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Tuesday, December 7, 2021

Bienenluft atmen gegen Lungenerkrankungen

 

Ich war auf der Familienfeier [1], die ich bereits erwähnt hatte. Und da erzählte jemand, der 30plus Rot-Händle am Tag raucht, daß er jetzt Bienenluft gegen seine Atembeschwerden einsetzen wolle. Wer nicht einsieht, daß man besser nicht mehr rauchen sollte, der sieht sich um nach fragwürdigen Methoden. Auf dem Flyer war ein Schnupperkurs für schlappe 380€ erwähnt. So jemandem ist nicht zu helfen.

Aber mir ist auch nicht zu helfen. Ich weiß, daß es Kokolores ist, aber ich will es genau wissen.

Es gibt eine Darstellung auf Psiram, in der auch die Methode und die Geschichte dargestellt wird [2]. Psiram führt uns so ins Thema ein: „Die Bienenluft-Therapie (auch Bienenluftinhalation, Bienenluftkur, Stocklufttherapie, Api-Air Therapie oder kurz ApiAir, engl. Beehive Air Treatment) ist eine pseudomedizinische Behandlungsmethode mit Wellnesscharakter aus dem Spektrum der Apitherapien, bei der Luft aus Bienenstöcken als so genannte Stockluft zum Einsatz kommt.“

Über Psiram konnte ich auch die Studie des verstorbenen Biochemikers Prof. Eberhard Bengsch einsehen, denn die ist von verschiedenen Seiten verschwunden – ich nehme an, weil es gar keine Studie im Sinne von – wir haben soundsoviel Probanden untersucht und dies und das ist dabei rausgekommen – ist, sondern der alte Herr hat sich ein paar Gedanken gemacht [3]. Bengsch berichtet über 800 Krankenheiten, die man mit Bienenprodukten heilen könne und auch über mögliche Quantifizierungen von Verbesserungen. Aber das sind allenfalls Wünsche und noch nicht einmal das Exposé für eine Studie. Er sieht ein, daß über die Einatmung von Bienenluft nur geringe Substanzmengen transportiert werden kann und bemüht dann die Homöopathie [4], um daraus zu schließen, daß es wirksam sein könnte.



Gerne wird in Insiderkreisen auch Prof. Karl Speer bemüht. Er hat eine Professur für Spezielle Lebensmittelchemie und Lebensmittelproduktion an der Technischen Universität Dresden [5]. Speer beschäftigt sich u.a. mit Bienen und Honig sowie Nachweisverfahren über die Herkunft von Honig. Aber damit ist er auch in einem Milieu, das Aussagen von ihm fordert, wie diese hier: „Es ist noch ungeklärt, inwieweit die eigentliche Therapie oder die Umgebung dem Patienten gut tun.“ „Wie viel positiven Einfluss die Ruhe und Ausgeglichenheit auf dem Land haben, wo die Therapie stattfindet, oder das ruhige Einatmen – und welchen Anteil die Inhaltsstoffe der Bienenstockluft selbst zur Therapie beisteuern, bedarf noch eingehender Untersuchungen.“ [6] Und so ist es auch wissenschaftlich korrekt. Das Zitat habe ich von der Seite der Deutsche Lungenstiftung e.V. und dem Verband Pneumologischer Kliniken e.V. (VPK), mit deren Vorsitzendem Dr. med. Thomas Voshaar wir im Rheinischen Rheuma Zentrum lange Jahre produktiv zusammengearbeitet haben.

In Österreich hat man ebenfalls nachgefragt und nach Studien gesucht (2015 und 2018) [7]. Das Urteil ist vernichtend: „Es existieren keine wissenschaftlichen Studien zur Therapie mit der Luft aus Bienenstöcken.“ Ich habe auch eine Recherche durchgeführt und es gibt weiterhin keine Studien, die in PubMed gelistet wären [8].

Im Kölner Wochenspiegel (kostenloses Anzeigenblatt) suchte 2015 einmal ein Heilpraktiker Probanden für eine Studie, an der auch eine HNO-Ärztin mit Untersuchungen teilnehmen sollte [9]. Aber es ist bislang nichts über die Ergebnisse einer solchen Studie bekannt geworden.

Mir wäre am liebsten, man würde die Bienen in Ruhe lassen


Was ist über Kosten bekannt? „..., über die die Patienten dann in einer 30 Minuten langen Sitzung die Bienenstockluft einatmen. Die Basisbehandlung umfasst sechs Sitzungen und kostet 380 Euro. Diese Leistungen müssen privat finanziert werden.“ [10] Diese Zahl fand ich auch auf dem Flyer mit dem Schnupperkurs. Ich würde das nicht machen, weil ich mich über die Bedenken zur Wirksamkeit (bislang kein Nachweis) hinaus noch abgezockt fühlen würde.

Eines der Argumente ist jedoch, daß es sich um Wellness handeln würde. Es wird auch als Wellness vertrieben, aber ich lese, daß Krankheiten geheilt werden sollen und das Wort Therapie fällt. Das ist in meinen Augen unredlich. Anscheinend aber ist die Schwelle für die Aufsichtsbehörden noch nicht überschritten.

PS: Wann wird Luft aus dem Ameisenhaufen eingeatmet? Wann kommt Luft aus dem Misthaufen dran? Immerhin ist Kuhmist ein anerkanntes ayurvedisches Heilmittel, von dem Scienceblogs über einen Kuh-Kacktail (Smoothie mit Kuhmist etc.) berichtete [11].




Links und Anmerkungen:
[1] https://rheumatologe.blogspot.com/2021/12/trost-eine-buchbesprechung.html Vielleicht sollte ich noch anmerken, daß wir uns 2Gplus wg. der exzessiven Corona-Inzidenz auferlegt hatten.
[2] https://www.psiram.com/de/index.php/Bienenluft-Therapie
[3] Eberhard Bengsch nannte seine nicht ganz vier DIN A4 Seiten lange Schrift: „Studie über das Potenzial einer biomedizinischen Wirksamkeit von inhalierter Bienenluft“. Dies ist unveröffentlicht geblieben.
[4] Hier kann man sich über Homöpathie informieren: https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/homoeopathie-wissenschaftlich-nicht-nachvollziehbar/
[5] Hier sind einige Veröffentlichungen mit dem Co-Author K. Speer:
[5a] Recklies K, Peukert C, Kölling-Speer I, Speer K. Differentiation of Honeydew Honeys from Blossom Honeys and According to Their Botanical Origin by Electrical Conductivity and Phenolic and Sugar Spectra. J Agric Food Chem. 2021 Feb 3;69(4):1329-1347. doi: 10.1021/acs.jafc.0c05311. Epub 2021 Jan 21. PMID: 33476168.
[5b] Beitlich N, Koelling-Speer I, Oelschlaegel S, Speer K. Differentiation of manuka honey from kanuka honey and from jelly bush honey using HS-SPME-GC/MS and UHPLC-PDA-MS/MS. J Agric Food Chem. 2014 Jul 9;62(27):6435-44. doi: 10.1021/jf501818f. Epub 2014 Jun 26. PMID: 24941132.
[5c] Oelschlaegel S, Gruner M, Wang PN, Boettcher A, Koelling-Speer I, Speer K. Classification and characterization of manuka honeys based on phenolic compounds and methylglyoxal. J Agric Food Chem. 2012 Jul 25;60(29):7229-37. doi: 10.1021/jf300888q. Epub 2012 Jul 11. PMID: 22676798.
[6] https://www.lungenaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/wie-gesund-ist-die-luft-im-bienenstock/
[7] https://www.medizin-transparent.at/bienenluft-therapie-als-asthma-hoffnung/
[8] Man kann sich zu über 30 Millionen Artikeln aus dem Bereich Medizin (Titel und wenn vorhanden auch Abstracts oder die Vollversion des Artikels) informieren. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/mesh/
[9] http://www.koelner-wochenspiegel.de/rag-kws/docs/884093  Hier gibt es allerdings keinen Zugriff mehr. (Der Hinweis stammte aus einem Forum)
[10] https://www.saechsische.de/plus/gesund-durch-bienenluft-5081411.html
[11] https://scienceblogs.de/bloodnacid/2017/05/19/wissenschaftlich-bestaetigter-kuhmist/
 

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