Dieser Tage hatte mich mein Bruder zur Sauna eingeladen und zwischen den einzelnen Saunagängen haben wir in der Ruhezeit Tee aus dem Samowar getrunken. Es handelt sich um ein Erbstück von der Seite meiner Schwägerin. Wir hatten den Samowar zusammen noch nie benutzt. So kam ich auf die Idee über Samowar und Tee in Russland zu schreiben. Besonders interessierte mich, welcher Tee im Samowar benutzt wurde. Ich kam nämlich während des Teeschlürfens auf den Gedanken, es könnte sich vorwiegend um Grüntee gehandelt haben, da vor dem 19. Jahrhundert fast ausschließlich grüner Tee getrunken wurde. Außerdem hatte ich die Information aus Georgien mitgebracht, das dort mehr grüner als schwarzer Tee produziert worden war [1]. Dazu brachte ich eine Beobachtung aus Taiwan mit, daß man grünen Tee sehr viel länger ziehen lassen kann, ohne daß sich der Geschmack sehr verändert [15]. Aber man kann das mit schwarzem Tee ebenso machen. Wir nahmen also aus der kleinen Kanne etwas Konzentrat und füllten es mit heißem Wasser auf. Dieser Tee zwischen den Saunagängen hatte geschmeckt und ich hatte dieses Projekt eigentlich etwas aufschieben wollen, da ich ja noch von der Reise nach Armenien und Georgien viele Ideen für Blogposte habe, aber dann hat es mich doch gepackt.
Der Tee, der das russische Zarenreich 1638 erreicht hatte, war insofern interessant, als er nicht nur den Tee als Produkt sondern auch den Ausdruck Chai mitbrachte, der sich aus Cha und Ye, Tee (茶) und Blatt (葉), also Chaye (茶葉) zusammensetzt. Und für lange Zeit war der Karawanentee (Chinesisch 商隊茶, Russisch Караванный чай), nämlich der Tee, der Russland über den Landweg mit erreicht hat, ein Begriff. Diese Kamelkarawanen hatten ihren Höhepunkt 1860, dann wurde ihr Einfluss immer geringer, denn der Tee wurde über die transsibirische Eisenbahn transportiert. Der Begriff Karawanentee wird noch heute benutzt. Der Tee war anfangs sehr teuer, so daß sich nur Adelige und sehr reiche Russen ihn leisten konnten.
Ein besonderes Merkmal der russischen Teekultur [2] ist der Samowar (самовар). Dabei wird in einem kleinen Kännchen (Russisch: чайник) ein sehr konzentrierter Tee hergestellt, er oben auf dem großen Behälter mit heißem Wasser steht. Beide werden durch eine Wärmequelle erhitzt. Bei dem Samowar meines Bruders / meiner Schwägerin gibt es eine Vorrichtung im Samowar, die über Strom wie ein Tauchsieder funktioniert. Das Konzentrat wird mit dem heißen Wasser verdünnt. Der Tee wird aus Tassen oder aus Gläsern getrunken und kann auch gesüßt werden. In Russland werden Marmelade oder Würfelzucker in den Mund genonommen und der Tee darüber getrunken. Wir haben ihn allerdings pur getrunken. Man könnte hier schon die Frage stellen: Wozu das Ganze? Man hält den großen Heißwasserbehälter frei von Teeablagerungen. Es ist außerdem gemütlicher bei langen Teesitzungen.
Der Samowar (Russisch: самовар) wird erstmalig in den 1730er-Jahren erwähnt. Nicht nur in Russland sindern auch in Zentralasien, der Türkei, im Iran, Belarus, der Ukraine ist diese Art der Teezubereitung zu finden. Wo der Samowar herstammt, weiß man nicht genau, allerdings fand sich im Kaukasus Töpferware, die dem Samowar ähnlich sieht, und die auf ein Alter von 3600 Jahre datiert wurde. Samoware werden aus Metallen hergestellt [3].
Was ich aber über den Tee im Samowar wissen wollte, war nicht so einfach zu ergründen. Ich habe sogar Chat-GPT [4] befragt und erhielt als Antwort: „Assam, Ceylon und Darjeeling“. Damit hätte sich jeder vernünftige Mensch zufrieden gegeben. Auf die Frage: „Wie hoch war der Anteil an georgischem Tee in der Sowjetunnion?“ kam die Antwort: „Der Anteil an georgischem Tee in der Sowjetunion war relativ gering im Vergleich zu den Importen von schwarzem Tee aus Assam und Ceylon. Georgien hatte zwar eine eigene Teekultur und produzierte Tee, insbesondere in den Regionen Adjara und Gurien, aber die Gesamtproduktion war nicht ausreichend, um den gesamten Bedarf der Sowjetunion zu decken. In den 1960er und 1970er Jahren lag der Anteil des georgischen Tees an den gesamten Teeverbrauch in der Sowjetunion schätzungsweise bei etwa 5-10 %.“ Diese 5-10 % paßten allerdings nicht mit Informationen zusammen, die ich bereits früher recherchiert hatte.
Ich wollte wegen der 5-10 % mehr über Mengen erfahren. World of Statistics
[@stats_feed] schreibt u.a. zu „Tea consumption per capita (annual):
🇹🇷 Turkey - 3.16 kg
🇮🇪 Ireland - 2.19 kg
...
🇷🇺 Russia - 1.38 kg
…
🇩🇪 Germany - 0.69 kg
…
🇲🇽 Mexico - 0.14 kg“. [5]
Ich fand im Internet noch eine Quelle zu den 1990er Jahren, nach der die Russische Föderation 1990 135.700 t Tee produziert hatte, die Zahl für 1998 lag bei 1480 t. [6]
Importe nach Russland lagen 1990 vei 225.500 t und 1998 bei 150.225 t. [7]
Mit solcher Zahlenauswahl kann man allerdings nicht argumentieren.
Ich schaute in eiigen meiner Bücher über Tee nach.
Cornelia Teufl gibt 18.000 t für „die ehemalige UdSSR“ für 1994 an. [8]
Auch in Hellmut Grössers „Tee für Wissensdurstige“ blieb der Wissensdurstige ziemlich durstig. Immerhin betrug zwischen 1980 und 1985 die Menge an Tee, die in der Sowjetunion produziert wurde, um 7% der Weltproduktion. [9]
Von Arend Vollers erfahren wir, das 90% der Tee der Russischen Föderation in Georgien angebaut wurde. Er gibt 140.000 t als Gesamtmenge an. Da Georgien 1991 sein Unabhängigkeit erklärt hatte, kann man diese Zahlen in dem Buch aus dem Jahr 1998 vergessen. [10]
In einem Buch von Merzenich und Imfeld [11] konnte ich jedoch noch einige Zahlen als halbwegs glaubwürdig für Mitte der 1980er Jahre erfahren. Und zwar wurden Zweidrittel des Teebedarfs der Sowjetunsion durch Eigenproduktion von Georgien beziehungsweise den weiteren Anbaugebieten gedeckt. Für die Produktion in Georgien werden 75 % Schwarztee und 25 % Grüntee angegeben [12]. Für die Sowjetunion bedeutete dies, dass bei etwa rund 150.000 t weitere 50.000 t überwiegend aus Nordindien importiert werden mußten. „75 % Schwarztee und 25 % Grüntee“ vs. „mehr Sorten grünen als schwarzen Tees“ ist ohne genaue Zahlen kaum zu entscheiden. Ich tendiere zum georgischen Wikipedia-Artikel, weil er neuer ist und sich ausschließlich mit georgischen Tee beschäftigt. Einschränkend muss ich allerdings darauf hinweisen, daß die Produktionsmethoden zu Sowjetzeiten eine unkontrollierte Oxidation des Tee möglich gemacht haben.
Ich fand in einigen der Quellen [13] auch etwas zum Raucharoma, das in Russland beliebt ist. Es handelt sich wahrscheinlich um ein geschmackliches Erbe des Karawanentees, denn der konnte auf der langen Reise den Rauch der Lagerfeuer aufnehmen. Heutzutage wird deshalb gerne zu Lapsang Souchong gegriffen.
Zusammenfassend kann ich meine Frage vom Anfang in etwa so beantworten. In Russland ist über die Jahrhunderte Tee getrunken worden und auch heute wird sehr viel Tee getrunken, man sagt, daß 80% der Bevölkerung täglich Tee trinken. Im Laufe der Zeit sind sehr verschiedene Sorten getrunken worden. Es wird heute kaum mehr jemand Ziegeltee trinken, aber der war zum zu Beginn die bevorzugte Sorte. Bereits im 19. Jahrhundert hat man Schwarztee präferiert und das tut man auch noch heute, wobei Tee aus Sri Lanka und insbesondere Assam-Tee eine wichtige Rolle spielen. Während der Sowjetzeit hatte der Tee aus Georgien Heimvorteil, wobei dort der Tee immer schlechter geworden ist, weil die Herstellungsbedingungen nicht auf Qualität sondern auf Quantität ausgerichtet waren. Heutzutage ist es so, daß Samowar-Tee zumeist mit schwarzem Tee zubereitet wird. Aus einer Quelle hatte ich die Angabe 20 Teelöffel Schwarztee auf ein ein Liter Wasser für das Konzentrat. Aus der Kanne mit dem Konzentrat füllt man ein wenig in die Tasse oder das Glas, um dann mit der 3-10fachen Menge heißen Wassers aufzufüllen.
Ich freue mich schon auf den nächsten Saunagang mit Tee aus dem Samowar.
Links und Anmerkungen:
[1] Grusinischer oder besser georgischer Tee [1a]. Ich war mir gerade zu der Aussage, daß Georgien mehr grünen als schwarzen Tee produziert hatte unsicher, aber konnte die Angabe auf den georgischen Eintrag auf Wikipedia zurückführen [1b], wobei meine Übersetzung allerdings die Formulierung „In Georgien gab es mehr Sorten grünen als schwarzen Tees“ verwendet worden ist.
[1a] https://rheumatologe.blogspot.com/2024/10/grusinischer-oder-besser-georgischer-tee.html
[1b] https://ka.wikipedia.org/wiki/%E1%83%A5%E1%83%90%E1%83%A0%E1%83%97%E1%83%A3%E1%83%9A%E1%83%98_%E1%83%A9%E1%83%90%E1%83%98
[2] https://teapedia.org/de/Russische_Teekultur
[3] „Samovars are typically crafted out of plain iron, copper, polished brass, bronze, silver, gold, tin, or nickel.“ [3a] Der englische Wikipedia Eintrag ist schon sehr detailreich zur Geschichte des Samowars. Wer mehr über Samoware wissen will, kommt um den russischen Wikipedia-Artikel nicht herum [3b].
[3a] https://en.wikipedia.org/wiki/Samovar
[3b] https://ru.wikipedia.org/wiki/%D0%A1%D0%B0%D0%BC%D0%BE%D0%B2%D0%B0%D1%80
[4] Hallo Mensch, ich bin ein GPT-4o mini betriebener AI-Chatbot. Frag mich alles!
[5] According to "Annual per capita tea consumption worldwide as of 2016, by leading countries(in pounds)". Statista. 23 January 2020. Retrieved 10 February2020. https://x.com/stats_feed/status/1808804159698723288
[6] https://www.kaggle.com/datasets/michals22/tea-fao-dataset?select=Tea_crops_primary_production_quantity.csv
[7] https://www.kaggle.com/datasets/michals22/tea-fao-dataset?select=Tea_import.csv
[8] Cornelia Teufl: Tee. Die kleine Schule. Alles, was man über Tee wissen sollte. Zabert Sandmann, München, 1997. ISBN: 3-924-67885-5. S. 29.
[9] Hellmut Grösser: Tee für Wissensdurstige. Das Fachbuch vom Deutschen Teebüro. E. Albrecht Verlag, Gräfelfing o.J. (ca. 1996, 3. Auflage). ISBN: 3-870-14003-8. S. 113.
[10] Arend Vollers: Die Kunst, Tee richtig zu genießen. Geschichte, Kultur, Herstellung, Sorten. Seehamer Verlag, Weyarn 1998. ISBN: 3-932131-50-9. S. 154.
[11] Bernd Merzenich und Al Imfeld: Tee Gewohnheit und Konsequenz. Edition Dia Sankt Gallen 1986. ISBN: 3-905682-07-X. S. 30.
[12] Daher meine Unsicherheit zu Beginn des Blogposts.
[13] Zwei Quellen zum Raucharoma waren dabei besonders ergiebig.
https://www.auresa.de/blog/teegeschichte-russlands/ und
https://www.roberts-teehaus.de/blogs/tee-blog/russische-teekultur?srsltid=AfmBOooymUXIvfHzCBG5Ncx74RyjSiJqa2opAIKhPr8JS1Uziaqv55BX
[14] Addendum: Die in [14a] erwähnte Quelle [14b] konnte ich nur ansatzweise einsehen. Immerhin werden alle möglichen Teesorten und Teequalitäten für die 1730er Jahre beschrieben: Grüntee, Ziegeltee, Bohea (halboxidierter Tee wie Oolong, Schwarztee wurden getrunken. Der Bedarf war wahrscheinlich so groß, daß man jeden Tee verkauft bekam.
[14a] https://zh.wikipedia.org/wiki/%E8%8C%B6%E7%82%8A
[14b] Smith, R. E. F.; Christian, David. Bread and Salt: A Social and Economic History of Food and Drink in Russia. Cambridge: Cambridge University Press. 1984: 240. ISBN 978-0-521-25812-8.
[15] Fiel mir erst beim Korrekturlesen auf. Hier steht deie ganze Geschichte:Der unromantische Tee – eine Reminiszenz https://rheumatologe.blogspot.com/2024/10/der-unromantische-tee-eine-reminiszenz.html
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