Saturday, April 2, 2022

Tee und einige Aspekte aus Sinologie und Linguistik

 




Wie kam die deutsche Sprache zum Wort Tee? Das kann schnell beantwortet werden, aber es gibt weitere interessante Aspekte, die uns Sinologie und Linguistik eröffnen.

Das Wort Thee wurde im 17. Jahrhundert aus dem Niederländischen übernommen und auch so bis 1901 geschrieben; nach der damaligen Rechtschreibreform schreiben wir es ohne h, also Tee [1]. Früher gab es auch Thäler und Thüren. Oder Thrän'n wie in Friederike Kempners Gedicht „Geschichte.“ [16].

Ab etwa 1590 war im Englischen chaa, auch cha, tcha, chia, cia geschrieben, üblich. Ab etwa Mitte des 17. Jahrhunderts wurden die Bezeichnungen tay, auch thea, tey, tee und schließlich tea im 18. Jahrhundert benutzt. Chaa kam über das portugiesischen cha bzw. aus dem Hochchinesischen  (Mandarin) (chá) nach England [2]. Tea aber kam wie Tee über das Niederländische, aus dem südchinesischen Dialekt Hokkien bzw. Minanyu (
閩南語), in dem das Zeichen t'e ausgesprochen wird. Die südchinesische Aussprache ist über den Seeweg nach Europa gekommen. Allerdings wird auch im Kaukasus diese Aussprache benutzt, während Russisch, Persisch, Griechisch, Arabisch, Indisch oder Türkisch der Mandarin-Aussprache folgen, die auf den Transport des Tees auf dem Landweg zurückzuführen ist.

Ich habe einmal Bezeichnungen für Tee in verschiedenen Sprachen gesucht [3]:
Abchasisch: achaj (ачаи)
Afrikaans: tee
Albanisch: çaj
Amharisch: shai
Arabisch: schai (شاي)
Armenisch: t'ey (թեյ)
Baskisch: te
Bengalisch: châ
Birmanisch: laathpaatrai
Bhutanesisch (Dzongkha): ja
Bislama: ti und lifti
Bulgarisch: chai (чай)
Buruschaschki: chai
Chinesisch: chá ()
Dänisch: te
Deutsch: Tee
Elbisch: im Elbischen gibt es keinen Tee, aber tê bedeutet Linie, Weg [4]
Englisch: tea
Esperanto: teo
Estnisch: Tee
Fiji: ti
Finnisch: tee
Französisch: thé
Gälisch (Irisch): té
Gälisch (Schottisch): tì
Georgisch: ti (ჩაი)
Griechisch: tsai (τσάι)
Hakka: chhà ()
Hausa: shayi
Hawaiianisch: ki [5]
Hebräisch: te (תה)
Hindi: chai (चाय)
Hmong: Tshuaj yej
Hokkien (泉漳片/閩南語): tê ()
Indonesisch: teh
Isländisch: te
Italienisch: tè
Japanisch: cha (茶, ちゃ)
Javanisch: Teh
Jiddisch: tey
Kambodschanisch: dtik-dtae
Kasachisch: shay
Katalanisch: te
Kirgisisch: chay
Klingonisch: dargh
Kohistani: chai
Koreanisch: ti () und cha ()
Kurdisch Kurmanji: çay (چا)
Ladakhi: cha
Laotisch: namsah
Lateinisch: thea
Lettisch: Tēja
Lingwa de Planeta: chay – Chay kommt aus Hindi; chayguan (Teeraum oder Teehaus) hat guan (bzw. chaguan 茶馆) aus dem Chinesischen. [6]
Litauisch: arbata
Madagassisch: dite
Malaiisch: the
Malayalam: caya (ചായ)
Maltesische: tè
Maori: ti
Mongolisch: tsai (цай)
Neuguinea-Pidjin: ti
Niederländisch: thee
Norwegisch: te
Palaung: miang
Paschto: qahwa
Persisch: chai (چای )
Polnisch: herbata (aus dem Niederländischen herba theeu)
Portugiesisch: chá
Rarotonganisch: ti
Romani: drab
Rumänisch: ceai
Russisch: tschai (чай)
Samoanisch: ti
Schwedisch: te
Serbisch: čaj (чај)
Shina: chai
Shona: tii
Singhalesisch: tē (තේ)
Slowakisch: čaj
Slowenisch: čáj
Spanisch: té
Suaheli: chai
Tadschikisch: choy
Tagalog: tsa
Tahitianisch: ti
Tamilisch: tēnīr (தேநீர்)
Taschkurganisch: choy
Thailändisch: chaa (ชา)
Tibetisch: cha ()
Tonganisch: ti
Tschechisch: čaj
Türkisch çay
Turkmenisch: chay
Uigurisch: chay
Ukrainisch: chay (чай)
Ungarisch: tea
Urdu: chai  (چای)
Usbekisch: choy
Vietnamesisch: trà und chà
Volapük: tied
Wakhi: choi
Weißrussisch: harbata (гарбата) und cay (чай)
Wolof: senegalesischer Tee: àttaya, normaler Tee: lipton
Xhosa: yeti
Yoruba: tíì
Zulu: itiye

Man könnte jetzt historisch arbeiten, um herauszufinden, wann welche Bezeichnung unter welchen Umständen entstanden ist. Wahrscheinlich sind nicht nur See- und Landweg bzw. Handel  entscheidende Faktoren sondern auch Politik, Machteinflüsse, Kolonialismus und weitere mehr. Vielleicht noch eine Anmerkung zu den vielen Abarten von Chai bzw. Choy; das geht auf Chaye (茶葉) zurück und bedeutet Teeblätter.

Das Zeichen wurde erst in der Tang-Dynastie etabliert und landesweit akzeptiert, denn bis dahin wurden , , oder verwendet. [7] Lu Yu ist bekannt durch sein Werk Chajing (茶經), das zehn Kapitel in drei Bänden umfaßt [8]. Lu Yu lebte von 733 bis 804. Zurück zu den Zeichen; Lu Yu schreibt dazu im 1. Kapitel: 其名一曰茶,二曰檟,三曰蔎,四曰茗,五曰
[9] Es wird vermutet, daß mit dem Zeichen (tú) nicht nur Saudistel, Chicorée und weiteren auch Tee bezeichnet wurde. Im Kangxi Wörterbuch wird die Erklärung „bitteres Gemüse“ (苦菜) aufgeführt; mit 苦菜 wird heute Sonchus oleraceus (Gemüse-Gänsedistel) bezeichnet. Dabei wird auch das Erya (爾雅) zitiert, das der frühen Han-Zeit zugeordnet wird, und etwa 5000 Zeichen auflistet [10]. Dem Erya wird eine lakonische Sprache nachgesagt. Ein Eintrag zum Erya im Kangxi Wörterbuch lautet: 荼苦菜。


Kümmern wir uns einmal um die Bedeutung von einigen Zeichen: , die von Lu Yu erwähnten , und sowie . Interessanterweise findet sich in Karlgrens Grammata Serica nur das letzte dieser Zeichen [11]. Ich hätte gerade diese alten Zeichen dort erwartet.
(yuàn) bedeutet Garten und ist in der Bedeutung Teegarten (茶苑) bisweilen auf Teedosen zu finden.
(tú) kann neben den bereits erwähnten Bedeutungen auch vergiften oder schaden umfassen.
(míng) bedeutet Tee oder Teepflanze. Auch dieses Zeichen kann man auf Teedosen bzw. in Namen finden, da der lautgebende Teil des Zeichens míng () ist und dieses Zeichen neben Name auch die Bedeutungen berühmt, distinguiert, wertvoll umfaßt, stelle ich die Hypothese auf, daß man das Zeichen deshalb gerne benutzt. 茗圃 y.B. bedeutet Teeplantage.
(chuan) ist ein selten benutztes Zeichen, wurde aber immer als Tee benutzt. Im Chajing (茶經) werden dicke und alte Teeblätter damit bezeichnet; vielleicht war es anfangs auch der Eigenname eines Tees [12].
(jiǎ) wird für den Teebaum und den Catalpa-Baum (Trompetenbaum) benutzt. Im Erya (爾雅) bzw. einer Anmerkung aus der Jin () Dynastie (265–420) wird es als anderes Zeichen für Tee und den bitteren Tee des Shu-Volkes aufgeführt [13]. Während der Zeit der drei Reiche (220–280 bzw. 221-263) war Shu () das westlichste dieser Reiche; das Kerngebiet umfaßte das heutige Sichuan (四川) [14].
(shè) wird im Wiktionary als obsoletes Zeichen für Tee und ein aromatisches Kraut aufgeführt [15]. Es ist auch im Kangxi Wörterbuch erklärt.
 
Vielleicht kann man es so zusammenfassen. Es gab bereits vor der Han-Dynastie das Zeichen 荼, das bittere Pflanzen bezeichnete, wozu auch der Tee gehörte. Zu diesem Zeichen gesellten sich weitere und in der Tang-Dynastie, als Tee fester Bestandteil des sozialen Lebens geworden war, hat man das Zeichen 茶 (chá) für Tee entwickelt und etabliert, nicht zuletzt durch Lu Yu.


Links und Anmerkungen:

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Tee und https://en.wikipedia.org/wiki/Tea  
[2] https://www.etymonline.com/word/tea#etymonline_v_7650
[3] Viele Bezeichnungen fand ich bei:
[3a] Peter M Bergman; Cheng wen chu ban she [栢格曼編著 ; 成文出版社編輯部編]: 實用二十七種語文字典 [The concise dictionary of 27 languages in simultaneous translations]. Taipei 1976.
[3b] Izabela Will: Lonely Planet Africa Phrasebook & Dictionary. Lonely Planet Publications Ltd, Hawthorn (Victoria, Australia) 2013. ISBN: 978 1 74104 227 6
[3c] Charles Hamblin: Languages of Asia and the Pacific. TBS The Book Service Ltd, 1984. ISBN:  ‎0207136289
[3d] Justin Rudelson: Lonely Planet Central Asia Phrasebook. Lonely Planet Publications Ltd, Hawthorn (Victoria, Australia) 2008. ISBN: 978 1 74059 114 0
[4] Helmut W.Pesch: Elbisch - Grammatik, Schrift und Wörterbuch der Elben-Sprache von J.R.R. Tolkien. Bastei Lübbe (Bastei Verlag), 2006. ISBN: 340420476X
[5] Ki und nicht ti, wie in den anderen polynesischen Sprachen, da Hawaiianisch kein t kennt. https://de.wikipedia.org/wiki/Hawaiische_Sprache
[6] http://www.lingwadeplaneta.info/en/index.shtml
[7] 陳舜臣『茶の話――茶事遍路』朝日新聞社〈朝日文庫〉、1992年。ISBN 4-02-260705-X。Zitiert nach: https://ja.wikipedia.org/wiki/%E8%8C%B6#CITEREF%E9%99%B3%E8%88%9C%E8%87%A31992
[8] Das Yu in Lu Yu wird übrigens Yü ausgesprohen, mehr zu Lu Yu und der Umschrift hier: https://rheumatologe.blogspot.com/2021/09/tee-und-chinesische-bucher-uber-tee.html und https://rheumatologe.blogspot.com/2021/09/lu-yu-und-deutsche-teebucher-der.html
[9] Diese Stelle wird Kangxi-Wörterbuch (康熙字典) unter dem Eintrag ebenfalls zitiert. Das Wörterbuch wurde unter dem Kaiser Kangxi Anfang des 18. Jahrhundert erstellt. Es listet etwa 47.000 Zeichen, von denen viele allerdings nicht mehr in Gebrauch sind. Die seit der Han-Dynastie  540 üblichen Radikale, das sind Zeichenbestandteile unter denen man die Zeichen sortiert, wurden damals auf 214 reduziert. Mehr zu diesem wichtigen Werk: https://de.wikipedia.org/wiki/Kangxi-W%C3%B6rterbuch. In der Volksrepublik China wurden 1956 die Zeichen vereinfacht und die Zahl der Radikale auf 189 reduziert. Das andere wichtige Zeichenlexikon (mit den 540 Radikalen) ist das Shuowen Jiezi (說文解字), das von Xu Shen (許慎) kompiliert und im Jahr 121 veröffentlich wurde - https://de.wikipedia.org/wiki/Shuowen_Jiezi
[10] https://en.wikipedia.org/wiki/Erya
[11] Berhard Karlgren: Grammata Serica, Script and Phonetics in Chinese and Sino-Japanese in: The Bulletin of the Museum of Far Eastern Antiquities, Stockholm, 1940. Zeichen 206. Berhard Karlgren (高本漢) lebte 1889-1978. https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Karlgren   
[12] https://baike.baidu.hk/item/%E8%8D%88/6299684
[13] 「一名荈,蜀人名之苦荼。」(Ein Name für Tee, der bittere Tee des Shu-Volkes.) https://www.zdic.net/hant/%E6%AA%9F  
[14] https://de.wikipedia.org/wiki/Shu_Han
[15] https://en.wiktionary.org/wiki/%E8%94%8E
[16] Ein Nachtrag bei dem vergeblichen Versuch, Korrektur zu lesen. Ich suchte eigentlich, was Arno Schmidt genau über Thrän'n gesagt hatte und fand die Stelle nicht, dafür fand ich andere und das besagte Gedicht: https://www.gutenberg.org/files/45664/45664-h/45664-h.htm

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