Raum ist in der kleinsten Hütte
Friedrich Schiller [2]
Kapitel 10 – WinzHäuser im Film
Das Thema WinzHäuser im Film ist prinzipiell zu umfangreich für einen Blogpost, aber man kann sich ja auch beschränken, denn wichtig ist nur, daß es vom Film her Anregungen geben kann. Es gab eine US-Serie, die vom ZDF 1966 ausgestrahlt wurde, mit dem Titel: „Raum ist in der kleinsten Hütte“ [3]; natürlich hatte der Originaltitel „Room For One More“ überhaupt nichts mit Hütte zu tun, aber Dank ZDF paßt es hier herein.
Der erste Film, den ich erwähnen möchte, ist „Nanuk der Eskimo“, der im Original „Nanook of the North“ hieß [4]. In diesem Film wird u.a. der Bau eines Iglus und das Leben im Iglu gezeigt. Da haben wir zunächst einmal das Reizwort Eskimo. Meist werden mittlerweile die Eskimo als Inuit bezeichnet. Eskimo [5] ist eine Sammelbezeichnung für die indigenen Völker des nördlichen Polargebietes. Eine der Hauptgruppen sind die Inuit im östlichen Bereich, aber dann leben dort noch die Iñupiat und weitere Ureinwohner, die weder mit Eskimo noch mit Inuit korrekt bezeichnet werden. Trotzdem wahrscheinlich ist heute die Bezeichnung Inuit haben unverfänglichsten. Das Wort Eskimo ist seine Fremdbezeichnung und es ist gar nicht so eindeutig, woher sie stammt. Man hatte Eskimo aus dem Wort „ashkipok“ aus der Sprache der Anishinabe hergeleitet. Da es Rohfleischesser (eater of raw meat) bedeutet, ist es nicht gut geeignet; allerdings ist diese linguistische Herleitung widerlegt worden. Man leitet Eskimo nun aus dem Cree-Wort aayaskimeew (Schneeschuhflechter / Englisch: snowshoe netters) her. Es gibt noch weitere Theorien, aber diese scheint mir die sinnvollste zu sein. Eskimo oder Inuit -: es bleibt eine Fremdbezeichnung.
Ich meine, daß der Film „Nanook of the North“ auch heute noch begeistert, Er stammt aus der Stummfilmära (1922) und ist der erste längere amerikanische Dokumentarfilm. Es fiel auch die Bezeichnung ethnographischer Film, aber ich meine Dokutainment würde es besser treffen; das Wort hatte man damals noch nicht geprägt. Der Film wurde von Robert Joseph Flaherty erstellt. Regie, Drehbuch, Produktion, Kamera: Robert J. Flaherty [6]. Zurück aus der Arktis ließ er sich bei Musik (Rudolf Schramm) und Schnitt (Charles Gelb) helfen. Der Film begleitet Nanuk und seine beiden Ehefrauen Nyla und Cunayou, den jungen Sohn Allee und das viermonatige Baby Rainbow durch die Arktis. Schneesturm, Härte des Alltags aber auch Freude und die Schönheit der Natur bringt uns der Film näher.
Das Leben im Iglu [7] konnte nur gezeigt werden, da ein Wandteil des Iglus weggerissen wurde. Kommen wir zum Wort Iglu, es bedeutet Wohnung oder Haus und bezeichnet im Original nicht nur Schneehäuser sondern auch Torf-, Stein-, Erd- oder Holzhäusern. Das Wort kommt aus dem Inuktitut [8] und schreibt sich: ᐃᒡᓗ. Diese Schrift können Sie wahrscheinlich genauso wenig wie ich lesen, sie ist aus der Ojibwe-/Cree-Schrift hervorgegangen. Die Deklination des Inuktitut kennt drei Numeri und acht Kasus, u.a. Ergativ, Terminativ, Prolativ, Äquativ … aahhh, aber jetzt muss ich ganz schnell zurück auf die richtige Spur.
Iglus können schnell aufgebaut werden, die Bauzeit beträgt weniger als eine Stunde für zwei geübte Personen. Der Schnee gefriert und wird dadurch windfest. Der Eingang liegt in der Regel auf der windabgewandten Seite. Die runde Form ist nicht nur für den Aufbau wichtig, denn die Schneeblöcke werden in einer Spirale aufeinander gepackt. Von innen her wird die Oberfläche verdichtet und ggf. auch an Stellen erwärmt, damit ein besserer Abschluß erfolgt. Später kann der Temperaturunterschied zwischen außen und innen 50° C betragen. Wikipedia führt aus: „Bei einer Außentemperatur von −46 °C sind −6 °C auf Bodenhöhe (Schlafsockel) und sogar +4 °C auf Schulterhöhe möglich.“ Zu warm darf es auch nicht werden, denn dann tropft es ins Iglu. In einem anderen Film mit Inuit habe ich die Männer mit nacktem Oberkörper gesehen. Wintersiedlungen mit (größeren) Iglus wurden auch über Monate bewohnt; Wikipedia nennt 7 m Durchmesser.
So ein Iglu sieht in der Form ähnlich aus wie ein Ger bzw. eine Jurte. Ich stelle hier eine Hypothese auf, da ich keine entsprechenden Angaben im Internet gefunden habe. Ich bin der Überzeugung, daß die runde Form den Wind besser ableiten kann als eine eckige Form und damit stabiler ist.
Der nächste Film sind sechs Filme, nein besser gesagt zwei Trilogien: „Der Herr der Ringe“ und
„Der Hobbit“ [9]. Die Hobbit-Wohnung ist ein Haus mit einer runden Tür und kann auch Fenster haben, ist aber in den Hügel eingelassen. Das Buch „The Hobbit“ von J.R.R. Tolkien beginnt so: „In a hole in the ground there lived a hobbit. Not a nasty, dirty, wet hole, filled with the ends of worms and an oozy smell, nor yet a dry, bare, sandy hole with nothing in it to sit down on or to eat: it was a hobbit hole, and that means comfort.“ [10] Im Internet gibt es genügend Beispiele für solche Wohnungen, in der man einmal wie ein Hobbit schlafen oder auch wohnen kann [11]. Aber das führt wieder in eine falsche Richtung. Mich hat Tolkiens Hobbit-Höhle angeregt, über reale Höhlenwohnungen mit Komfort nachzudenken.
Als erstes fielen mir die Höhlenwohnungen in Kappadokien in der Zentraltürkei ein, die bereits in der Frühgeschichte bewohnt beziehungsweise erstellt worden sind. Der Lebensraum ist vom hethitischen Großreich bekannt. Diese Felswohnungen sind hervorragende Rückzugsorte gewesen. Xenophon berichtete davon und wurde so im Wikipedia-Artikel zitiert [12]: „Die Häuser waren unter der Erde, am Eingang (eng) wie ein Brunnenloch, unten aber weit. Die Eingänge für das Zugvieh waren gegraben, die Menschen aber stiegen auf Leitern hinab. In den Wohnungen fand man Ziegen, Schafe, Rinder und Federvieh nebst den Jungen derselben.“
Und danach fiel mir selbstverständlich Vorsitzender Mao, also Mao Zedong (毛泽东) ein, denn auf dem Langen Marsch (Lange Marsch (长征) kamen sie nach Shaanxi (陕西省) und insbesondere nach Yan'an (延安市). Dort fanden Schulungen für die kommunistische Partei statt und Mao hat dort wesentliche Texte verfaßt. Ich erinnerte mich an Bilder von Wohnungen, die in den Löß getrieben worden sind. Es kann sein, dass ich das in Edgar Snows Buch „Roter Stern über China“ [13] gesehen habe. Ich müßte das einmal nachschlagen. Aber auf jeden Fall kann man heute noch Bilder sehen, die über diese Wohnungen berichten. Die Wohnungen sind ähnlich wie bei den Hobbitwohnungen in den Löß getrieben worden und vorne ist ein Abschluss mit Fenstern und Eingangstür. Die Wohnungen werden als im Sommer angenehm kühl und im Winter als angenehm warm beschrieben [14].
Der nächste Film, auf den ich eingehen will, stammt aus dem Jahr 2015 und heißt „The Martian“ [15]; er hatte vom deutschen Verleiher in einem Anfall von galoppierender Idiotie den Titel „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ bekommen. Regie führte Ridley Scott und die Hauptrolle spielte Matt Damon. Der Protagonist wird versehentlich allein auf dem Mars zurückgelassen und ein großer Teil des Film spielt in der großartigen, einsamen, stillen Leere der Wüste. Die Wüstenaufnahmen wurden im Wadi Rum [16] in Jordanien gedreht. Dieser Teil wird auch „Tal des Mondes“ genannt und bietet eine einerseits karge, andererseits wunderschöne Landschaft mit Granitfelsen und rotem Sand. Hier sind auch andere Filme gedreht worden; darüber habe ich schon geschrieben [17]. Man kann das Wadi Rum besuchen und auch ein Gefühl der Isolation erleben und sich an der Ungeheuerlichkeit der Landschaft erfreuen. Dafür gibt es als Folge des Films Camps und Touren. Mark Watney hatte die begrenzten Wohnmöglichkeiten der Crew nutzen können und im Film wird sein Wohnbereich immer winziger. Verschiedene Camps im Wadi Rum imitieren mit zeltartigen Strukturen eine Basis auf dem Mars; andere Camps bieten Wüstenzelte für Touristen. Wenn man sich diese Camps ansieht, dann haben die einzelnen kleinen Kuppelbauten, die etwa das bieten, was ein Hotelzimmer ausmacht, eine Form wie ein Iglu oder ein Ger (eine Jurte).
Was können wir von diesem Ausflug in die Welt des Film für das Projekt WinzHaus mitnehmen? Ein WinzHaus kann überall aufgebaut werden, aber es muss sich der Landschaft und den Witterungsbedingungen anpassen. Die Form kann, muß aber keine Rolle spielen.
Links und Anmerkungen:
[1] Hinweise auf das Projekt finden sich in der Einleitung: https://rheumatologe.blogspot.com/2024/01/das-winzhaus-einleitung.html
[2] „Raum ist in der kleinsten Hütte / Für ein glücklich liebend Paar.“ Friedrich Schiller https://zitate-aphorismen.de/zitat/raum-ist-in-der-kleinsten-huette/ Quelle: Friedrich Schiller: Der Jüngling am Bache, Sämtliche Werke 1-5, Hanser, München/Wien, 10. Auflage 2004, S. 407, Band 1, Lyrische Gedichte, ISBN: 3446205012.
[3] https://www.fernsehserien.de/raum-ist-in-der-kleinsten-huette
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Nanuk,_der_Eskimo
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Eskimo Fun fact: In dem Film Hard Powder (Originaltitel Cold Pursuit) [5a] mit Liam Neeson wird ein Killer mit dem Namen „Eskimo“ engagiert, denn wenn man jemanden kalt machen will, holt man den Eskimo. Der Film besticht durch schwarzen Humor nund jede Menge Schnee.
[5a] https://de.wikipedia.org/wiki/Hard_Powder
[6] Robert Joseph Flaherty (1884-1951); interessant ist auch sein Film Elephant Boy (1937) mit dem jugendlichen indischen Hauptdarsteller Sabu. https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_J._Flaherty
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Iglu
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Inuktitut
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Herr_der_Ringe_(Filmtrilogie) und
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Hobbit_(Filmtrilogie)
[10] Übersetzung: „In einer Höhle im Boden lebte ein Hobbit. Kein hässliches, schmutziges, nasses Loch, gefüllt mit Wurmenden und einem schleimigen Geruch, und auch nicht ein trockenes, kahles, sandiges Loch, in dem es nichts zum Sitzen oder Essen gab: ss war eine Hobbit-Höhle, und das heißt Komfort.“ J.R.R. Tolkien: The Hobbit, or There and Back Again. George Allan and Unwin, London 1966. Übrigens ist die Erstausgabe von 1937 für schlappe 19.000 € erhältlich. Das Bild stammt von meiner Ausgabe von 1966.
[11] https://my-little-luxury.de/hobbiton/ Ich habe eines der Angebote herausgegriffen, aber man kann es auch einfach selber googeln.
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6hlenarchitektur_in_Kappadokien
[13] Edgar Snow: Roter Stern über China. März bei 2001, Frankfurt 1975. (Ich bin mir nicht 100% sicher, daß dies meine Ausgabe ist, sieht aber so aus. Das Buch ist in Köln und nicht in der Eifel.)
[14] Temperatur-Rekordhöhe 38,3° C, Temperatur-Rekordtiefe -23,0° C. https://en.wikipedia.org/wiki/Yan%27an
[15] https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Marsianer_%E2%80%93_Rettet_Mark_Watney
[16] Das Wadi Rum ist UNESCO-Weltkulturerbe. Es umfasst eine Fläche von 720 km², was etwas geringer als der Shenandoah-Nationalpark in Virginia (USA) ist, abero groß wie Bahrain ist. Die höchste Erhebung ist Jebel Rum (1.734 m über dem Meeresspiegel). Man kann durch das Wadi wandern, auf die Felsen klettern, in Lagern übernachten, Petroglyphen besichtigen und vieles mehr.
[17] https://rheumatologe.blogspot.com/2022/04/wadi-rum-and-mars.html
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