Seiten / Pages

Tuesday, September 7, 2021

Lu Yu und deutsche Teebücher der 1970iger und 1980iger Jahre

 



Lu Yu (陸羽) war ein Gelehrter und Schriftsteller der Tang-Zeit [1]. Ich hatte ihn kürzlich erwähnt, denn er war mit dem Dichter Jiaoran (皎然) befreundet [2], von dem ich den Teil eines seiner Gedichte übersetzt hatte. Lu Yu lebte von 733 bis 804. Lu Yu ist bekannt durch sein Werk Chajing (茶經), das zehn Kapitel in drei Bänden hat [3].
 
Nun müssen wir einen kleinen Exkurs zur Umschrift Pinyin machen [4]. Pinyin nennt man die lateinische Umschrift, die für die Laute im Hochchinesischen benutzt wird. Pinyin wurde 1956/1957 in der VR China genehmigt (bitte im Wikipedia Artikel bei Interesse nachlessen). Ich benutze es, wann immer ich mit dem PC chinesische Zeichen schreibe – sonst benutze ich lieber die Zuyin Fuhao (注音符號), aber das führt jetzt zu weit vom Thema weg [5]. Der Name Lu Yu eignet sich gut für die Anmerkung zu einer Besonderheit. „Nach j, q, x und y entfallen die Punkte über dem ü. Ein geschriebenes u nach diesen Anlauten wird also als ü gesprochen.“ Lu wird auch Lu ausgesprochen, aber es gibt auch Lü, so daß man hinter L die Unterscheidung u und ü in der Pinyin Umschrift benötigt. Allerdings, wenn man auf dem PC ein ü benötigt - das haben Sie sich sicher schon gedacht – kann man nicht unser ü benutzen, sondern nimmt das v. Da dies wahrscheinlich keinem der Autoren der Teebücher, die ich vorstelle, bekannt war, kommt es laufend zu Verwechslungen und auch Fehlern.
 
Sonja Ruske [6] schreibt auf S. 8: „... wie Lu-Yü in seinem 1780 veröffentlichten Teebuch ...“. Na ja, was sind schon 1000 Jahre ... . Auf S. 13 schreibt sie richtig „780 n. Chr.“ und „Lu-Yu“ hat zwar wiederum einen überflüssigen Bindestrich, aber er hat keine Ü-Pünktchen mehr.
 
Marianne Nicolin [7] nennt Lu Yu auf S. 9 „Lu Yün“; vielleicht geisterte da der Dichter Lu Xun (魯迅 bzw. 鲁迅) mit herum. Frau Nicolin fährt fort: „... in seinem 1780 v. Chr. veröffentlichten Tscha-king ...“. Also das ist nun glatte 2560 Jahre zu früh! Tscha-king für Chajing deutet auf eine sehr alte Quelle. Immerhin hat sie richtig geschrieben, daß es sich um ein dreibändiges Werk handelt.
Später schreibt sie von den Teegärten in Darjeeling in 2000-3000 m Höhe; die liegen aber in Höhen von 600-2000 m Höhe.
 
Inge Ubenauf [8] schreibt nur einen Satz und Lu Yu hat zwar einen Bindestrich, aber sein Werk wird richtig mit „im 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung“ datiert.
 
Hellmut Grösser hat das Buch „Tee für Wissensdurstige“, Untertitel „Das Fachbuch vom Deutschen Teebüro“ [9] veröffentlicht. Also ich erwartete knallharte Fakten! Wurde diese Erwartung eingelöst? Was schreibt er denn so? Er schreibt auf S. 7: „Seit der Chinese Han-Jü um das Jahr 800 n.Chr. das erste Buch vom Tee schrieb, ...“. Ja, Walther Schlösser, äh Hellmut Grösser, knapp daneben ist auch vorbei. Positiv immerhin „um das Jahr 800“ [10].
 
Eelco Engelbert Hesse ist Niederländer, aber sein Buch wurde ins Deutsche übersetzt [11]. Er schreibt auf S. 7: „Immerhin hat der Chinese Lu Yu im Jahr 780 nach Christus bereits ein zehnbändiges Werk darüber geschrieben.“ Das Chajing hat zehn Kapitel, die sich auch drei Bände verteilen. Und die Datierung ist nicht so falsch, der niederländische Eintrag in Wikipedia [12] hat:
„Het werd tussen 760 en 780 geschreven.“
 
Was hat uns Hans Herlin [13] zu sagen? Ich habe keine größeren Beanstandungen!
 
Kommen wir zum letzten Buch, das ich heute gelesen habe, nachdem ich es in meiner Zweitwohnung wieder entdeckt hatte. Curt Maronde [14] hatte einen Bestseller gelandet. Auf S. 8 sehe ich eine Zeichnung „Altchinesisches Teegerät aus Porzellan um 3500 v. Chr.“ - nö! Etwa 2000 Jahre später mag es Frühformen gegen haben, aber das sogenannte Protoporzellan ist noch später anzusiedeln und die wesentlich Entwicklung zum Porzellan gehört in die Tang-Zeit – ich habe das jetzt extra noch einmal nachgeschaut [15]. Ein Kapitel in Marondes Buch heißt: „Ein Clown schrieb das klassische Buch vom Tee“ (S. 16). Es klingt falsch, ist aber auch nicht an den Haaren herbeigezogen. Der Wikipedia-Eintrag auf Chinesisch [1] spricht von 丑角 (chǒujué) und das heißt Clown, aber es wird die fehlende Quellenangabe beanstandet. In diesem Kapitel ist dann von Lu-Yün die Rede (S. 17): „Im Jahre 1780 v. Chr. Veröffentlichte Lu-Yün, von Beruf Zirkusclown, sein dreibändiges Werk über den Tee, ...“. Mit 12 oder 13 Jahren ist Lu Yu aus dem Kloster geflohen und hat sich einer Schaustellertruppe angeschlossen, aber bereits ab dem 14. Lebenjahr wurde er in der Literatur gefördert. Also 1973 wäre mir der Rassismus in diesem Kapitel noch nicht aufgefallen, jetzt aber schon.
 
Eigentlich niederschmetternd, was so über Tee veröffentlich worden ist. Und dabei habe ich verzichtet, über die Rezepte zu urteilen, aber das werde ich später einmal nachholen.



Links, Literaturangaben und Anmerkungen:
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Lu_Yu und https://zh.wikipedia.org/wiki/%E9%99%B8%E7%BE%BD
[2] https://rheumatologe.blogspot.com/2021/08/freitagsgedichte-kurzlyrik-06082021.html Jiaoran (皎然) lebte von 730–799; er studierte den Daoismus und Zen (korrekt wäre jetzt Chan / ), war buddhistischer Mönch, später auch Abt eines Tempels. Es sind 470 seiner Gedichte  überliefert worden. Er gilt als einer der drei wichtigen Dichter-Mönche des Tang-Zeit.
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Chajing und https://zh.wikipedia.org/wiki/%E8%8C%B6%E7%BB%8F
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Pinyin
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Zhuyin Zuyin Fuhao (注音符號) oder auch gerne Bopomofo genannt (nach den ersten vier Lautzeichen): ㄅㄆㄇㄈ
[6] Sonja Ruske: Tee. Herkunft, Mischungen, Rezepte. Falken Verlag, Niedernhausen 1980. ISBN: 3-806-80515-6
[7] Marianne Nicolin: Tee für Geniesser. Falken Verlag, Niedernhausen 1974. ISBN: 3-806-80356-0
[8] Inge Ubenauf: Vom höchsten Genuss des Teetrinkens. Falken Verlag, Niedernhausen 1983. ISBN: 3-806-82201-8
[9] Hellmut Grösser: Tee für Wissensdurstige. Das Fachbuch vom Deutschen Teebüro. E. Albrecht Verlag, Gräfelfing o.J. (ca. 1996, 3. Auflage). ISBN: 3-870-14003-8
[10] Die früheste Version stammt aus dem Jahr 760 und eine wesentliche Überarbeitung fand 764 statt. https://zh.wikipedia.org/wiki/%E8%8C%B6%E7%BB%8F
[11] Eelco Hesse: Tee. Alles über die Welt des Tees und die Tees der Welt. Übersetzung aus dem Niederländischen: Marga E. Baumer. Gräfe und Unzer, München o.J. (3. Auflage, ca. 1984). ISBN: 3-774-22421-8
[12] https://nl.wikipedia.org/wiki/Chajing Auch der chinesische Eintrag ([1] und [10]) sieht eine Zeit von 760 bis 780 vor.
[13] Hans Herlin: Das Taschenbuch vom Tee. Heyne Verlag, München 1982. ISBN: 3-453-40286-3
[14] Curt Maronde: Rund um den Tee. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1979 (178.-200. Tausend, Erstauflage 1973). ISBN: 3-596-21459-9 / Insgesamt wurden ca. 500.000 Exemplare in den verschiedenen Auflagen verkauft.
[15] https://de.wikipedia.org/wiki/Porzellan Ich hätte das gerade gerne in Science and Civilisation in China von Joseph Needham nachgeschlagen, aber diese Bände stehen noch in Köln.
 
.



No comments:

Post a Comment