Blog von Dr. med. Lothar M. Kirsch / 祁建德 // Rheumatic Diseases / Fibromyalgia / Travels / Languages / Poetry
Saturday, June 23, 2012
Ernährungstipps bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen
Es handelt sich um einen älteren Text, den ich nochmals überarbeitet habe. Wichtig ist bei Ernährungsumstellungen, diese schrittweise durchzuführen, sonst machen man es eine kurze Weile und dann hört man wieder damit auf. Außerdem muss die Nahrung schmecken, denn wenn sie das gesündeste Essen nur mit Widerwillen herunterbringen, dann ist dieser Therapieergänzung auch keine lange Dauer beschieden.
Allgemeine Ernährungstipps bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen
01. Schränken Sie den Verbrauch von Fleisch und tierischen Produkten, wie z.B. Wurst, Käse, Butter, deutlich ein oder verzichten Sie ganz darauf.
02. Essen Sie eher bis zweimal wöchentlich Seefisch (Stichwort omega-3-Fettsäuren), wie z.B. Lachs, Makrele oder Hering, oder lassen Sie dies auch weg (Stichwort Arachidonsäure).
03. Schränken Sie tierische Fette ein, verwenden Sie beim Kochen, Braten und Backen [Hitzeeinwirkung] Raps-, Soja- oder Olivenöl.
04. Sorgen Sie für eine sichere Quelle an pflanzlichen Ölfrüchten, die reich sind an omega-3-Fettsäuren, wie Leinsamen, Hanfsamen oder Walnüsse und deren Öle und verwenden Sie diese nur unerhitzt.
05. Schränken Sie die Zufuhr von omega-6-Fettsäuren ein, z.B. Distel- oder Sonnenblumenöl und verschiedene Margarinesorten.
06. Ergänzen Sie Ihre Mahlzeiten häufig mit vollwertigen Getreideprodukten und Hülsenfrüchten (Zink- und Selenzufuhr).
07. Essen Sie mehr vegetarische Gerichte, greifen Sie dabei auf die vielen leckeren Rezepte der asiatischen Küchen zurück.
08. Achten Sie auf eine ausreichende Versorgung mit Kalzium und Vitamin D, z.B. über Blattgemüse, kalziumreiches Wasser, regelmäßiger, kurzer Aufenthalt in der Sonne oder zusätzliche Vitamin-D-Zufuhr.
09. Essen Sie höchstens ein Ei pro Woche, verzichten Sie auf Eiernudeln und ersetzen diese lieber durch Hartweizennudeln, am besten aus Vollkorngetreide.
10. Meiden Sie Lebensmittel, die Sie nicht vertragen, das können Fleisch, Wurstwaren, Milchprodukte, Schokolade, Kaffee, bestimmte Früchte, Nachtschattengewächse oder Alkohol sein.
11. Essen Sie rohe Speisen (z.B. einen Salat) vor gekochten Speisen.
Ernährung und Gewichtsreduktion
Bei den meisten rheumatischen Erkrankungen wie auch im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsvorsorge wirkt sich eine Reduktion von Übergewicht positiv aus. Übergewicht ist eine Folge von einer zu hohen Energiezufuhr und einem zu geringen Energieverbrauch. Deshalb kann auch jeder Mensch abnehmen. Dummerweise ist das nicht einfach, denn genetisch sind wir auf Energiespeichern getrimmt, sonst hätte die Menschheit nicht Hungerperioden (es gab nicht immer Supermärkte) überleben können. Außerdem behindern Krankheiten die notwendige Bewegung oder unterstützen durch die Therapie das Übergewicht. Deshalb muss man den Körper überlisten, damit er wieder die überflüssigen Pfunde hergibt.
01. Die Definition von Übergewicht ist nicht überall gleich, aber sicher ist ein krankhaftes Übergewicht bei einem BMI (Körper-Masse-Index) von über 30. Den BMI kann man mittels eines Nomogramms bestimmen; fragen Sie Ihren Arzt.
02. Diäten mit Versprechungen wie „10 Pfund in zwei Wochen“ abzunehmen nehmen Sie bitte nicht wahr. Bei solchen Diäten verliert man Wasser und Eiweiß, aber kaum Fett. Diese Diäten sind auch gefährlich, denn es kann zu Herz-Kreislaufstörungen (Elektrolytverlust), Anstieg des Harnsäurespiegels, Bildung von Gallen- oder Nierensteinen, Vitamin-Mangel und Müdigkeit/Gereiztheit kommen.
03. Stellen Sie fest, wie viel Sie durchschnittlich essen (Ernährungstagebuch) und schätzen Sie die Kalorienmenge und Fettmenge nach einer Tabelle ein.
04. Die Reduktion der Kalorienmenge soll langsam erfolgen. Befolgen Sie eher ein System, das nicht in Kalorienzählen ausartet, setzen Sie vielmehr auf eine Verhaltensänderung im Umgang mit Ernährung; hilfreich dabei kann auch das Konzept von Prof. Pudel sein.
05. Die oftmals empfohlenen Diäten mit 800-1000 kcal können den Tagesbedarf an notwendigen Vitaminen, Mineral- und Spurenstoffen sowie Ballaststoffen nicht decken. Außerdem regelt der Körper dagegen, er schraubt seinen Energieverbrauch herunter, so dass weniger Kalorien verbraucht werden. Sobald die Diät gelockert wird, speichert der Körper wieder Kalorien, also nimmt man wieder zu (Stichwort: Jojo-Effekt).
06. Fette speichert der Körper leichter ein als Kohlenhydrate. Außerdem sind Fette die kompaktesten Kalorienträger (ein Tintenfäßchen voll Öl [30 ml] kommt auf 270 kcal, die gleiche Menge an Kalorien haben 1100 g Brokkoli). Reduzieren Sie deshalb die Fette drastisch (und nicht nur auf 30% der Kalorienzufuhr, sondern auf deutlich unter 20%). Ersetzen Sie gesättigte Fettsäuren durch essentielle Fettsäuren, z.B. durch Leinöl, Leinsamen, Walnüsse, Sojaprodukte. Wichtig ist die Zufuhr von omega-3-Fettsäuren (alpha-Linolensäure) über die bereits genannte Öle. Wenn Sie nicht vegetarisch leben, dann reduzieren Sie wenigstens die Zufuhr an Fleisch und ersetzen Sie diese durch Kaltwasser-/Hochsee-Fisch.
07. Achten Sie auf eine hohe Zufuhr an Ballaststoffen, z.B. durch Gemüse und Vollkornprodukte, denn sie bieten ein höheres Sättigungsgefühl und lassen den Insulinspiegel nicht in die Höhe schnellen, d.h. der Blutzuckerspiegel schwankt nicht so stark und es kommt zu weniger Hungergefühl. Deshalb ist auch eine Reduktion der Zuckerzufuhr sinnvoll.
08. Reduzieren Sie Ihren Gebrauch an alkoholischen Getränken, denn sie behindern den Fettabbau, tragen konzentrierte Kalorien in sich und steigern den Appetit.
09. Nehmen Sie sich Zeit zum Essen, kauen Sie bewusst und genießen Sie ihr Essen.
10. Stellen Sie die Schüsseln nicht auf den Tisch, sondern essen Sie eine kleine Portion und nehmen einen Nachschlag nur, wenn Sie dafür erst in die Küche gehen müssen.
11. Verteilen Sie Ihr Essen eher auf mehrere Mahlzeiten als auf wenige.
12. Treiben Sie regelmäßig Sport. Ausdauersport wie Spaziergänge, Walking, Radfahren, Schwimmen erhöht den Grundumsatz, d.h. der Körper verbraucht auch in Ruhe mehr Energie. Muskelaufbau durch Krafttraining fördert ebenso den Energieverbrauch, denn die Muskelzelle verbraucht etwa 30-35mal mehr Energie als die Fettzelle.
Arthrosen
Arthrosen sind Veränderungen an Gelenken, die durch Abnutzung bzw. mangelhafte Versorgung des Gelenkes an Nährstoffen und Sauerstoff und/oder fehlendem Abtransport von Stoffwechselprodukten (volkstümlich: Schlacken), also vermindertem Stoffaustausch entstehen. Man spricht auch vom degenerativen Rheuma oder Verschleißrheuma. Da der Knorpel keine Blutzufuhr besitzt, besteht ein wesentliches Problem im Transport der Nährstoffe in das Gelenk – dafür ist Bewegung der Gelenke notwendig.
01. Die Nahrung sollte reich sein an ß-Karotin/Lycopin (z.B. Karotten/Möhren, Spinat, Feldsalat, Tomaten), Vitamin E (z.B. Öle, Nüsse, Samen) und Vitamin C (z.B. Paprika, Kiwi, Zitrusfrüchte), wahrscheinlich auch an Zink und Selen; dadurch werden freie Radikale, die den Verschleißprozess beschleunigen, besser abgebaut.
02. Weniger gesättigte, mehr mehrfach ungesättigte Fettsäuren, insbesondere omega-3-Fettsäuren (z.B. Leinsamen, Hanfsamen, Walnüsse und deren Öle sowie Sojaprodukte).
03. Bewegungsübungen für die Fingergelenke, auch in Wärme, verbessern die Ernährungssituation der Gelenke und führen zu verbesserter Beweglichkeit. In der Klinik benutzen wir z.B. Rübsamen, die man auf ca. 40° C erhitzen kann. Man kann aber auch angewärmtes Paraffin kneten. Die Zehengelenke kann man gut mit Greifübungen am Igelball trainieren.
04. Für die großen Gelenke haben sich gymnastische Übungen sowie Wandern, Radfahren, Schwimmen bewährt.
05. Vermeiden sollte man z.B. bei der Kniegelenksarthrose (Gonarthrose) übermäßiges Treppensteigen, da dadurch der Knorpel extrem belastet wird, während Gehen auf ebener Erde den Knorpel sogar besser ernährt.
Gicht / Erhöhung der Harnsäure
Harnsäure fällt im Purin-Stoffwechsel an. Dauerhaft hohe Harnsäurewerte führen zu Ablagerungen z.B. im Knorpel und können dann Gichtanfälle auslösen.
01. purinarme Kost (meiden: Innereien, Ölsardinen, Sprotten, Sardellen, Bückling, Gans, Fleisch, Muscheln, Fertigsaucen, Fertigsuppen; in geringer Menge erlaubt: Fleisch oder Fisch höchstens einmal täglich, aber auch nur beding Rotkohl, Bohnen, Erbsen, Karotten, Linsen, Spargel, Spinat, erlaubt/günstige Nahrungsmittel: Milchprodukte, Käse, Gemüse außer Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Obst, Salate, Teigwaren).
02. Reichliches Trinken nicht-alkoholischer Getränke, Alkohol meiden, auch und insbesondere Bier.
Schlafstörungen
Schlafstörungen kommen gehäuft bei Schmerzen vor.
01. tryptophanreiche Ernährung [möglicher Einfluß auf den Serotoninstoffwechsel] über Bananen, Datteln, Cashewnüsse, Weizenkeime, Sojaprodukte.
02. Abends grünen Salat essen (Schlaf fördernde Stoffe).
03. Schlafhygiene (regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus einhalten, Probleme nicht zum Lösen oder Grübeln mit in die Nacht nehmen, .Schlafritual entwickeln, Phantasiereise, kein Schlaf über Tag, Raum schlaftauglich herrichten, weitere mehr).
Osteoporose
Osteoporose kommt als Erkrankung aus sich selbst heraus, bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen jedoch gehäuft durch die Krankheit selber aber auch die Therapie vor.
01. Die Schulmedizin empfiehlt Milch und Milchprodukte zur Erhöhung der Kalziumzufuhr.
02. Die Alternative Medizin empfiehlt einen Verzicht auf Milch und Milchprodukte wegen hohem Gehalt an Eiweiß und Phosphaten (bei den Naturvölkern haben die Eskimo/Inuit die höchste Zufuhr an Kalzium und Vitamin D3, aber auch die höchste Rate an Osteoporose, bei Bantu-Stämmen in Afrika mit sehr niedriger Kalziumzufuhr lag die Rate besonders niedrig. Ein anderes Paradox ist die Tatsache, dass in den Ländern mit dem höchsten Verbrauch an Milchprodukten auch die Rate an Osteoporose am höchsten liegt. Und: 60-70% der erwachsenen Menschheit verträgt keine Milch, also kann es kein essentielles Nahrungsmittel sein).
03. Phosphatreiche Nahrungsmittel meiden (insbesondere Fleisch).
04. Ausreichend, jedoch nicht übermäßig viel Eiweiß zu sich nehmen, pflanzliches Eiweiß ist von Vorteil.
05. Kalziumreiches Wasser.
06. Vitamin D über Aufenthalt im Freien / im Winterhalbjahr auch durch Vitaminpräparate.
Weiterführende Literatur:
Olaf Adam: Diät und Rat bei Rheuma und Osteoporose, bei Hädecke Gesundheit.
Udo Erasmus: Fats that heal, fats that kill (Englisch).
C. Leitzmann, M. Keller, A. Hahn: Alternative Ernährungsformen, Hippokrates-Verlag.
S.-D. Müller, C. Pfeuffer: Genussvoll essen bei Gicht. Midena
Udo Pollmer u.a.: Prost Mahlzeit! Krank durch gesunde Nahrung, Kiepenheuer & Witsch
V. Pudel: Endlich frei von Diäten, Knaur Verlag
G. Wolfram, M. Leisten, A. Nestler.: Gicht - Diät und Genuß. Falken, Niedernhausen
(Die Liste habe ich nicht erneut kontrolliert – ich stimme nicht mit allen Empfehlungen überein, aber man sollte sich auch selbst eine Meinung bilden können. Ich habe schließlich nicht die Wahrheit gepachtet!)
Mehr zu Ernährung und Rheuma auch unter: http://rheumatologe.blogspot.de/2012/06/rheuma-und-ernahrung.html
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