Seiten / Pages

Saturday, September 11, 2021

Teerezepte in Teebüchern

 




„Herr Graf, der Tee!“
aus: Bill Bo und seine Bande
Augsburger Puppenkiste


Einige Teebücher hatte ich bereits vorgestellt. Jetzt will ich einmal nachschauen, was für Rezepte in diesen und anderen stehen. Es muss ziemlich schwierig sein, z.B. Schwarztee zu brühen und dann irgendein alkoholisches Getränk hinein zu kippen, sonst gäbe es alle diese Rezepte nicht.

Jörg Zittlau [1] erklärt, wie man grünen Tee lagern soll (S. 26), ob man einen Wasserfilter benutzen soll (S. 28), er äußert sich zum Zubehör, zur „freien Entfaltung des Aromas“ (S. 29), zur „klassischen Zubereitung“ (S. 31), um dann das köstliche und wertvolle Nass („kaufen Sie nicht zu billig“, S. 25) auf Vanilleeis (S. 93) zu gießen. In der Teedose „darf nichts anderes als die einmal für sie ausgesuchte Teesorte gelagert sein“ (S. 26), aber dann werfe ich Zimt und Nelken mit hinein (S. 93). Nebenbei wird auch Oolong-Tee für die Rezepte benutzt (also kein grüner Tee).

Sonja Ruske [2] erklärt uns, daß der Tee vor langer Zeit entdeckt wurde, aber die Art der Zubereitung habe sich nicht wesentlich verändert (S. 36). Man hat früher Teepasten hergestellt und daraus den Tee zubereitet, dann hat man Teeziegel und Pulver benutzt, und später ist man zum Brühen des Blatttees übergegangen. Zunächst hatte man nur grünen Tee, dann Oolong-Tees, und später auch Schwarztees. Eine Seite weiter wird uns erklärt, daß man mit Tee nicht geizen soll, das Wasser soll frisch und nicht abgestanden sein, und nicht zu kalkhaltiges Wasser sollen wir benutzen. Das Wasser soll sprudelnd über den Tee gegossen werden [3]. Und dann machen wir uns einen Tee Sherpa aus: „Heißer schwarzer Tee, Zitrone, Bordeaux-Rotwein, Zucker“ (S. 45). Das Volk der Sherpa [4] ist vor etwa 500 Jahren aus dem Zentral- und Süd-Himalaya nach Nordindien bzw. Nepal gezogen. Die Sherpa sprechen eine eigene Sprache, die aus dem Tibetischen hervorgegangen ist; Tibetisch, das in Lhasa gesprochen wird, und Sherpa sind nicht untereinander verständlich. Und dieses Volk ist Namen gebend für einen Tee, der mit Bordeaux-Rotwein gemischt wird. Muß der jetzt einen Transport auf einem Yak hinter sich haben? Ich hätte eher einen Tee, wie er in Nepal getrunken wird, erwartet, also Schwarztee, der in Milch und Wasser mit Zimt, Kardamom, Nelken etc. aufgekocht wurde (Chai nepali). Halt! Es gibt auch den Englischen Gewürztee mit Zimtrinde, Gewürznelken und abgeriebener Zitronenschale (S. 48). Man muss die Zutaten gut mischen, in ein Schraubglas geben und fünf Tage stehen lassen. „Daraus wie üblich den Tee zubereiten.“ Und weshalb läßt man es fünf Tage stehen?

Marianne Nicolin [5] teilt uns mit, daß wir in dem Gefäß, in dem wir Teewasser aufkochen, auch nur Wasser aufkochen sollten (S. 23). Auch sie meint, daß die Teeblätter „sprudelnd“ übergossen werden müssen. Sprudelnd ist aber verschieden in Wilhelmshafen oder auf der Zugspitze bzw. der Bahnstation auf ca. 2500 m Höhe. Wahrscheinlich haben die Ostfriesen den besseren Tee und die Oberbayern die bessere Siedetemperatur. Und dann hat das Buch über drei Seiten Angaben zu den Wasserhärten des Leitungswassers der verschiedenen Städte (5% des Buchumfangs). Sie ist auch der Meinung, Eistee wäre gut bei Hitze, was nicht stimmt, ich hier aber nicht ausführen möchte. Dann hat sie das Rezept für Pariser Tee (S. 40): 200 g Zucker auf 1 l Wasser! Rum und Weinbrand. Und eine halbe Muskatnuß [6]. Ein Prise könnte ich noch verstehen, aber eine halbe Muskatnuß?!

Inge Ubenauf [7] berichtet über ihre kleine Kupferkanne, die bei anderen Autoren verpönt wäre. Aber auch sie besteht auf frischem, sprudelnden Wasser. Die Teeblätter kommen in die vorgewärmte Kanne, worauf dann das Wasser gegossen wird. Dann gibt sie Zeiten für das Ziehen an und der Tee muss in eine weitere, vorgewärmte Kanne umgegossen werden (S. 44/45). All das tut man, um dann den Teepunsch 'Alter Knabe' (mit Rotwein) herzustellen (S. 74) – Sie vermuten richtig: Zimtstange, Nelken, Zitronenscheiben und Zucker gehören mit dazu.
 
Schauen wir nun auf das Teebuch von Curt Maronde [8]. Er beschreibt fünf Grundregeln für guten Tee: 1. heiße (vorgewärmte) Kanne (zum Aufbrühen)  benutzen, 2. Kanne nur für Tee benutzen, 3. kein Spülmittel benutzen, 4. Patina belassen, 5. genügend Tee nehmen, 6. nur frisches, reines Leitungswasser nehmen, 7. Wasser nur kurz aufkochen, 8. Wasser sprudelnd über den Tee gießen, 9. hartes Wasser zweimal aufkochen lassen, 10. u.U. Tee mit Sprudelwasser zubereiten, 11. Tee vier, „allerhöchstens“ fünf Minuten ziehen lassen, 12. niemals aufgebrühte Teeblätter nochmals verwenden, 13. Tee in die vorgewärmte Servierkanne umgießen, 14. Omas Tee-Ei aus dem Fenster werfen („Sollten Sie etwa noch aus Omas Küche ein Tee-Ei aus Metall oder Porzellan benutzen, so beschwöre ich Sie: werfen Sie es aus dem Fenster; ... .“) - und ich beschwöre Sie tun Sie das nicht, denn Sie könnten jemanden verletzen, 15. einen Tee „edelster Herkunft“ (trinken wir anderen?) sollten wir pur genießen, 16. vielleicht aber auch mit Milch, Sahne, Zucker, weißem Kandis, Zitrone, 17. Arrak oder Rum, oder Sie benutzen 18. Instant-Tee (S. 46-48). Bei einem Absatz hätte ich die Grundregeln ab 15. nicht mehr mit eingerechnet, aber es waren so schon mehr Regeln als ausgewiesen.
Kommen wir zu den Rezepten.
Da ist der Normannische Tee-Punsch aus Tee, Wasser, Zucker (wieso Kandis, wenn er aufgekocht wird?), einer Zitrone, zwei Gewürznelken, Burgunder, Sherry, Brandy (jeweils eine Flasche). Cidre und Calvados hätte ich noch verstanden, aber was soll an diesem Punsch normannisch sein?
Direkt darauf folgt der Französische Tee-Punsch. Dafür werden Bordeaux-Rotwein und Rum benötigt. Ja, so sind sie, die Franzosen: kippen Rum und Tee in ihren besten Wein. Ich meine, wir sollten im Namen der deutsch-französischen Freundschaft für diese beiden Rezepte nachträglich um Entschuldigung bitten.
 
Was bietet uns Eelco Hesse [9]? Auf den Seiten 62-64 erfahren wir einiges zur Teeprüfung. Auf S. 64 wird uns die englische Fachsprache der Teeprüfer näher gebracht. Es gibt ein Kapitel „Von der Kunst Tee zu bereiten“ (S. 84 ff.). Das hält ihn aber nicht davon ab, uns etwa den Holländischen Grog (mit dem typisch holländischen Burgunder, aber immerhin mit Curaçao), den Persischen Liebestrank (mit Rum!) oder den Mittsommernachtstee (mit Sekt und Aquavit) zu kredenzen.  
 
Und dann habe ich noch das Buch von Cornelia Teufl [10]. Da fiel mir als erstes die wundervoll gestaltete Doppelseite (S. 8/9) auf. Wie sehen eine graue Schale, die wahrscheinlich Wasser enthält, und eine kalligraphische Übung bzw. unterschiedliche Schreibformen des chinesischen Zeichens für Wind (), auf dem Kopf stehend. Auf S. 17 erklärt uns der Chef-Einkäufer einer Teehandelsgesellschaft, was er für Qualitätsansprüche an Tee hat. Er spricht sich gegen hartes und gechlortes Wasser aus. Frau Teufl führt uns in die unterschiedlichen Qualitätsbezeichnungen ein, wie z.B. FTGFOP oder FGBOP, oder Dust [11]. Ab Seite 64 werden wir umfassend über die Zubereitung, Lagerung und das Servieren von Tee informiert. Auf S. 88 und 89 erfahren wir, wie man aus einem second flush Darjeeling einen heißen Honigtee oder aus einem first flush Darjeeling eine Kinder-Teebowle herstellen kann. Sie werden sagen: es gibt Schlimmeres. Ja, z.B. eine original Gutenberg-Bibel einem Kleinkind zum Ausmalen geben.
 
Wir kaufen uns also teuren, exklusiven Tee, den wir mit nichts anderem in Berührung kommen lassen als sich selbst, lagern ihn trocken, temperiert und geruchsneutral. Wir suchen das beste Wasser zu bekommen [12]. Wir messen Härtegrad, Siedetemperatur, Aufbrühzeit. Wir wärmen die verschiedenen Kannen, die wir nur für Tee benutzen, vor. Und dann? Dann gießen wir den Tee mit Alkoholika zusammen oder mischen ihn mit Gewürzen oder Säften. 
 


Links, Literaturangaben und Anmerkungen:
[1] Jörg Zittlau: Grüner Tee für Gesundheit und Vitalität. W. Ludwig Verlag, München 1997. ISBN: 3-778-73616-7
[2] Sonja Ruske: Tee. Herkunft, Mischungen, Rezepte. Falken Verlag, Niedernhausen 1980. ISBN: 3-806-80515-6
[3] Wasser kochen ist eine Wissenschaft für sich, deshalb gibt es auch Fachliteratur dazu:
Hans Dampf und Angelika Nebel-Dampf: Wasserkochen leicht gemacht. Ein Ratgeber für Ahnungslose. Elefanten Press, Berlin 1983. ISBN: 3-885-20124-0
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Sherpa
[5] Marianne Nicolin: Tee für Geniesser. Falken Verlag, Niedernhausen 1974. ISBN: 3-806-80356-0
[6] Ich habe mich vor einigen Jahren näher mit der Muskatnuß auseinander gesetzt: https://rheumatologe.blogspot.com/2015/09/zur-ndr-sendung-visite-gelenkschmerzen.html. Das darin enthaltene Safrol ist immerhin Ausgangsstoff für Exstasy (XTC, Ecstacy, MDMA): https://rheumatologe.blogspot.com/2017/05/safrol-muskat-und-mogliche-gefahren.html.
[7] Inge Ubenauf: Vom höchsten Genuss des Teetrinkens. Falken Verlag, Niedernhausen 1983. ISBN: 3-806-82201-8
[8] Curt Maronde: Rund um den Tee. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1979 (178.-200. Tausend, Erstauflage 1973). ISBN: 3-596-21459-9
[9] Eelco Hesse: Tee. Alles über die Welt des Tees und die Tees der Welt. Übersetzung aus dem Niederländischen: Marga E. Baumer. Gräfe und Unzer, München o.J. (3. Auflage, ca. 1984). ISBN: 3-774-22421-8
[10] Cornelia Teufl: Tee. Die kleine Schule. Alles, was man über Tee wissen sollte). Zabert Sandmann, München, 1997. ISBN: 3-924-67885-5
[11] Klar, daß ich jetzt (dust und ) an das Lied der Gruppe Kansas „Dust in the Wind“ denken muß. Der Song wurde auch in einer Werbung für Tee benutzt.
[12] In dem chinesischen Roman Der Traum der Roten Kammer (紅樓夢) wird sich über den Geschmack von Tee unterhalten (wahrscheinlich Bao Yü mit seinen Kusinen), der mit Schnee von Pflaumen- oder Kirschzweigen aufgebrüht wurde. Aber darüber schreibe ich, wenn ich den Roman nochmals gelesen habe.


.


No comments:

Post a Comment