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Thursday, October 21, 2021

Te Pito O Te Henua - Die Osterinsel

 

Motu Iti, Motu Nui und Motu Kao Kao von Orongo aus gesehen (1990)


Die Osterinsel hatte mich schon früh während meines Völkerkunde-Studiums fasziniert, mehr die Kohau Rongorongo, die Osterinsel-Schrift, denn die Moai, die riesigen Statuen. Im polynesischen Dialekt der Insel heißt sie Rapa Nui, aber sie ist auch bekannt unter dem Namen Te Pito O Te Henua, der Nabel der Welt. Den Namen Osterinsel (Paaseiland) bekam sie am Ostermontag 1722 von Kapitän Jacob Roggeveen, der im Auftrag der Westindischen Kompanie nach dem Nordteil des vermeindlichen Südkontinents suchte.
Während Roggeveen am 1. August 1721 von Texel aus in See stach, um am 6. April 1722 Rapa Nui zu sichten, kann man heutzutage in etwa 20 Flugstunden von Europa aus die Osterinsel erreichen.

Land und Leute
Die Osterinsel liegt im Südpazifik und ist die isolierteste Insel der Welt. Im Osten liegt Chile etwa 3700 km entfernt, im Westen finden wir nach 1900 km die Insel Pitcairn, die durch die Bounty-Meuterer berühnt wurde. Die größte Länge mißt 24 km, die größte Breite 12 km. Rapa Nui wurde vor etwa 1500 Jahren von Polynesiern besiedelt, also erst ziemlich spät, denn von Tonga und Samoa nimmt man an, daß sie bereits 1000 Jahre vor Christus besiedelt wurden. Im 16. Jahrhundert nimmt man eine Bevölkerung von 10000 an, Mitte des vorigen Jahrhunderts 4500. Durch peruanische Sklavenschiffe wurde die Bevölkerung drastisch reduziert. šber 1400 Personen wurden in die Berkwerke Perus verschleppt, wo fast alle verstarben, nur eine kleine Zahl wurde todkrank zurückgebracht. Sie infizierten die Restbevölkerung z.B. mit Tuberkulose, so daß Ende letzten Jahrhunderts nur etwa 200 Insulaner überlebt hatten. Heute leben etwa 2000 Osterinsulaner polynesischen Ursprungs auf Rapa Nui; dazu kommen noch etwa 800 Chilenen. Der Tourismus bringt etwa 4000 Reisende im Jahr zur Osterinsel, wobei viele nur kurz im Rahmen eines Pauschalurlaubs bleiben, so daß täglich etwa 30 Touristen die Insel heimsuchen.

Ankunft in Hangaroa
Nach der Ankunft am Mataveri Flughafen, suchte ich eine Unterkunft und fand sie in einem kleinen Hotel, das von Martin Rapu Pua geführt wird, der bei den Ausgrabungsarbeiten von Thor Heyerdahl beschäftigt gewesen ist. Das Hotel liegt auf der Prachtstraße von Hangaroa, dem einzigen Ort der Insel, einem Marktflecken. Diese Prachtstraße heißt Avenida Polycarpo Toro, aber es handelt sich um eine Sandpiste. Das Hotel hatte bei meiner Ankunft nur noch einen zweiten Gast, den Japaner Toshiyuki Furukawa, mit dem ich mich anfreundete [2]. Die Verständigung war schwierig, denn sein Englisch war wenig ausgefeilt und meine Japanisch-Kenntnisse sind nur rudimentär, aber wir sind immer zurechtgekommen.
Etwa 600 m vom Hotel entfernt steht die Kirche [3], in der Pater Englert gepredigt hat, und die auch durch die Unterstützung von Thor Heyerdahl gebaut werden konnte. Pater Sebastian Englert stammte aus Bayern und lebte von 1935 an auf der Osterinsel, wo er den Leprakranken besondere Fürsorge widmete. Außerdem war Pater Englert enthologisch tätig. Sein Lebenswerk umfaßt 30 Veröffentlichungen zu Sprache, Grammatik, Geschichte und Kultur der Osterinsel. Er starb 1969 auf einer Vortragsreise in New Orleans. Die Kirche ist außen mit Steinreliefs verziert, die traditionelle Motive, wie sie auch in der Holzschnitzkunst verwendet werden, aufweist.



Die Osterinsel-Schrift

Die Kohau Rongorongo [4] sind Holztafeln oder Holzstöcke, auf denen Schriftzeichen eingeritzt sind. Man nimmt an, daß es sich um Gedächtnisstützen für die Tangata Rongorongo handelt. Tangata bedeutet Mensch; die Tangata Rongorongo waren Sänger oder Rezitatoren, die bei Festen diese Texte vortrugen. Kohau Rongorongo wird übersetzt mit "Rohr des Sängers". Nur 21 Tafeln, ein Stab und drei Brustzierate haben die Zeiten überdauert. Die Tangata Rongorongo sind verstorben. Damit ist die Entzifferung der Kohau Rongorongo so ungewiß wie die des Diskus von Phaistos. Heute kann kunsthandwerkliche Nachahmungen auf der Osterinsel als Souvenir erwerben.

Orongo und der Vogelmann
Zusammen mit Toshiyuki erkundete ich Orongo, eine historische Stätte über dem Kratersee des erloschenen Vulkans Rano Kao. Dort sind die Felsen mit Zeichen (Petroglyphen) übersät. Außerdem sind Steinhütten zu finden, in denen die am Kult beteiligten wohnten. Orongo ist verbunden mit dem Kult des Vogelmannes (Tangata Manu). Vogelmann wurde derjenige für ein Jahr, der bzw. dessen Diener (Hopu) als erster ein Ei der Seeschwalbe brachte. Dafür mußte er die Klippen hinabsteigen, durch den haiverseuchte Meeresarm schwimmen, dann auf einer der kleinen Inseln (Motu Nui, Motu Iti oder Motu Kaokao) nach einem Ei suchen und es dann schwimmend zurückbringen. Viel liegt im unklaren zu diesem Kult, der zuletzt etwa 1867 durchgeführt worden ist.

Auf dem Weg nach Orongo machten wir einen Abstecher zum Kratersee, der mit Schilf bewachsen ist. Während der Wind auf dem Kraterrand kräftig bläst, raschelt er unten nur im Röhricht, und ab und zu schreit eine Seemöve aus der Ferne.






Zum Steinbruch am Rano Raraku
Allein machte ich mich an einem anderen Tag zum Rano Raraku auf. Es ist ein beschwerlicher Weg von etwa 40 km Länge, der sich durch eine öde Landschaft zieht. Teilweise ging ich an der Küste entlang, wo viele große Statuen (Moai) auf den Tempelanlagen (Ahu) vornübergekippt liegen. Sie standen bis auf eine Gruppe alle an der Küste und blickten drohend in's Landesinnere. Die Moai wurden am Rano Raraku aus dem Vulkangestein geschlagen und bearbeitet. Später transportierte man das tonnenschwere Gestein über viele Kilometer mit nur einfachsten Hilfsmitteln. Auf den Köpfen trugen sie rote Gesteinshüte, die von einem anderen Ort der Insel stammen. Die Statuen wurden irgendwann umgestürzt und es sind nur einige Gruppen wiederhergestellt worden. Obwohl es zwischendurch nieselte und ich mich laufend eincremte, war die Zeit in der sengenden Sonne lang genug, um mich zu verbrennen; dabei blies ein kräftiger Wind über diesen baumlosen Inselteil, auf dessen weichen Hügeln gelbes, langes Gras zwischen dem Geröll auf dem roten Vulkansand wächst. Schließlich kam ich in die Nähe vom Rano Raraku. Eine einsame Kokospalme steht zwei bis drei Kilometer vor dem Vulkan. An den Hängen liegen oder stehen fertige Statuen, die nicht mehr fort transportiert worden sind. Man kann gefahrlos an den Hängen zu den Steinbrüchen wandern, wo noch große Statuen in verschiedenen Stadien der Fertigung im Gestein zu besichtigen sind. Dann ging ich um den Krater herum, denn an einer Stelle kann man gut auf die höchste Stelle klettern. Ich traf oben einige Einheimische und ein amerikanisches Paar. Der wildeste von den Polynesiern, der sich in ein traditionell anmutendes Kleid geworfen hatte, sprach zunächst nur Polynesisch, aber dann stellte sich heraus, daß auch dies nur Schau war, denn er hatte in Australien studiert. Auch der Krater des Rano Raraku war innen mit Schilf bedeckt, aber ein großer Teil freien Wassers verblieb, der den blauen Himmel widerspiegelte. Nur wenig später mußte ich schon wieder auf den Rückweg machen. Einige Kilometer vor Hangaroa hatte es sich wieder bewölkt und es begann zu regnen, aber ich hatte Glück, ein französisches Ehepaar nahm mich in einem Jeep mit zurück in die Stadt, denn Hangaroa war nun kein Marktflecken mehr für mich.



Anakena und ein Mißverständnis
Eines abends machte Martin Rapu Pua den Vorschlag, Toshiyuki und mir ein Auto zu vermitteln. Wir waren damit einverstanden, da wir nach Anakena wollten. Anakena liegt etwa 20 km von Hangaroa entfernt. Dort war Thor Heyerdahl gelandet und dort war die erste Steinfigur wieder aufgestellt worden. Am nächsten Morgen stand ein Jeep mit steckendem Schlüssel vor dem Hotel. Toshiyuki hatte noch drei Japaner kennengelernt, die ebenfalls mitfahren wollten. Es ging über eine staubige Piste und durch alle Ritzen drang roter Staub (im Chinesischen steht roter Staub für die Weltlichkeit). Hustend und über den ganzen Körper mit Staub bedeckt kamen wir in Anakena an. Wir besichtigten den Ahu Naunau, sieben Moai, von denen vier noch die roten Hüte trugen. Außerdem war noch Ahu Ature Huki, die erste wiederaufgestellte Statue mit der Erinnerungsinschrift, zu sehen. Da in Anakena ein weißer Sandstrand vorhanden ist, sind wir auch noch kurz in's Wasser gegangen. Hangaroa hat nur einen felsigen Zugang zum Meer.
Unterwegs trafen wir einen Mann auf einem Motorrad, der uns nach Papieren fragte. Ich verstand ihn nur teilweise, und Papiere hatten wir sowieso keine, so daß wir sicherheitshalber nur Englisch verstehen wollten. Das Auto hatte von jetzt an auch laufend kleine Pannen. Bei der zweiten Panne half der Mann, lud das Motorrad auf den Jeep und setzte sich an's Steuer. Uns war es recht, da wir befürchteten, das Auto könnte mitten im Nirgendwo liegenbleiben. Nach mehreren Pannen erreichten wir Hangaroa. Dann stellte sich heraus, daß der Jeep dem Motorradfahrer gehörte und er ihn bereits als gestohlen gemeldet hatte. Da waren wir also mit einem gestohlenen Wagen unterwegs gewesen! Für soviel Geld, wie ein Mietwagen kostete, konnten wir uns dann mit der Hilfe von Martin wieder loskaufen, ohne einen Polizisten sehen zu müssen. Der Motorradfahrer hatte einen kleinen Laden neben dem Hotel und hatte den Wagen nur kurz abgestellt. Eigentlich wollte er den Jeep nur für kurze Transporte im Ort benutzen. Einige Tage später lud Martin ihn ein und wir saßen dann alle über das Mißverständnis lachend zusammen.




Die Startbahn-Besetzer von Rapa Nui
Bald verließ ich aber die Osterinsel, da ich noch andere Teile Chiles sehen wollte. Als ich aus Punta Arenas und Feuerland sowie einem Aufenthalt am Osorno, einem der schönsten Vulkane der Welt, nach Santiago de Chile zurückkam, waren die Nachrichten voll von der Isla de Pascua. Die chilenische Fluggesellschaft LAN Chile wollte die Flugpreise für die Osterinsulaner erhöhen. Da haben die Bewohner von Hangaroa ihre Autos auf die Flugpiste gestellt, so daß tagelang kein Flugzeug starten oder landen konnte. Ob Martin Rapu Pua [5] mitgemacht hat oder der  Motorradfahrer seinen Jeep auf's Rollfeld gestellt hat, das habe ich leider nie erfahren.


Anmerkungen und Links:
[1] Geschrieben für TAU 1995 (30.04.1995) – die Reise fand 1990 statt - alle Bilder stammen von dieser Reise. Und 2017 konnte ich die Insel nochmals besuchen: https://rheumatologe.blogspot.com/2017/12/easter-island-and-conaf-then-and-now.html Ich hatte eine andere Datei gesucht und diese gefunden.
[2] Mit Toshiyuki Furukawa bin ich heute noch befreundet; das letzte Treffen liegt acht Jahre zurück.
[3] https://rheumatologe.blogspot.com/2017/11/easter-island-and-catholic-church.html
[4] https://rheumatologe.blogspot.com/2017/12/easter-island-and-its-language-rapanui.html
[5] Ich habe ihn 2017 gesucht, aber weder ihn gefunden noch existierte das kleine Hotel.

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