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Tuesday, August 17, 2021

Ich werfe ein Buch weg

 



Bücher, die ich nicht mehr benötige, stelle ich normalerweise in einen öffentlichen Bücherschrank. Nun aber bin ich an ein Buch geraten, daß ich wegwerfen werde. In Bücherschränken findet man häufig Bücher, die dort nicht hinein gehören, da sie keinen Nutzen mehr haben. Viele Menschen können Bücher nicht wegwerfen, auch wenn sie keinen Wert mehr haben. Da habe ich volles Verständnis.

Ich habe 1998 das Buch „Essen Sie gern Tapetenkleister?“ von Gisela Friebel [1] erworben. Auf der Rückseite des Buches steht: „In diesem Buch wird gezeigt, wie der Verbraucher von der Werbung hinters Licht geführt wird.“ Der Satz müßte richtigerweise lauten: „In diesem Buch wird gezeigt, wie der Buchkäufer von der Werbung hinters Licht geführt wird.“ Denn wie der Verbraucher von der Werbung hinters Licht geführt wird sucht man in Gisela Friebels Buch vergeblich.

Das Buch stellt vielmehr eine esoterische Eingruppierung von Nahrungsmitteln nach den fünf Elementen vor. Bis es im Buch dazu kommt, werden der Körper als Sklave und der Geist als Aufseherin vorgestellt, zu denen sich noch ein Oberaufseher gesellt (der Co-Autor). Also wenn ich etwas über Herr:innen und Sklav:innen hören möchte, dann greife ich lieber zu Depeche Mode [2]. Es folgen einige Allgemeinplätze, schlecht recherchiert, aber Frau Friebel konnte schnell Texte schreiben, denn sie „verfasste über 500 Heftromane und Bücher“ [3]. Sie weist auf den Fehler in der Eisenbestimmung bei Spinat hin, aber das war in den 20iger Jahren und wurde korrigiert. So ist nämlich Wissenschaft – sie überprüft und korrigiert. Übrigens war die Bestimmung nicht fehlerhaft, denn es wurde der Eisengehalt von getrocknetem Spinat gemessen und später aus frischen Spinat, der zu 92% aus Wasser besteht, übertragen. Immerhin hat uns dieser Fehler Popeye gebracht.

Wir erfahren, wie lange Menschen auf diesem Globus umherlaufen (S. 23): „Seit etwa 10 Millionen Jahren“. Das liegt um den Faktor 10 bis 100 daneben [4]. Da ging es übrigens um Tiefkühlkost. Ganz schlecht nach Friebel.

Kommen wir noch einmal zurück zum Spinat (S. 28). Man kann auch Spinat aus anderen Gründen verzehren, Eisen, Oxalsäure und Nitraten zum Trotz: Spinat ist reich an Folsäure, Zeaxanthin, Lutein und einer Reihe von weiteren Stoffen, außerdem hat Spinat eine ideale Verteilung von Aminosäuren. Auf S. 29 erfahren wir, daß man das Eisen von Pflücksalat „mit bloßen Augen“ erkennen könne – allerdings hat Pflücksalat nur 1/3 des Eisengehaltes von Spinat.

Auf S. 32 erfahren wir, daß Frau Friebel die Irisdiagnostik und die Homöopathie zur Diagnostik und Therapie heranzog. Darüber habe ich aber schon früher geschrieben [5].

Dann wird die Geschichte mit den Weizenkörnern aus der Pyramide (5000 Jahre alt und immer noch keimfähig) aufgefrischt (S. 55). Die Legende geht auf die Familie Dedman zurück, die später King Tut Wheat vermarktete [6]. Nach DNA-Analysen stammt diese Weizensorte (Khorasan-Weizen [Triticum turgidum × polonicum]) aus dem Grenzgebiet von Iran und Afghanistan, dem früheren Khorasan. Auch der von Familie Dedman erwähnte Ort Dashare, woher der Weizen stammen sollte, wurde nie gefunden.

Woher weiß die Autorin über die Ernährungslage im präkolumbianischen Peru Bescheid? Usw. usf.

Von etwas über 50 Rezepten sind zwei zu Spinat – ach siehe da.

Dann folgt noch Werbung, zumeist in eigener Sache, über 15 Seiten.

Ich kann das Buch nicht empfehlen, ich kann nur abraten und ich darf es zum Schutz anderer Personen nicht in den Bücherschrank stellen, muß es also wegwerfen.



Links etc.:

[1] Gisela Friebel: Essen Sie gern Tapetenkleister? Ariane Verlag, Königstein 1997. ISBN:  3929960125
[2] Depeche Mode: Master and Servant. 1984.
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Gisela_Friebel
[4] Das war auch damals bekannt, ich habe es in „Das Wissen des 20. Jahrhunderts“ [a] aus den 1960iger Jahren und im „Dudenlexikon“ [b] aus den 1980iger Jahren nachgeschlagen. Faktor 10 bis 100 ist der Tatsache geschuldet, daß Frau Friebel nicht definiert, wen sie zu den Menschen zählt. Das kann man mittlerweile viel genauer, und wen das interessiert, der kann einmal auf Wikipedia nachschauen [c].
[a] Das Wissen des 20. Jahrhunderts. Verlag für Wissen und Bildung, 1968.
[b] Das Neue Duden-Lexikon . Bibliographisches Institut, 1984.
[c] „Der archaische Homo sapiens entstand in der Zeitspanne zwischen 300.000 und 200.000 Jahren vor heute.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Stammesgeschichte_des_Menschen
[5] https://rheumatologe.blogspot.com/2016/11/werbung-fur-bioenergetische.html
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Khorasan-Weizen



Traditionelles Brotbacken in der Gegend, in der früher Khorasan lag


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