Michael Braun hat den LYRIK-Taschenkalender 2016 herausgegeben und zusammen mit Henning Ziebritzki alle am Taschenkalender beteiligten Autoren mit je einem Gedicht vorgestellt und kommentiert. Die 17 Dichterinnen und Dichter stellten jeweils zwei Lieblingsgedichte mit Kommentar vor. Diesen Taschenkalender habe ich nun wieder herausgesucht, denn er hatte mich eingeladen zum Annotieren und Assoziieren, zum Erstellen von GegenEntwürfen. Vielleicht so auch ein wenig wie Daniel Spoerris: An Anecdoted Topography of Chance (1966 Something Else Press, New York / Cologne). Diese Annotationen stammen aus den Jahren 2022-2024.
24. KW
Tom Schulz: Nysa
Da war nur wenig Gras auf den weiten Weiden der Mongolei. Da waren eher Wermut oder SchnittLauch und damit auch der Geruch von Leben, und nicht „das Gras die Sprache aller toten / Dinge“.
Der Traum ist dunkel wie verGossenes Blut
Und fließt lebendig durch die Nacht
Nimmt mit, was nicht sich halten konnte
Doch nicht den Träumer
Der sein FahrGast ist
Im MorgenGrauen endet eine Welt
So wie sie war und nicht
Ein Weitres Mal werden kann
Der Rhythmus hat eine Unwucht, die das Gedicht wach hält.
Schläft, schläft, Gras, Gras, stimmt, stimmt, zur Ruh, zur Ruh. Da fällt einem Loriot ein.
Stimmt, stimmt.
Blick ins Tal
alles schweigt
Auf
Dem
Berg
Nur
Nicht
Der
Wind
Und
Im
Tal
Wandern die
Schatten
Der Wolken
Schweigen
laß uns
Schweigen
In
Der
Tiefe
Der
Nacht
Da
Wir
So
WortReich
Waren am
Rande
Der Nacht
Himmel
so tief
Lag
Der
Himmel
Und
Grau
Der
Regen
Aber
Dann
Über
Nacht
Weißer Grund
Und
Blauer Himmel
24. KW
Kommentar: Mirko Bonné
Gras Sarg -: nette Beobachtung.
Berückende Gedichte -:ein Wörterbuch hat bedrücken, aber es findet sich kein berücken. Was mag Mirko Bonné nur meinen? So unscheinbar, so oberflächig klar, es ist doch ein Neologismus.
Nach dem Schweigen kommt der Wind, dann das Tröpfelndes Regens, das Gurgeln des Baches, dann hört man auch die Vögel wieder.
„Es schläft das Gras“ -: es ruht, es schläft das Gras, dann es ist gut, nur das Böse nicht. Das schläft nie, „das Böse ist immer und überall“. Ist darum New York böse? Bestimmt! Denn es ist das Babylon unserer Zeit.
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