal die Frage nach dem Radonstollen – jemand hatte in Bad Gastein Erfahrungen gesammelt und wollte diese weitergeben, da die Medikamente doch so gefährlich sind.

Radonstollen oder Heilstollen werden besonders in Österreich und Deutschland immer noch betrieben. Sie stammen aus einer Zeit, in denen die Medizin den entzündlich-rheumatischen Erkrankungen nicht viel entgegenzusetzen hatten und solche Erkrankungen häufig in den Rollstuhl führten. Seit 1912 werden in Bad Kreuznach Patienten mit Radon behandelt. Dr. Hans Jöckel, der Nestor der Radonstollen-Therapie, vergleicht die radioaktive Belastung im Stollen mit der eines Aufenthaltes im Gebirge. Also warum nicht gleich in Gebirge fahren? Ist diese Therapieform noch zeitgemäß?

Und wie gefährlich könnte sie sein? Die Radonstollen-Therapie ist keine anerkannte Methode und wird auch nicht weltweit eingesetzt. Das Bundesamt für Strahlenschutz weist auf Risiken hin, die in bestimmten Häusern für eine Radon Exposition bestehen. Nach dem Rauchen birgt Radon das zweithöchste Risiko für die Entwicklung eines Lungenkrebses.

Osteoporose, Fibromyalgie, degenerative und entzündlich-rheumatische Erkrankungen des Bewegungsapparates, ja auch Gicht, alles soll besser werden; schlecht heilende Wunden, Sklerodermie, Heuschnupfen, Asthma usw. ebenso. Das zeigt, wie unspezifisch die Therapie mit Radon ist. Und - ist es überhaupt das Radon, das da wirkt?
Man geht davon aus, dass die Radioaktivität eine Wirksamkeit entfalten würde. Das ist aber ein Glaube an Magie, denn sonst müssten Tschernobyl oder Fukushima überlaufen sein. Und wenn es der Stollen an sich ist, warum dann nicht Einfahrten in stillgelegte Salzbergwerke oder Steinkohlebergwerke im Ruhrgebiet?

An folgender Veröffentlichung kann man das gut erklären, was Stephen Bennett als "Quack Science" bezeichnet. Moder, A., Hufnagl, C., Lind-Albrecht, G., Hitzl, W., Hartl, A., Jakab, M. and Ritter, M. (2010) ‘Effect of combined Low-Dose Radon- and Hyperthermia Treatment (LDRnHT) of patients with ankylosing spondylitis on serum levels of cytokines and bone metabolism markers: a pilot study’, Int. J. Low Radiation, Vol. 7, No. 6, pp.423–435.
In der Zusammenfassung (Abstract) findet sich die folgende Passage:
"We therefore performed a study on 33 AS patients to investigate the effect of LDRnHT on serum levels of bone metabolism markers and cytokines involved in chronic inflammatory disorders. It is shown that TGF-β1, TNF-α, IL-6, OPG and RANKL levels significantly increased after LDRnHT and that the ratio of OPG over RANKL is significantly elevated."
Da wurden also Zytokine (bestimmte Botenstoffe) gemessen und die hatten sich verändert. Sehen wir einmal über die geringe Zahl von Patienten hinweg. Die Studie hat keine Kontrollgruppe. Sämtliche Veränderungen werden auf den Heilstollen zurückgeführt und nicht auf die z.B. gleichzeitig durchgeführt Rehabilitationsbehandlung. Es hätte sich leicht eine Kontrollgruppe finden lassen. Die Ergebnisse sind wohlgemerkt korrekt erhoben worden, aber sie sagen so überhaupt nichts über die Behandlung im Heilstollen aus.

Eine interessante Beobachtung ist die Zahl sogenannter Pilotstudien, denen dann keine weiteren Studien gefolgt sind. In einer Studie von A. Franke et al. wurde sieben Jahre lang gescreent, also ca. 25 Patienten pro Jahr (DOI 10.1007/s00296-006-293-6). Aber vielleicht müssen wir nur genügend lange warten.

Anlässlich der "Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation" am 24. und 25. November 2006 in Wien wurde eine Pilotstudie zu "Fibromyalgie – Schmerz und Erschöpfung / Verlauf nach Gasteiner Heilstollentherapie im Rahmen der Kurbehandlung" vorgestellt. 21 Patienten wurden im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzepts untersucht, das neben den Stolleneinfahrten auch aktivierende Elemente und Schulungsmaßnahmen beinhalteten. "Der Rücklauf auf die Nachbefragung bei T3 (4 Monate nach der Kur) betrug 76 % (16 von 21 Patienten)." Zu diesem Zeitpunkt erfasst man einen Effekt, den ich den Kegeltoureffekt nenne. Da ist auf jeden Fall eine Besserung festzustellen.

Die Exposition einer Radonstollenkur wurde mit 1,8 mSv angegeben, wobei die mittlere natürliche Strahlenbelastung pro Jahr 2,4 mSv beträgt [G. Lind-Albrecht und S. Rotheimer-Hering in Journal für Mineralstoffwechsel 2005; 12 (4)]; das sind immerhin 75% der jährlichen natürlichen Exposition, die noch dazukommt. Nach Berechnungen der Betreiber besteht kein erhöhtes Risiko etwa für die Entwicklung von Krebs. Trotzdem wird vor Radon gewarnt.
Warum nicht in den Keller gehen, dort seine Radon-Dosis abbekommen und man ist geheilt? Nein! Ich halte die Therapie im Radonstollen für überholt. Es sind sicherlich Effekte vorhanden, die aber nicht unbedingt dem Radon und seiner Radioaktivität zuzuordnen sind. Deshalb sollte zugunsten von effektiveren Therapien, die mittlerweile existieren, und zur Reduktion der Strahlenexposition darauf verzichtet werden. Ich rate von der Heilstollentherapie ab.


Zur Gefahr von Radon:

Umgearbeitet von:

PS. Ich erinnerte mich gerade, dass wir hier im Rheinischen Rheuma Zentrum noch sehr alte Literatur besitzen. In der Zeitschrift für Rheumaforschung (übrigens Ex libris Dr. Fritz Hartmann) wurde im Band 20 (1961) auf S. 319 ein Artikel von R. Günther aus Bad Gastein zitiert: Klinische Erfahrungen mit Radonthermen. Er berichtete über die Beobachtungen an 1500 Patienten: „Eine spezifische Radonwirkung konnte an dem genannten Krankengut nicht sicher nachgewiesen werden, da die verschiedenen am Kurort einwirkenden Einflüsse zu zahlreich sind.“ Berichtet von G.A. Schoger (Bad Münster am Stein)

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