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Sunday, August 4, 2024

Altargesteck für den 03./04.08.2024 10. Sonntag nach Trinitatis

 


Der heutige Sonntag ist der zehnte Sonntag nach dem Trinitatis-Fest [1]. Die Wochenspruch lautet [2]: „Wohl dem Volk, dessen Gott der HERR ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat!“ Der Eingangspsalm / Wochenpsalm ist Psalm 122 [3], aber der steht nicht im Gesangbuch. Ich hatte schon 754 gesteckt, denn der folgt auf Psalm 121 im Gesangbuch; aber irgenwie ließ ich die Leiter stehen. Der Psalm 122 wird uns noch beschäftigen, aber auch die Leiter. So wie sie dasteht assoziiere ich einen Film und ein Lied damit – die Auflösung folgt später. Die Perikopenordnung sieht den Psalm 122 vor, denn der paßt zum heutigen Sonntag, dem Israel-Sonntag, an dem man sich mit den jüdischen Wurzeln des Christentums auseinander setzen kann.

Als Evangelium für den aktuellen Sonntag wurde ein Text aus dem Markusevangelium [4] ausgesucht: „Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, 30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft« (5. Mose 6,4-5). Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3. Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als dieses.“ Und im 3. Buch Moses steht [5]: „Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR.“

Ein Rabbi fragte seine Schüler, wann der Tag beginnen würde. Alle Antworten waren falsch. Der Rabbi beantwortete selbst die Frage: „Der Tag beginnt, wenn Du in das Gesicht eines Menschen blickst und darin Deine Schwester oder Deinen Bruder siehst. Bis dahin ist die Nacht noch bei uns.“ Damit aber kommen wir zu Emmanuel Levinas.

Emmanuel Levinas (1905-1995) [6] entwickelte eine Ethik, die sich nicht um Erkenntnis über das Sein in erster Linie sondern um das Antlitz des Anderen kümmerte. Man kann dem Anderen nicht mit Gleichgültigkeit begegnen, obwohl er seine Anders-/Fremdheit nicht verlieren kann [6]. Der Übersetzer F. Miething zitierte aus Dostojewskis Roman „Die Brüder Karamasov“, um dies zu beschreiben [7]: „Jeder ist verantwortlich für alle anderen, jeder ist schuldig und ich mehr als alle anderen.“

Offenheit, Toleranz, Wohlwollen, Liebe sind notwendig, nicht Hass, Egoismus oder Narzissmus sind gefragt. Wenn man den Nächsten lieben will wie sich selbst, dann muss man auch sich selbst mit Liebe und Nachsicht begegnen können. Wie steht es um die Menschen, die in den sozialen Medien nur Hass-Kommentare abgeben? Die können sich selbst eben nicht mit Liebe, Nachsicht und Wohlwollen begegnen – aber wir könnten es … könnten es versuchen. [8]

Die Epistel steht im Römerbrief – das heißt es immer genau und aufmerksam lesen –, aber hier ist Paulus sehr klar, denn es geht um die Rettung ganz Israels [9]: „Und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht (Jes 59,20): »Es wird kommen aus Zion der Erlöser; der wird abwenden alle Gottlosigkeit von Jakob. Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.« … Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.“

Der Predigttext steht im Alten Testament und behandelt das künftige Heil für die Völker [10]: „So spricht der Herr Zebaoth: Zu jener Zeit werden zehn Männer aus allen Sprachen der Völker einen jüdischen Mann beim Zipfel seines Gewandes ergreifen und sagen: Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist.“

Wir sangen das Lied „Freunde, dass der Mandelzweig“ [11] von Schalom Ben-Chorin [12]: Freunde, dass der Mandelzweig / wieder blüht und treibt, / ist das nicht ein Fingerzeig, / dass die Liebe bleibt.“ Der Mandelbaum weist auf eine Stelle im Alten Testament [13]: „Und es geschah des HERRN Wort zu mir: Jeremia, was siehst du? Ich sprach: Ich sehe einen erwachenden Zweig. Und der HERR sprach zu mir: Du hast recht gesehen; denn ich will wachen über meinem Wort, dass ich’s tue.“ Ups, aber in der Elberfelder Übersetzung steht [14]: „Und das Wort des HERRN geschah zu mir: Was siehst du, Jeremia? Und ich sagte: Ich sehe einen Mandelzweig.“ Hilft uns das jetzt weiter. Also, ich kann kein Hebräisch, aber da kann man sich vom Pfarrer und dem Internet helfen lassen. Mandelbaum ist nämlich im Hebräischen ein Wortspiel [15]. Der Mandelbaum ist šāqed und das Wachen ist šoqed. In den semitischen Sprachen sind die Konsonanten wichtiger als die Vokale. Früher wurden Texte häufig ohne Vokalzeichen geschrieben, also in unserem Fall wäre das šqd und šqd. Die Thora und der Quran haben Vokalzeichen oder Vokalmarkierungen bekommen, um Zweideutigkeiten zu verhindern. Mir war im Zusammenhang mit Mandelbaum noch ein Gedicht aus „Die Niemandsrose“ von Paul Celan eingefallen, aber es führt uns nicht weiter [16].




Kommen wir zurück auf den Psalm 122, in dem es heißt: „Wünschet Jerusalem Frieden! / Es möge wohlgehen denen, die dich lieben! / Es möge Friede sein in deinen Mauern / und Glück in deinen Palästen! / Um meiner Brüder und Freunde willen / will ich dir Frieden wünschen. / Um des Hauses des Herrn willen, unseres Gottes, / will ich dein Bestes suchen.“ Der Israelsonntag mahnt uns an die bleibende Verbindung zwischen Christentum und Judentum. Wir sollten uns an die Verfolgungen erinnern, aber auch an die Shoa, die Deutschland und Israel sowohl trennt als auch verbindet. Denken wir insbesondere an den aktuellen Konflikt in Palästina, unter dem nach Mord und Verschleppung durch die HAMAS Isreali und Palestinenser leiden.

Das Altargesteck in Köln war zwar neu, aber nicht mehr frisch, denn die Kirche hatte sich in der Sonne aufgeheizt. Das Gesteck ist mit seinen verschiedenen Kugelblüten interessant. Aber mein Favorit ist wieder einmal das Gesteck in Kall. Im Mittelpunkt steht eine Sonnenblume als Symbol für Jesus Christus. Wir sind die Blüten um ihn herum, in allen möglichen Farben.



Ach ja, die Auflösung. Die Leiter hat einen Bezug zum Film „Der Kontrakt des Zeichners“ [17] von Peter Greenaway [18], bei dem eine Leiter an einer Stelle steht, an der sie nirgendwohin führt. Das Lied, das ich assoziierte, war „Stairway to Heaven“ von Led Zeppelin [19].


Inspiriert vom täglichen Blumenstrauß
auf einem Fahrrad von Ai Weiwei (艾未未).

Links und Anmerkungen:
[1] https://kirchenjahr-evangelisch.de/10-sonntag-nach-trinitatis-israelsonntag-kirche-und-israel/  
[2] Ps 33,12
[3] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/PSA.122 Psalm 122
[4] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/MRK.12 Mk 12,28–34
[5] https://www.bibleserver.com/text/LUT/3.Mose19%2C18 3. Mose 19,18
[6] https://www.jesus.ch/themen/glaube/theologie_philosophie_religion/126826-emmanuel_lvinas_das_antlitz_des_anderen_nach_auschwitz.html
[7] https://www.juedische-allgemeine.de/allgemein/die-spur-des-anderen/
[8] Das hatte ich schon einmal geschrieben: https://rheumatologe.blogspot.com/2019/08/altargesteck-10-sonntag-nach-trinitatis.html       
[9] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/ROM.11 Röm 11,25–32, besonders  Röm 11,26.27.32
[10] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/ZEC.8 Sach 8,20–23
[11] Das Lied entstand zum Ende des zweiten Weltkrieges: https://www.bistum-essen.de/glaube/impuls-zum-kriegsende-vor-71-jahren
[12] Schalom Ben-Chorin heißt übersetzt: „Friede, Sohn der Freiheit“, es ist der Name des 1913 als Fritz Rosenthal geborenen deutsch-israelischen Rabbiners, der 1999 gestorben ist. Er setzte sich „vor allem für den christlich-jüdischen Dialog, die Überwindung des Antijudaismus und Antisemitismus und für die Möglichkeit einer Theologie nach Auschwitz ein.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Schalom_Ben-Chorin
[13] https://www.bibleserver.com/LUT/Jeremia1 Jer 1,11.12
[14] https://www.bibleserver.com/ELB/Jeremia1 Und steht es auch in der Zürcher Bibel: https://www.bibleserver.com/ZB/Jeremia1
[15] https://www.die-bibel.de/ressourcen/wibilex/altes-testament/mandel-mandelbaum
[16] Es handelt sich um: „EINE GAUNER- UND GANOVENWEISE / GESUNGEN ZU PARIS EM PRES PONTOISE / VON PAUL CELAN / AUS CZERNOWITZ BEI SADAGORA II“. Z.B. hier: https://www.babelmatrix.org/works/de/Celan%2C_Paul-1920/Gaunerlied
[17] „»Der Kontrakt des Zeichners« ist ein britischer Spielfilm von Peter Greenaway aus dem Jahre 1982.“ Originaltitel: The Draughtsman's Contract. „Die Kompliziertheit des Films, die Fülle an Metaphern, Allegorien und Anspielungen, die witzigen, aber anspruchsvollen Dialoge erfordern ein gerütteltes Maß an kultureller Bildung, höchste Aufmerksamkeit und ein wiederholtes Ansehen des Films. Unter vielen britischen Kritikern gilt Der Kontrakt des Zeichners als der originellste Film der 1980erJahre, ...“. https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Kontrakt_des_Zeichners  
[18] „Peter Greenaway, CBE (* 5. April 1942 in Newport, Wales) ist ein britischer Filmregisseur, Experimentalkünstler, Drehbuchautor, Kameramann und Filmeditor.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Greenaway
[19] Led Zeppelin - Stairway To Heaven (Live at Earls Court 1975) [Official Video] https://www.youtube.com/watch?v=Ly6ZhQVnVow (Ich bekomme schon nach 10 s eine Gänsehaut!)

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