Am
Aschermittwoch ist nicht nur Karneval vorbei (carne vale - Adieu Fleisch),
sondern es beginnt im Christentum die Fastenzeit. Immer wieder ist es Anlass,
dass die Gazetten wieder einmal den Text über das Fasten und das Heilfasten aus
der Schublade ziehen. Das werde ich jetzt nicht ganz so machen. Ich habe hier
bereits mehrfach über Fasten und Heilfasten geschrieben [1, 2], aber es kommen
jedes Jahr neue Aspekte hinzu. Darum habe ich die alten Texte ergänzt bzw.
umgeschrieben.
Fasten
und Heilfasten sind sehr verschieden und werden daher unterschieden, aber man
beschäftigt sich auch mehr mit dem Heilfasten zur religiösen Fastenzeit.
Religiöses Fasten ist eher von Selbstlosigkeit geprägt oder besser gesagt von
einem Opfer gegenüber Gott, um die Kommunikation wieder her zustellen, d.h.
Gott ist Anlass des Fastens, ich will mit Gott ins Reine kommen. Das Heilfasten
verfolgt einen anderen, einen selbstbezogenen Zweck; man will sich von
überflüssigen Dingen trennen, z.B. von Krankheiten, Übergewicht,
"Schlacken", Toxinen, d.h. ich will mir ins Reine kommen. Diese Ziele
stehen sich diametral gegenüber. Die Idee, ich nehme am religiös motivierten
Fasten teil, und dann freue ich mich über die Gewichtsreduktion, entwertet den
originären Zweck des Fastens.
Ja,
es gibt Effekte beim Fasten, wie z.B. die Erfahrung von Glück, Zufriedenheit,
weniger Niedergeschlagenheit (Ausschüttung von Serotonin) oder auch weniger
Entzündung (wie z.B. bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen). Die häufig
genannte Entschlackung findet nicht statt; was aber passiert, davon berichte ich
später mehr. Darüber hinaus es gibt eben auch negative Aspekte.
Und
… Wunder über Wunder, man nimmt auch ab.
Religiös
motiviertes Fasten
In
fast allen Religionen wird gefastet, um Gott näher zu sein, sich mit Gott zu
versöhnen, um sich zu stärken oder zur inneren Einkehr. Fasten ist in den
verschiedensten Kulturen eine Vorbereitung, z.B. auf ein Fest, vor einer
Initiation, als Bußübung vor heiligen Tagen oder dem Betreten heiliger Orte.
Allerdings fastet man übrings nicht bei den Sikhs und den Zoroastern. Im
Buddhismus fasten die Mönche/Nonnen nach dem Mittagessen bis zum nächsten
Morgen; wobei dies schon nicht in allen Klimazonen üblich ist; besonders im
Mahayana-Buddhismus, der viele Anhänger in kalten Klimazonen hat, ist ein
spätes Essen aus "medizinischen" Gründen eingeführt worden. Bei den
Jains kann das Fasten sogar bis zum Tod gehen. Die Muslime haben den
Fastenmonat Ramadan, bei dem vom ersten Morgenlicht bis zum Eintritt der
Dunkelheit gefastet wird (kein Speise, kein Getränk, kein Rauchen, kein
Geschlechtsverkehr). Beim Phänomen Ramadan zeigt sich, dass Fasten mehr als nur
Speisen umfassen kann.
Ab
Aschermittwoch gilt im Christentum die ca. 40tägige Fastenzeit, die an die 40
Tage erinnert, die Jesus Christus in der Wüste verbrachte; die Fastenzeit geht
über die 40 Tage hinaus, denn die Sonntage waren ausgenommen. Neben Fasten
betete Jesus in er Wüste, und wurde vom Teufel versucht. Nach Matthäus 4:9
versuchte Satan Jesus mit dem Wort: „… haec omnia tibi dabo si cadens
adoraveris me. [Dies alles werde ich dir geben, wenn du vor mit niederfällst
und mich anbetest.]“ Die Fastenregeln sind sehr unterschiedlich. In der Zeit
der Reformation aß Zwingli Wurst am ersten Fastensonntag [3]. Und obgleich
Martin Luther fastete, wies er daraufhin, der Mensch werde „nicht durch das
Fasten angenehm bei Gott, sondern allein durch die Gnade, allein durch den
Glauben“ [3].
Bei
den Katholiken ist das Fasten Teil der Bußpraxis. Als strenge Fastentage gelten
aber nur noch Aschermittwoch und Karfreitag – „einmalige Sättigung und morgens
und abends je eine kleine Stärkung“. Das klingt nun nicht sehr asketisch. In
der Ausprägung und Auslegung aber ist man frei.
Heilfasten
und Detox
Heilfasten
ist ein nicht religiös motiviertes Fasten und wird oft mit Entschlackung
begründet. Ich halte längerfristiges Heilfasten für Unsinn. Beim Fasten treten
unbestritten Effekte auf. Es geht vielmehr darum, ob diese Effekte einen Nutzen
darstellen oder nicht. Medizin und Ernährungswissenschaft lehnen das
längerfristige Fasten ab. Der Körper gerät in einen Nährstoffmangel, der die
Gesundheit schädigt und nicht fördert. Die Liste von Personen, denen ganz
eindeutig vom Fasten abgeraten wird ist lang. Chronisch Erkrankte sollten nicht
fasten. Aus der Rheumatologie weiß man aufgrund von Studien, dass ein akuter
Schub durch Fasten unterbrochen werden kann, aber irgendwann muss man wieder
essen und dann kommt auch der Entzündungsschub zurück. Während des Fastens wird
der Körper nachhaltig geschädigt. Fasten kann Gichtanfällen auslösen. Fasten
kann eine Essstörung verstärken. Bei Kindern, Schwangeren, stillenden Müttern,
Personen mit Untergewicht ist es offensichtlich, dass Fasten schadet.
Selbst
der strenge Koran schließt Kranke eindeutig vom Ramadan-Fasten aus.
In
der ersten Phase des Fastens wird mehr Wasser ausgeschieden, wodurch man
schnell auf der Waage einen Erfolg sehen kann, und es wird Eiweiß aus den
Muskelzellen abgebaut. Dadurch dabei steigt die Harnsäure an (Stichwort:
Gichtanfall). Der Eiweißabbau (Eiweißkatabolismus) ist eine sinnvolle Maßnahme
des Körpers, denn Muskelzellen (Eiweiß) verbrauchen etwa 35mal mehr Energie als
Fettzellen. Während des Fastens steigen Triglyzeride, Cholesterin und
Fettsäuren, also die Blutfettwerte, an, denn die werden aus dem Fettgewebe zur
Energiegewinnung freigesetzt. Die Endprodukte des Fettabbaus, die so genannten
Keton Körper, reichern sich im Blut an und übersäuern es. Auch dies überlastet
den Körper.
An
dieser Stelle muss der Hype um "Detox" angesprochen werden. Bei Detox
werden z.B. Saftkuren/Saftfasten empfohlen. Fruchtsäfte enthalten viel
Fruchtzucker. Wenn man sich nur von Fruchtsäften ernährt, steigt die Harnsäure
durch den Abbau (Katabolismus) und zudem durch den Fruchtzucker an (siehe dazu
hier im Blog den folgenden Artikel zur Gicht). Zum anderen werden unter dem
Deckmäntelchen Detox Tees und Pülverchen verkauft, die Sie wirklich von etwas
befreien, nämlich von Ihrem Geld.
Fasten
zum Abnehmen
Wenn
Sie mit Fasten Gewicht dauerhaft reduzieren wollen, dann vergessen Sie das am
besten ganz schnell. Natürlich nimmt man ab, wenn man fastet, aber danach nimmt
man auch wieder zu. Sie haben sicherlich vom Jo-Jo-Effekt gehört. In der
Entwicklungsgeschichte der Menschheit haben diejenigen zu Hungerzeiten (z.B.
Winter, Dürre) überlebt, die einerseits am besten den Stoffwechsel reduzieren
konnten und andererseits am schnellsten wieder Gewicht zunahmen.
Durch
die Anpassung des Körpers an die verminderte Kalorienzufuhr wird z.B. der
Grundumsatz durch Umstellung der Schilddrüsenhormone reduziert. Nach dem Fasten
kann der Körper umso besser Fettspeicher aufbauen.
Ein
weiterer Punkt ist die Freisetzung von im Fettgewebe gespeicherten Schadstoffen
(PCBs, DDT, Dioxine und weitere fettlöslich Gifte). Diese Gifte überfluten bei
der schnellen Abnahme durch Fasten den Körper. Man hatte dies im Projekt
Biosphäre 2 nachweisen können. Die Forscher hatten durch Nahrungsmangel einen
sehr schnellen Gewichtsverlust. Man hatte die PCB-Konzentration gemessen.
Dieser Richtwert im Blut stieg um das Fünffache an [5].
Mit
Fasten kann man nicht dauerhaft Übergewicht reduzieren, denn es kommt zu keiner
dauerhaften Verhaltensänderung. Manchmal wird behauptet, dass Fasten der Einstieg
(Motivation) zu dauerhafter Gewichtsreduktion sein kann. Ich wage das zu
bezweifeln. Wenn die dauerhafte Verhaltensänderung so einfach wäre, hätte man
sie schon längst umsetzen können. Das Fasten ändert das Verhalten aber nur
kurzfristig und nicht über das Fasten hinaus.
Tägliches
Fasten
Mitte
2016 wurde eine interessante Studie von V.D. Longo und S. Panda vorgestellt
[6]. Bei Menschen wie auch Tieren fallen Phasen von Fasten und Schlaf oft
zusammen. Die Forschen fanden heraus, dass man die Nahrungsmittelaufnahme auf
bestimmte Stunden des Tages beschränken kann, so dass dadurch die tägliche
Fastenzeit über 12 Stunden andauert und es nachfolgend Prävention und auch
Behandlung von Krankheiten verbessert wird. Aktuell wird aber erst in
Tierstudien Grundlagenforschung betrieben.
R.
Walfort berichtet über eine Studie an Ratten, bei der die Ratten, die
grenzenlos fressen durften, durchschnittlich etwa 1000 Tage lebten, und
diejenigen, denen man das Fressen unter die Hälfte dieser Menge beschränkt
hatte, aber durchschnittlich etwa 1800 Tage lebten [7].
Kalorienbeschränkung
allein ist es sicherlich nicht, denn Affen scheinen hungrig doch nicht länger
zu leben [8]. Aber es ist schon vor längerer Zeit nachgewiesen worden, dass
eine gesunde Ernährung mit vielen Ballaststoffen über Obst und Gemüse schneller
und besser sättigt als eine Kost, die arm daran ist; in der betreffenden Studie
wurden 1500 kcal gesunde Kost mit 3000 kcal weniger gesunder Kost verglichen
[9].
Im
letzten Jahr schrieb ich: „Wahrscheinlich sind dinner canceling und
Verlängerung der Hungerphase bis zum breakfast (Frühstück oder Fastenbrechen)
sinnvolle Maßnahmen.“ Für den Gewichtsverlust ist es unerheblich, ob man fastet,
intervallfastest oder eine Kalorien reduzierte Diät einhält. Das Einhalten
scheint der entscheidende Faktor zu sein. Die verschiedenen Arten der Kalorien Reduktion
werden auch verschieden lange eingehalten. Am besten schein das beim 16:8
Intervallfasten zu klappen, d.h. man nimmt nur an während 8 Stunden Nahrung zu
sich und fastet 16 Stunden. Das geht am besten, wenn man das Abendessen
ausfallen läßt.
Beim
sogenannten Heilfasten habe ich weiterhin Bedenken.
Fazit
Man
kann durchaus sinnvoll fasten, z.B. auf Süßigkeiten, Luxusspeisen, Fernsehen,
Alkohol verzichten. Die Liste ist lang, wenn es darum geht, etwas Verzicht in
unserer konsumorientierten Welt zu üben.
Wie
wäre es mit dem umgekehrten Ramadan-Fasten? Was das sein soll? Nur im Hellen
essen und in der Dunkelheit fasten. An Aschermittwoch 2018 wäre das die Zeit
zwischen 07:38 Uhr und 17:35 Uhr (Sonnenauf- und Untergang). Im Laufe der Zeit
wird es aber leichter, an Ostersamstag wäre das die Zeit zwischen 07:00 Uhr und
19:53 Uhr (Umstellung auf Sommerzeit eine Woche zuvor). Das entspricht einem
12:12 Fasten. Oder Sie führen das 16:8 Intervallfasten mit dinner cancelling
durch.
Links
und Literaturangaben:
Überarbeiteter
Text von https://rheumatologe.blogspot.com/2018/02/fasten-und-heilfasten-zum-beginn-der.html
[5] Walfort, R.L. et al: Physiologic
changes in human subjected to severe, selected calory restriction for two years
in biosphere 2: health, aging, and toxicological perspectives. Toxicol Sci,
1999, 52: 61-65.
[7] Walfort, R.: Beyond the 120
year diet. Thunder's Mouth Press, New York, 2000.
[9] Duncan, K.H. et al.: The
effects of high and low energy density diets on satiety, energy uptake, and
eating time of obese and nonobese subjects. Am J Clin Nutr, 1983, 37: 763-767.
[10]
Interessant als Tipp für Antiaging und Ernährung: Dr. Kris Verburgh: Die
Ernährungs-Sanduhr. Wilhelm Goldmann Verlag, München, 2015.
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