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Monday, February 17, 2025

Anmerkungen zu einem Artikel über das Fibromyalgiesyndrom in der Zeitschrift für Rheumatologie Ausgabe Februar 2025


Ich habe gerade meine Kopie der Zeitschrift für Rheumatologie Ausgabe Februar 2025 erhalten und las den Artikel „Effekte einer multimodalen stationären Behandlung bei PatientInnen mit Fibromyalgiesyndrom im Akut-Rheumazentrum Rheinland-Pfalz“ von PD Dr. Konstantinos Triantafyllias und weiteren [1]. Leider las ich etwas genauer und da komme ich nicht um einige Anmerkungen herum.

Ist das, was als multimodale Behandlung klassifiziert wird, nicht einfach nur Polypragmasie? Ich hoffe, daß ich mich einer Antwort auf diese Frage nähern kann.

Die TeilnehmerInnen waren wie erwartet über 90% Frauen und da frage ich mich, ob man die Männer nicht generell herauslassen sollte.

Das war CRP war im Median [A(ufnahme): 2,9 mg/dl, E(ntlassung) 2,5 mg/dl] erhöht – warum? Es wird nicht erläutert, welche Bedeutung dem zugemessen wurde.

Einleitung und Methoden
Die Diagnose wurde nach den Diagnosekriterien ACR 2010 gestellt [2]. „Ziel dieser Studie war es somit, die Wirkung einer kompakten 9- bis 10-tägigen stationär durchgeführten multimodalen Fibromyalgiebehandlung (MFB) anhand von „patient reported outcomes“ (PRO) in einer deutschen Kohorte zu untersuchen.“

Werkzeuge
Die Studie verwendete visuellen Analogskalen (VAS) [0-10] zur Einschätzung der  Schmerzstärke [VAS (S)] und subjektiver Krankheitsaktivität [VAS (KA)], Fragebögen zur Erfassung der alltäglichen Funktionskapazität [Health Assessment Questionnaire (HAQ)], Funktionsfragebogen Hannover [FFbH]) die Erfassung der „Pharmakotherapie zu drei Zeitpunkten (Visite 1: Beginn der MFB, Visite 2: Ende der MFB und Visite 3: 3 Monate nach Visite 2) beurteilt.“ [3] Die Tabelle zeigt wie im Text der Arbeit nur Erhebungen zu Beginn und Ende des stationären Aufenthaltes. Da im weiteren Verlauf eine Zwischenüberschrift mit einem längeren Text über „Pharmakologische Therapie als Teil eines multimodalen Konzeptes“ sowie die Etablierung einer Subgruppe „ohne intensivierte Schmerzmedikation“ erfolgte, prangere ich dies Versäumnis an. Wenn es so wichtig ist, warum wurden die Daten nicht erhoben bzw. nicht in Tabelle 4 mitgeteilt?
Bei der VAS (S) sind die Zeitpunkte über Tag nicht erfaßt worden; und überhaupt dreimal ein Kreuzchen auf einer Linie – da soll alles sein? Wie wäre es mit einem Schmerztagebuch?!
HAQ und FFbH muss man erheben, aber in der Regel sind sie wenig ergiebig bei PatientInnen mit Fibromyalgiesyndrom, wie sich auch in den Ergebnissen gezeigt hat – keine signifikaten Veränderungen.
Was wurde alles nicht erfaßt in dieser Studie? Was ist mit Erhebungen zu Lebensqualität, Depressivität, Somatisierung, Zwanghaftigkeit, Ängstlichkeit, Selbsteffizienz? Keine Angaben.
Die stationäre Therapie wurde 9-10 Tage durchgeführt und es erfolgten 22 Stunden Therapie, also ca. 2h12m/Tag, wenn man der Einfachheit mit zehn Tage rechnet. Dann entfallen 18 m/T auf eine nicht weiter erläuterte Bewegungstherapie. 24 m/T entfallen auf Ergometer, die Therapie wird alleine nach Einführung durchgeführt. 12 m/T Nordic Walking – alleine? Nach Einführung? 12 m/T Wärmeanwendung (halte ich für nicht indiziert, da es Erwartung nach Fremdheilung fördert könnte – aber die Diskussion wird eher vermieden). 36 m/T Rapsen, das alleine nach Einführung durchgeführt wird. Die PatientInnen konnten warm, zimmertemperierte oder kalte Rapssamen bekommen. Das aber ist die Therapie, die den größten Anteil hat und am ausführlichsten beschrieben wird. Was will man beim Fibromyalgiesyndrom damit errreichen? Will man „die Motorik und Gelenkbeweglichkeit fördern“? Ist man der Meinung, daß eine gestörte Motorik und Gelenkbeweglichkeit für die Schmerzen am ganzen Körper verantwortlich ist? Wenn das so wäre, warum hat man nicht gemessen, ob sich überhaupt etwas verändert hat? Und dann werden 30 m/T kognitive Verhaltenstherapie erwähnt. Das erscheint mir dürftig, besonders wenn man sich über das Rapsen zeilenweise ausläßt und hier nur eine Blackbox bleibt, über die man rätseln kann, wie über den Ausgang des Experiments von Schrödingers Katze.

Ergebnisse
Handelt es sich um eine verkappte Pregabalin-Studie? Es erfolgte eine Zunahme von 9 auf 28 Pat. „(50%)“ mit Pregabalin; es ist mir unklar, wie die Angabe 50% in Tabelle 4 zustande gekommen ist. Aber so schnell gebe ich da nicht auf! Überall ist von 61 PatientInnen die Rede, aber wenn man die Tab. 4 heranzieht, wurde hier durchgehend mit 56 PatientInnen gerechnet. Wo sind die fünf PatientInnen geblieben? Und was heißt das für die Ergebnisse insgesamt?

Diskussion
Die Arbeit inszeniert sich als „eine der ersten Explorationen über möglich Auswirkungen eines multimodalen Therapiekonzeptes“ und bezeichnet sich als „eine der wenigen Arbeiten weltweit“, „die diese Effekte 3 Monate nach Entlassung erneut überprüft hat“. Was sind denn drei Monate? Was ist mit sechs oder 12 Monaten, oder einem noch längeren Zeitraum? Solche Untersuchungen gibt es [4]. Ich habe Leslie J. Crofford auf verschiedenen Kongressen befragt, wie es mit Langzeiteffekten von Pregabalin beim Fibromyalgiesyndrom aussähe und sie hatte jedesmal vorgegeben, da müsse sie in die Daten schauen. Leslie J. Crofford aber war eeine derjenigen, die Pregabalin propagiert hatten bzw. die Studien vorgestellt hatten [5]. Man vermeidet längere Zeiträume, da sich dann keine Effekte mehr nachweisen lassen.

Egal, was man gegen Fibromyalgie unternimmt, für kurze Zeit wird man signifikante Effekte nachweisen können. Die halten aber nicht an und deshalb wird zu kurz nach der Intervention erneut getestet. Ich behaupte, dann ist man auch nicht besser als ein Retreat von 9-10 Tagen Dauer oder so etwas wie eine Kegeltour.

Ich meine, daß die Arbeit auch sachliche Mängel aufweist, aber darüber sollten andere urteilen.



Links und Anmerkungen:

[1] Triantafyllias, K., Balaklytska, V., Sauer, C. et al. Effekte einer multimodalen stationären Behandlung bei PatientInnen mit Fibromyalgiesyndrom im Akut-Rheumazentrum Rheinland-Pfalz. Z Rheumatol 84, 10–18 (2025). https://doi.org/10.1007/s00393-024-01568-x 
https://www.springermedizin.de/fibromyalgiesyndrom/fibromyalgiesyndrom/effekte-einer-multimodalen-stationaeren-behandlung-bei-patientin/50015302  
[2] Wolfe F, Clauw DJ, Fitzcharles MA, Goldenberg DL, Katz RS, Mease P, Russell AS, Russell IJ, Winfield JB, Yunus MB. The American College of Rheumatology preliminary diagnostic criteria for fibromyalgia and measurement of symptom severity. Arthritis Care Res (Hoboken). 2010 May;62(5):600-10. doi: 10.1002/acr.20140. PMID: 20461783.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20461783/
[3] So jedenfalls steht es in der Zusammenfassung. Im Text aber steht: „sowie der Medikationsplan zu Beginn und Ende der Behandlung“.
[4] Hier sind einige Veröffentlichungen und Vorstellungen auf nationalen und internationalen Kongressen von Dipl.-Psych. Thomas Valentin. https://www.praxis-valentin.de/ver%C3%B6ffentlichungen/
[4a] Valentin Th (2003): Cognitive behavioral therapy with fibromyalgia? The results of a study with a mean 1,8 years follow-up. 4th Congress of EFIC, Prag (book of abstracts): 435.
[4b] Valentin Th et al. (2002): Was taugt die Patientenschulung „Fibromyalgie“ in der Rheumatologie? Die Ergebnisse einer Langzeitstudie. Zeitschrift für Rheumatologie 61 (Suppl. 1): 123.
[4c] Valentin Th (2001): Verhaltenstherapie oder interdisziplinäre Polypragmasie? Die Langzeitergebnisse einer praxisnahen Untersuchung zur Wirksamkeit einer verhaltenstherapeutischen Gruppenbehandlung für Fibromyalgiepatienten. Der Schmerz 15 (Suppl. 1): 85.
[5] Crofford LJ, Rowbotham MC, Mease PJ, Russell IJ, Dworkin RH, Corbin AE, Young JP Jr, LaMoreaux LK, Martin SA, Sharma U; Pregabalin 1008-105 Study Group. Pregabalin for the treatment of fibromyalgia syndrome: results of a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Arthritis Rheum. 2005 Apr;52(4):1264-73. doi: 10.1002/art.20983. PMID: 15818684.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15818684/  

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