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Monday, August 2, 2021

Hand und Wort von André Leroi-Gourhan

 



So eine Bibliothek kann überwuchern wie ein Garten, besonders, wenn der Raum klein ist, in dem man sie untergebracht hat. So war es auch mit meinem Appartement, das für meine Bücher viel zu klein war, so daß ich an verschiedene Bücher einfach über Jahre und teilweise über Jahrzehnte nicht richtig herankam. Die schlummerten so für sich hin, um nun wie archäologische Funde erneut das Licht der Welt zu erblicken. So auch das Buch Hand und Wort von André Leroi-Gourhan [1], aber ich greife vor.

Erlauben Sie mir, noch ein wenig um den heißen Brei herum zu reden. Ich hatte kürzlich in einem Bücherschrank ein Buch über Marie E.P. König gesehen und getauscht [2]. Normalerweise bin ich nicht an Biografien interessiert, aber diese sprach mich an, weil ich mir einige Anregungen aus einem anderen Zugang zur Symbolik der Urzeitmenschen erwartete. Und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht; das Buch von Gabriele Meixner ist zudem angenehm zu lesen. Ich kann mich allerdings mit der Mondkalender-Theorie nicht anfreunden, da die Zahlen 3 und 9 dagegen sprechen, aber das ist heute auch nicht das Thema.



Eine Abschweifung muß aber noch gestattet sein. Auf S. 189 ist eine Abbildung aus der Kulthöhle Malherbes, die u.a. eine Steinritzung zeigt. Ich habe einmal eine schematische Zeichnung angefertigt. Aber ich will mich jetzt nicht versteifen, daß sich die Höhlenbewohner vor 20-30.000 Jahren beim prasselnden Feuer mit dem Mühlespiel die Zeit vertrieben haben. Ein Erich von Däniken hätte längst die Spielsteine dazu gefunden.

Ich fand nun in meiner Wohnung in Köln von André Leroi-Gourhan Hand und Wort / Die Evolution von Technik, Sprache und Kunst, mehr durch Zufall nahm ich es in die Hand und dachte, das Wort würde gut zu der vorerwähnten Lektüre über Frau König passen. Ich habe das Buch in den 80iger Jahren gelesen. Ich blätterte jetzt darin und dann sah ich chinesische und japanische Schriftzeichen und die waren von so furchtbarer Qualität, daß ich zusammenzuckte. Dann las ich auch noch den Text drum herum. Ich war „not amused“, denn was da gedruckt steht, war nicht Stand der Wissenschaft, auch nicht in den 60iger Jahren, als das Buch auf Französisch erschienen war. Leroi-Gourhan hat sich einfach nicht genügend mit dem Thema beschäftigt.

„Vergegenwärtigt man sich dagegen die Vorstellung des Friedens, indem man eine Frau unter ein Dach setzt, so eröffnet man damit eine im eigentlichen Sinne mythographische Perspektive, ...“. Im eigentlichen Sinne ist das Quark! Das Zeichen An (), das gemeint ist, mag sich zwar aus den Zeichen für Dach (manche meinen auch Krone) und Frau zusammensetzen, wurde aber in früheren Zeiten auch anders geschrieben, nämlich [3]. Andererseits weist es Bernhard Karlgren  in seiner Grammata Serica [4] nach. In der Grammata Serica kann man sich eine Vorstellung verschaffen, wie schwierig die Rekonstruktion alter Lautungen chinesischer Schriftzeichen ist. Und für die Etymolgie gibt es häufig eine volkstümliche Form, die eher als eine Art Mnemotechnik betrachtet werden kann.

Nachdem sich meine Erregung etwas gelegt hatte, entschied ich, mir nicht die Laune mit weiterer Lektüre in dem Buch zu verderben.

Aber was war nun das Ärgernis? Einerseits ärgerte ich mich über den Suhrkamp Verlag, der das Buch als „Suhrkamp Wissenschaftliche Sonderausgabe“ herausgebracht hatte. Das Buch war da bereits 20 Jahre alt! Aber weit mehr habe ich mich über mich selbst geärgert. Was hatte mich in den 80iger Jahren geritten, dieses Buch zu erwerben? Ich weiß es nicht mehr, aber es ist umso verwerflicher, als ich damals bereits mindestens 15 Semester Sinologie studiert und 1 ½ Jahre in Taiwan gewesen war. Ich hätte es besser wissen müssen.




Links, Literaturangaben und Anmerkungen:
[1] André Leroi-Gourhan: Hand und Wort. Die Evolution von Technik, Sprache und Kunst. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984, Paperback. ISBN: 3518576704
[2] Gabriele Meixner: Auf der Suche nach dem Anfang der Kultur. Marie E.P. König. Eine Biographie. Frauenoffensive, München 1999. ISBN: 3881043187
[3] https://etymologeek.com/zho/%E5%AE%89
[4] Berhard Karlgren: Grammata Serica, Script and Phonetics in Chinese and Sino-Japanese in: The Bulletin of the Museum of Far Eastern Antiquities, Stockholm, 1940. S. 167. Berhard Karlgren (高本漢) lebte 1889-1978. „Seine Rekonstruktionsversuche waren bahnbrechend für die chinesische Sprachwissenschaft. ... Dennoch bilden sie die Grundlage für alle neuere Forschung auf dem Gebiet der historischen Phonologie des Chinesischen und verwandter Sprachen.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Karlgren

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