Zentrale
Muskelrelaxantien sind Medikamente, die im zentralen Nervensystem ihre Wirkung
zur Entspannung der Muskulatur entfalten. Sie werden bei Spastik (krankhafter
Steigerung der Muskelanspannung) eingesetzt. Leider werden sie auch häufig beim
Fibromyalgiesyndrom eingesetzt. Muskelrelaxantien werden in der Leitlinie
ausdrücklich nicht empfohlen (wegen fehlendem Wirksamkeitsnachweis und wegen
Nebenwirkungen). - Link: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/041-004p_S3_Fibromyalgiesyndrom_2012-04.pdf
Häufig
eingesetzte Medikamente sind Methocarbamol, Tetrazepam, Flupirtin und
Tolperison.
Methocarbamol (Ortoton) wird bei Spasmen
der Skelettmuskulatur eingesetzt. Die Wirkmechanismus ist unklar. Strukturell
ähnelt er Guaifenesin, einem Hustenmittel. Dieser Stoff kann in Überdosierung
zu Muskelerschlaffung führen. Das Mittel wurde über den alternativmedizinischen
Weg bei Fibromyalgie eingesetzt, konnte aber in einer Studie keine Wirksamkeit
nachweisen.
Tetrazepam (Musaril) wird ebenfalls
als Muskelrelaxans bei spastischen Erkrankungen eingesetzt. Häufige
unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind: Verlangsamung, Müdigkeit, aber auch
Halluzinationen. Wie andere Benzodiazepine führt auch Tetrazepam schon nach
kurzer Zeit zur Abhängigkeit.
Flupirtin ist (Katadolon, Trancolong
...) eigentlich ein Schmerzmittel. Wg. unerwünschter Arzneimittelwirkung auf
die Leber wird es auch z.B. bei chronischem Rückenschmerz nicht mehr empfohlen.
Bei
Tolperison (Mydocalm) empfiehlt die europäische Zulassungsbehörde (EMA)
einen restriktiveren Einsatz als bisher. Es wurden
Überempfindlichkeitsreaktionen berichtet, weitere unerwünschte
Arzneimittelwirkungen können sein: Blutdruckabfall, Durchfall, Kopfschmerzen,
Schwindelgefühl, Oberbauchschmerzen, Übelkeit u.w.m.
Zusammenfassend sind die Risken bei diesen
Medikamenten deutlich höher als der Nutzen, so dass ich diese Medikamente nie
beim Fibromyalgiesyndrom eingesetzt habe. Ich begrüße deshalb die
Negativempfehlung der Leitlinie. Also raten Leitlinie wie auch ich dringend vom
Einsatz dieser Medikamente beim Fibromyalgiesyndrom ab.
Ergänzung 10.05.2013:
Medscape
Deutschland informiert zu Tetrazepam. Das Pharmacovigilance Risk Assessment
Committee (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA, zuständig für
die Überwachung und Bewertung der Sicherheit von
Humanarzneimitteln, empfiehlt, Tetrazepam-haltige Arzneimittel (Musaril®
und zahlreiche Generika) sollen vom Markt zu nehmen. In Frankreich waren bis
Mitte 2012 im Vergleich zu anderen Benzodiazepinen insgesamt 1.616
Verdachtsberichte über schwerwiegende, davon 11 tödliche, Hautreaktionen
eingegangen. Es wird noch dauern, bis diese Empfehlungen umgesetzt sein werden.
Ich bin auch etwas enttäuscht, wie lange es dauert (Mitte 2012!).
Nachtrag 02.07.2013:
Sanofi
informiert Ärzte und Apotheker über einen "Rote-Hand-Brief", dass die
Zulassung für Tetrazepam-haltige Arzneimittel wie z.B. Musaril® zum 01.08.2013 ruht.
Die Ärzte werden gebeten, die bestehenden Therapien mit Tetrazepam zu beenden,
da ab 01.08.2013 das Medikament nicht mehr verordnet werden kann. Wg. der
möglichen Entzugssymptomatik muss dies über mehrere Wochen geschehen.
Nachtrag 13.08.2013:
Interessanterweise
versucht nun ein Hersteller von Methocarbamol aus dem Ruhen der Zulassung für
Tetrazepam Gewinn zu schlagen. Der Hersteller bietet sein Methocarbamol als
Alternative an. Nun ist die Nutzen-Risiko-Diskussion längst nicht
abgeschlossen. Immerhin hat das Präparat auch mögliche Nebenwirkungen: die
häufigste ist der Kopfschmerz; andere sind: Appetitlosigkeit, Angst,
Benommenheit, Bindehautentzündung, Erkrankungen des Immunsystems, Erkrankungen
des Magen-Darm-Traktes wie Brechreiz oder Erbrechen, Fieber, Juckreiz,
Schwindel, Sehstörungen, Krämpfe, Unruhe, Verwirrtheit, Zittern und weitere.
Ich rate auch weiterhin bei Fibromyalgiesyndrom ab. Übrigens sehe ich überhaupt
keine sinnvolle Indikation für sämtliche Muskelrelaxantien auf
rheumatologischem Fachgebiet.
Nachtrag 03.05.2014:
Gerade
lese ich in der Ausgabe 5/2014 des Rheinischen Ärzteblattes unter Sicherer
Verordnen die Folge 265: "Tetrazepam-Alternativen". Als zentral
wirkende Muskelrelaxanzien stehen zur Verfügung (Quelle: KVBW Verordnungsforum
28): Baclofen (z.B. Lioresal®, Generika), Tolperison (z.B. Mydocalm® Tbl.,
Viveo®, Generika), Methocarbamol (z.B. DoloVisano®, Ortoton®), Orphenadrin
(z.B. Norflex®), Pridinol (z.B. Myoson®), Tizanidin (z.B. Sirdalud®) und
Diazepam (z.B. Valium®, Generika). Wg. des unklaren
Nutzen-Risiko-Verhältnisses, der Sedation und dem fehlenden Vorteil gegenüber
der alleinigen Gabe von NSAR empfiehlt das Rheinische Ärzteblatt eher
nichtmedikamentöse Maßnahmen.
Hallo, vielen Dank für nützliche Infos rund um Muskelrelaxantien rezeptfrei!
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