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Tuesday, October 4, 2022

Das Buch "Grüner Tee" von Gertrud Teusen


Ich suchte eigentlich ein ganz anderes Buch [18] und fand zufällig noch ein Buch über Tee in meiner Kölner Wohnung. Gertrud Teusen schrieb über Grünen Tee [1]. Miguel de Cervantes läßt einen Junggesellen im Don Quijote sagen: „Es gibt kein Buch, das so schlecht ist, daß nicht etwas Gutes darin wäre.“ [2] Ich war schon geneigt, ihm zu widersprechen, aber ganz so schlimm war es denn doch nicht. Trotzdem, es war schlimm genug und einige dahin geschriebene Passagen [3] treiben mich an, Frau Teusen zu widersprechen. Sie hat keine Quellenangaben gemacht. Dafür allerdings enthält das Buch ein Register.

Schon am Anfang kommt es bei „Was ist eigentlich Tee?“ zu unscharfen Äußerungen. „..., dass Tee mit dem Mandarin-Schriftzeichen „Ch'a“ bezeichnet wurde.“ Nein, das chinesische Schriftzeichen für Tee () wird im Mandarin-Dialekt bzw. dem Hochchinesischen cha (Pinyin: chá)  ausgesprochen. „In Kanton … sprach man das Schriftzeichen für Tee „däh“ aus.“ Das ist nicht ganz  richtig. Im Kantonesischen ist die Aussprache caa4, liegt also ziemlich nah am Hochchinesischen. Vielmehr kommt Tee von déi (ㄉㄟˊ), nämlich der Aussprache im Minnan-Dialekt / Minanyu (閩南語), wie er in Fujian oder Taiwan gesprochen wird [4].

Über die Teepflanzen erfahren wir: „Sie brauchen 1600 Liter Niederschläge im Jahr und ...“  – tja, jede Pflanze, der Quadratmeter, der Hektar?

Wir erfahren, daß die Kolonialherren den Schwarztee erfunden hatten, um ihn so haltbarer für die Verschiffung zu machen. Das ist falsch. Schwarztee und Ziegeltee zur besseren Haltbarkeit gab es  bereits früher in China. Interessant finde ich den Hinweis, daß man sich von Schwarztee größere Umsätze versprach, weil man ihn nur einmal aufbrüht. Da wüßte ich gerne die Quelle. Denn man kann auch schwarzen Tee lange ziehen lassen, wie in der russischen Samorwar-Tradition.

„Der Oolong ist eine Rarität.“ Wenn man solchen Tee bei Rewe oder Kaufland erwerben kann, dann halte ich ihn nicht für besonders rar.

„Weißer Tee ist hier zu Lande sehr selten ...“. Aber nicht so selten, daß der Teeladen in der Eifel (Mechernich) den nicht hätte.

Unter „Kleine Warenkunde des Tees“ wird uns über Seiten „ein standardisiertes Qualitätsystem, dass es für den schwarze Tee bis heute gibt“ erklärt. Wieso? Obwohl, Bildung schadet nie.

Frau Teusen berichtet über „rund 1000 Grüntee-Sorten“: „Sie alle werden von der gleichen Teestrauch-Art „camellia (Thea) sinensis“ gepflückt“, nur um uns über den Tee „Grüner Assam“ einige Seiten später zu berichten: „Der indische Grüntee wird vom „camellia (thea) assamica“ gepflückt.“

Man soll kein kalkhaltiges Wasser benutzen, aber im Zusammenhang mit Osteoporose wird dann der Gehalt an Kalzium gepriesen [5]. Wenn man für eine Tasse Tee 4g grünen Tee benötigt und in  100g Tee 3 mg Kalzium enthalten sind, dann nimmt man vielleicht 0,12 mg zu sich. Um den Tagesbedarf an Kalzium aus dieser Quelle zu decken, müßte man schon 8.000 bis 10.000 Tassen täglich trinken. Dazu kommt noch, daß Tee Oxalsäure (allerdings liegt da der Schwarztee deutlich vor Grüntee), das Kalzium bindet, und Koffein, das die Ausscheidung von Kalzium vermehrt [6], enthält [17].

Der Samowar wird als Samovar (S. 33) erwähnt, aber für ungeeignet zur Zubereitung von grünem Tee erachtet. Da bin ich vollkommen d'accord. Auf S. 49 wird er (diesmal allerdings Samowar geschrieben) als Erfindung Tibets hingestellt: „Dort gab es einen kombinierten Wasserkocher mit Teekrug, ...“. Nein! Die Geschichte des Samawars vor dem 18. Jahrhundert ist unbekannt. Es gibt einen grobkeramischen Fund in Aserbeidschan von einem Samowar ähnlichen Gegenstand, der auf  ein Alter von 3600 Jahren datiert wurde. Den dürften die ersten Hersteller von Samowaren, die Gebrüder Ivan Fyodorovich Lisitsyn (Иван Фёдорович Лисицын) und Nazar Fyodorovich Lisitsyn (Назар Фёдорович Лисицын), nicht gekannt haben [7].

Unter „Grüner Tee – perfekt zubereitet“ kommen Hinweise, wie:
„Schwarzteefans müssen umdenken“
„die Qualität des Wasser ist … ganz wichtig“
die richtige Temperatur „ist ganz wichtig“ (80 Grad, aber auch 60 Grad oder 55 Grad)
nicht überdosieren
Ziehzeiten; „man sagt, dass 90 Sekunden durchaus genügen“
das Teethermometer ist „unentbehrlich“
Und wenn man das alles beachtet, dann nimmt man den Samurai-Tee, der mit Brombeeren und Waldbeeren aromatisiert wird. Die harte Kriegerkaste, am liebsten hätten sie doch Zuckerwatte gegessen.

Als wäre es nicht schon schlimm genug, jetzt kommen „Rezepte mit grünem Tee“. Grüner Tee mit Holundersirup oder mit frisch gepresstem Orangensaft. Und dann kommt auch noch mein Liebling: der Sherpatee aus Wasser, Grüntee, Rotwein, Zitronenscheiben und braunem Zucker. Über diesen Blödsinn habe ich schon erschöpfend geschrieben [8].

„Der asiatische Gelehrte Laotse etablierte rund 400 v. Chr. die ersten Teestunden.“  Laotse (besser Laozi 老子) lebte vielleicht im 6. Jahrhundert v. Chr. Die Gestalt ist eher legendär. Ob im Hause Li () Tee getrunken wurde, weiß ich nicht, ich lese das zum ersten Mal und halte Frau Teusen nicht für eine verläßliche Quelle bei solch einer Aussage. Sie berichtet von der Legende um Shen Nong, den sie allerdings als Kaiser Chen Nung auftreten läßt; auch darüber habe ich schon geschrieben  [9].

Über Luh Yü (eigentlich Lu Yu) berichtet sie teilweise richtig, aber er hat nicht „sein Werk „Der Heiligen Schrift vom Tee“ verfaßt, denn als das wurde es erst später angesehen, wobei auch heilig das falsche Wort ist [10]. „Dieses Buch wurde sogar 1100 ins Englische übersetzt und Luh Yü gilt seither als Schutzpatron des Tees.“ Nein, früheste Erwähnung im 16. Jahrhundert in Italien und erste Rezeption und bescheidene Übersetzungen in europäische Sprachen frühesten im 17. Jahrhundert [11]. Und Schutzpatron ist ein Wort, daß eher zu Heiligen der katholischen Kirche paßt; St. Lu Yu?

Unter den vielen Stoffen, die für die Gesundheit günstig sein sollen, versteht Frau Teuser auch Eisen. Ich habe früher Patienten mit Eisenüberladung als diätetische Maßname empfohlen, zum Essen Schwarztee zu trinken, denn der bindet Eisen. Das macht Grüntee auch, aber in geringerem Maße. Allerdings gibt es auch einen Fallbericht über jemanden, der Eisenmangel durch exzessives Trinken von Grüntee erlitt [12]. Vielmehr geht es um den Gehalt an Eisen im Tee. Eine tschechische Studie fand 0,006mg Eisen in 1l Tee, damit würde man 0,04% seines täglichen Bedarfs an Eisen trinken [13].

Das Kapitel „Allheilmittel grüner Tee“ beginnt mit „Der Tee überflutet die Seele unmittelbar wie eine Stimme. Seine feine Bitterkeit erinnert an den Nachgeschmack eines guten Rates“. Und was hat das mit dem „Allheilmittel“ zu tun? Das Zitat soll von einem Wang-Yü-Cheng stammen.  Es könnte sich um den Dichter der Nördlichen Song-Dynastie Wang Yucheng (954-1001) aus Shandong handeln [14]. Von ihm hatte ich bislang lediglich drei Gedichte gelesen, die nichts mit Tee zu tun haben. Aber nachdem ich gelesen hatte, daß die Song-Dynastie beispiellos reich war an Gedichten über Tee: „The creation of poems about tea in the Song Dynasty was unprecedentedly prosperous. Poets like Wang Yucheng, Lin Bu, Yan Shu, ...“ [15], da habe ich nochmals gesucht und im Internet sieben weitere Gedichte gefunden [16], aber die betreffende Zeile konnte ich nicht finden. Ich fand die Zeile immer nur auf Deutsch und den Dichter immer in der gleichen Weise falsch geschrieben – das läßt auf eine sehr unsichere Quelle schließen.

Das Kapitel „Allheilmittel“ gehe ich nicht durch, auch wenn grüner Tee „den Geist erfrischt und das Leben verlängert“, wenn ich es doch täte, würde es meinen Geist aufwühlen und das Leben verkürzen.

Trotz des Sparpreises (übrigens in DM) hätte ich mir den Erwerb des Buches sparen können. Immerhin bin ich aber gerade doch zu einigen interessanten Recherche-Ergebnissen gekommen.




Links und Anmerkungen:
[1] Gertrud Teusen: Grüner Tee. Vital, gesund und schön. Bassermann, Niedernhausen/Ts. 1999. ISBN: 3-8094-0698-8.
[2] No hay libro tan malo, que no tenga algo bueno. ~ Miguel de Cervantes
[3] Gertrud Teusen hat über 90 Bücher geschrieben, siehe: http://www.gertrud-teusen.de/home/ich_ueber_mich.php. Unter den Punkten: Alle meine Bücher und Über meine Bücher kommt das Buch Grüner Tee nicht vor. Neben diesem Buch hat noch acht weitere im Jahr 1999 veröffentlicht: http://www.gertrud-teusen.de/home/bibliographie.php.
[4] https://www.sinonerds.com/im-zeichen-des-%E8%8C%B6/ und https://rheumatologe.blogspot.com/2022/04/tee-und-einige-aspekte-aus-sinologie.html Da stehen auch Bezeichnungen für Tee in vielen weiteren Sprachen.
[5] a.a.O. S. 53, S. 56 und S. 138/139. Sehen wir an dieser Stelle einmal davon ab, daß für Kalzium auch schon mal Kalium steht.
[6] Charrier MJ, Savage GP, Vanhanen L. Oxalate content and calcium binding capacity of tea and herbal teas. Asia Pac J Clin Nutr. 2002;11(4):298-301. doi: 10.1046/j.1440-6047.2002.00294.x. PMID: 12495262. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12495262/
[7] https://en.wikipedia.org/wiki/Samovar und bei Interesse: http://www.azer.com/aiweb/categories/magazine/83_folder/83_articles/83_samovar.html
[8] https://rheumatologe.blogspot.com/2022/08/eigentlich-hatte-ich-schon-das-thema.html
[9] https://rheumatologe.blogspot.com/2022/04/ein-buch-zu-der-kunst-tee-richtig-zu.html
[10] https://rheumatologe.blogspot.com/2021/09/lu-yu-und-deutsche-teebucher-der.html
[11] "The Classic of Tea was imported to Europe later. Not until after the 17th century did it have an impact. Successively it was translated into Western languages, such as English, German, French and Italian. // Italy was among the first countries in Europe to study Chinese tea. In 1559, three important works of renowned Venetian writer Giovanni Battista Ramusio were published, namely Notes on Tea, Notes on Chinese Tea and Travel Notes, which also record The Classic of Tea."
http://www.csstoday.com/Item/6688.aspx  
[12] Fan FS. Iron deficiency anemia due to excessive green tea drinking. Clin Case Rep. 2016 Oct 5;4(11):1053-1056. doi: 10.1002/ccr3.707. PMID: 27830072; PMCID: PMC5093162. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5093162/ Es gibt allerdings auch Wissenschaftler, die meinen, daß Grüntee die Eisenabsorption nicht behindere: https://www.internationaljournalofcardiology.com/article/S0167-5273(07)01880-3/pdf.
[13] Street R., Száková J., Drábek O., Mládková L. (2006): The status of micronutrients (Cu, Fe, Mn, Zn) in tea and tea infusions in selected samples imported to the Czech Republic. Czech J. Food Sci., 24: 62-71. https://www.agriculturejournals.cz/publicFiles/50276.pdf
[14] https://zh.wikipedia.org/wiki/%E7%8E%8B%E7%A6%B9%E5%81%81
[15] https://www.umiteasets.com/blogs/umi-tea-sets-blog/a-magnificent-and-moving-epic-the-development-history-of-the-chinese-tea-ceremony
[16] https://www.shicile.com/top/wangyucheng
[17] Kommentar beim Korrekturlesen: Hat sich doch gelohnt – das Warten auf das Verb. Besser wäre natürlich: Außerdem enthält Tee Oxalsäure und Koffein. Schwarztee hat allerdings einen deutlich höheren Gehalt als Grüntee. Oxalsäure bindet Kalzium. Koffein vermehrt die Ausscheidung von Kalzium [6]. Ich habe den Satz stehen lassen, um die Lesegeschwindigkeit zu bremsen.
[18] Ich habe dieses Buch verzweifelt in der Eifel, auf dem Dachboden in Kisten, in der Kölner Wohnung und deren Keller gesucht und nicht gefunden. Ich habe aber gerade eben herausgefunden, wie es überhaupt heißt und wer der Autor ist. Es Online-Ausgabe und zwar hier: http://www.journeytoforever.org/farm_library/price/pricetoc.html. Es war die deutsche Ausgabe von Weston A. Price: Nutrition and Physical Degeneration. A Comparison of Primitive and Modern Diets and Their Effects (1939), die ich wegen Mangel an wissenschaftlicher Relevanz ausgesondert hatte; Quackwatch teilt da meine Meinung: https://quackwatch.org/related/holisticdent/. Ich habe aber gerade nachgelesen und die Stelle, die ich dort vermutete (Zahngesundheit und Grüntee bei Chinesen), gibt es dort gar nicht. Wo habe ich es nur gelesen?


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