Draußen nur Kännchen ist eigentlich ein Spruch, den man bisweilen in einem Café mit Außenbetrieb zum Kaffee hören kann. Aber dieser Ausspruch beschreibt ganz gut, wie ich mich bislang zu Teekannen verhalten habe, nämlich ziemlich ignorant. Woher mag das kommen? Wahrscheinlich sind dafür zwei Voraussetzungen bei mir erfüllt. Mich interessiert die Funktion von Dingen mehr als die Struktur [1]. Dazu kommt mein Hang zum Schlichten, zum Wabisabi [2]. Eine Freundin, die bei mir Tee getrunken hatte, bemerkte einmal: „Und dann tranken wir diesen hervorragenden Tee, aber die Kanne war einfach nur braun und häßlich.“ Sie hatte das ausgesucht Schlichte der Kanne nicht bemerkt. Zur Teekanne hatte ich mich früher schon ein wenig beschäftigt [3]. – So langsam müßte ich zum Thema kommen. – Und da ist es auch schon: ich sah dieser Tage ein Video, in dem Teekannen geprüft wurden und zwar durch einfaches Ausgießen [4], was in dem Bild oben auch zu sehen ist.
Nicht ganz die braune Kanne, aber nah dran |
Was sieht man in dem einminütigen Video? Es werden verschiedene Güteklassen von Teekannen nach ihrer Ausgußfunktion dargestellt. Man sieht bei schlechten Teekannen einen verwirbelten Strahl und bei der Kanne in der Qualität „faszinierend“ einen glatten Strahl. Das Prinzip ist so einfach! Und so einsichtig! Aber haben Sie schon einmal eine Kanne im Laden so testen können? Was hier getestet wird ist mir aus der Medizin bekannt: laminarer gegen turbulenten Fluß („flow“),; das ist z.B. in der Kardiologie und der Angiologie von Bedeutung. Grob gesagt, turbulenter Fluß führt zu Ablagerungen und laminarer (glatter) Fluß kann dies verhindern. Turbulenter Fluß entsteht hinter Hinternissen, wie z.B. Gefäßverkalkungen, weshalb es sinnvoll ist, diese zu therapieren.
Was sagt denn Lu Yu (陸羽) im Chajing (茶經) [5] über Teekannen? Herzlich wenig, denn damals wurde Tee wie in der japanischen Teezeremonie (茶の湯) getrunken, und dafür waren Teeschalen und nicht Teekannen notwendig.
Werde ich jetzt meine Teekannen ersetzen? Nein, ich weiß aber nun, daß sie sehr, sehr schlicht sind. Und das gefällt mir. Wenn Sie eber wert auf sehr gute Teekannen legen, dann bestehen Sie auf einem Test im Laden. Außerdem sehen Sie dann auch, ob sie tropft und bemerken, wie sich die Kanne handhaben läßt.
Das verpackte Kännchen - eine Hommage an Man Ray [6] |
Links und Anmerkungen:
[1] Das Thema ist umfassend und interessiert mich bereits seit den 1970iger Jahren oder auch hier: Functionalism or Structuralism in Rheumatology? https://rheumatologe.blogspot.com/2013/12/functionalism-or-structuralism-in.html
[2] Das hat nichts mit Wasabi (わさび) zu tun, obwohl ich auch den mag. Wabi-Sabi (侘寂) [2a] ist ein japanisches ästhetisches Konzept. "Nicht die offenkundige Schönheit ist das Höchste, sondern die verhüllte, nicht der unmittelbare Glanz der Sonne, sondern der gebrochene des Mondes. Der bemooste Fels, das grasbewachsene Strohdach, die knorrige Kiefer, der leicht berostete Teekessel [bei Wabi-Sabi ist etwas berostet, nicht angerostet]", oder mein abgewetztes Portemonnaie, hier zu sehen: [2b]. Eng verbunden damit ist auch Kintsugi (金継ぎ), also diese mit goldhaltigem Lack geflickte Keramik [2c]. Für etwas über etwas über 4.000 € bekommt man schon eine schöne, geflickte Schale der Momoyama-Periode (1568-1600): [2d].
[2a] https://de.wikipedia.org/wiki/Wabi-Sabi
[2b] https://rheumatologe.blogspot.com/2022/12/a-la-recherche-du-portefeuille-simple.html
[2c] https://de.wikipedia.org/wiki/Kintsugi
[2d] https://www.etsy.com/de/listing/528066411/karatsu-schale-6084k-momoyama-periode?click_key=82fa9ca0c4bb6ffe1d20ba3468b0809154b7f954%3A528066411&click_sum=5e02879c&external=1&rec_type=cs&ref=pla_similar_listing_top-6
[3] Ich hatte 2021 schon einmal über Teekannen berichtet: Tee und seine Kannen, Tassen, Schalen, Gläser [3a] und zuletzt 2022 in: Tee in Ostfriesland [3b].
[3a] https://rheumatologe.blogspot.com/2021/11/tee-und-seine-kannen-tassen-schalen.html
[3b] https://rheumatologe.blogspot.com/2022/02/tee-in-ostfriesland.html [4] Testing teapots for quality https://twitter.com/i/status/1763428792792387719
[5] Lu Yu (陸羽) war ein Gelehrter und Schriftsteller der Tang-Zeit [5a]. Lu Yu lebte von 733 bis 804. Lu Yu ist bekannt durch sein Werk Chajing (茶經), das zehn Kapitel in drei Bänden hat [5b]. Die entsprechende Stelle über Teeschalen steht im 4. Kapitel und beginnt so: 碗:碗,越州上,鼎州次,婺州次,嶽州次,壽州、洪州次。或者以邢州處越州上,殊爲不 然。
[5a] https://de.wikipedia.org/wiki/Lu_Yu
[5b] https://de.wikipedia.org/wiki/Chajing und https://zh.wikipedia.org/wiki/%E8%8C%B6%E7%BB%8F
[6] Eine Verpackung von Man Ray mit dem Titel: Das Rätsel des Isidore Ducasse von 1920 ist in dem Buch Surrealismus in Paris auf S. 199 zu finden. Karlheinz Barck (Hrsg.): Surrealismus in Paris 1919 - 1939. Ein Lesebuch. Reclam, Leipzig 1986. Man Ray (1890-1976): "Man Ray zählt zu den bedeutenden Künstlern des Dadaismus und Surrealismus, ..." https://de.wikipedia.org/wiki/Man_Ray Lesenswert!
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