Der zweite Sonntag nach dem Christfest [1] oder dem Weihnachtsfest kommt eher etwas bescheiden daher. Der Weihnachtsbaum wird meistens schon abgeschmückt, das fällt in die St. Knuts Zeit, wie es uns die Werbung eines schwedischen Möbelhauses erklärt, aber bis zum 13. Januar oder dem 2. Februar (Mariä Lichtmess) wartet man kaum noch jemand. Der Baumschmuck wird, so weit wieder verwendbar, verstaut. Aber ist dieser zweite Sonntag nach dem Christfest wirklich so etwas Alltägliches? Ich meine nicht.
Der Wochenspruch lautet: „Und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ [2] In der Lesung aus dem Alten Testament – ja, richtig geraten, der Text steht bei Jesaja [3] – ist „die frohe Botschaft von der kommenden Herrlichkeit“ Thema [4]. Der Prophet schwärmt: „Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet, ...“. Wir sind damit noch fest verbunden mit dem Weihnachtsfest.
Da bis Ostern nicht viel Zeit bleibt, gibt es in der Lesung aus dem Evangelium einen Zeitsprung, und zwar um ca. ein Jahrzehnt. Nach der Geburt, Beschneidung, der Flucht nach Ägypten und Rückkehr, behandelt Lukas die Geschichte vom „zwölfjährige Jesus im Tempel“ [5]. Die Familie besuchte Jerusalem zum Passafest und bei der Rückreise wurde die Abwesenheit des Sohnes bemerkt. Man fand ihn im Tempel, wie er mit den Lehrern diskutierte. „Und alle, die ihm zuhörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten.“ Und das zu recht, denn er ist 12 Jahre alt und die Bar Mitzwa findet erst mit 13 Jahren statt. Mit Bar Mitzwa bezeichnet man im Judentum die religiöse Mündigkeit [6]. Gut, es hätte dann genügt, wenn er mit 13 aus der Tora vorgelesen und nicht mit den Lehrern diskutiert hätte. Das Erstere kann man sich aber sehr unterhaltsam in der Verwechslungskomödie mit Louis de Funès Die Abenteuer des Rabbi Jacob [7] ansehen.
Der Text für die Epistellesung und die Predigt ist kurz und steht im 1. Brief des Johannes [8]. Ob die Johannes-Briefe auch vom Verfasser des Johannesevangeliums stammen ist fraglich, denn sie wurden anonym abgefaßt, aber sie weisen doch einen gleichen Stil auf [9]. Der 1. Brief wurde lange nicht als Brief angesehen, da eine klare Gliederung wie in anderen Briefen fehlt. Diese Auffassung hat sich geändert [10]. Im Mittelpunkt steht Vers 12: „Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht.“ Der Begriff Leben wurde einen Vers zuvor mit das ewige Leben spezifiziert.
Die Ewigkeit. Von Ewigkeit zu Ewigkeit. Man kann ewig/Ewigkeit ca. 250 mal in der Bibel finden. Ohne Computer sucht man ewig. Aber ewig währt am längsten. Ich sehe die Zeit als ewig an. Und ich sehe Gott als Ursprung dieses Universums an. Mit der Stringtheorie [11] kommt man an den Zeitpunkt des Urknalls vor x Milliarden Jahren immer näher heran. Aber den Urknall, und was davor war, erklärt man damit nicht. Die Ewigkeit ohne Beginn und ohne Ende, die Zeit schlechthin. Wenn man sich ein schwarzes Loch vorstellt, in dem sich die Bausteine des Universums in einem Punkt und nicht in einem Raum befinden, so könnte man dies als Zustand zum Zeitpunkt auffassen, an dem Gott sprach [12] und das Universum begann. Wer es sich besser anders vorstellen kann, der kann es sich auch als Fingerschnippen vorstellen. Im Johannesevangelium wird es so beschrieben: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.“ [13] Das war der Anstoß zum Beginn des Universums und für mich ist das nun einmal Gott.
In einer der Predigten war von Tempeln, von Shintoismus, von Uhren die Rede. Uhren sind hier traditionell an Kirchtürmen angebracht und die Stunden wurden mit der Glocke für das Stundengebet angeschlagen. Bei dem Stichwort Shinto dachte ich an den Ise Schrein oder besser Ise-jingū (伊勢神宮), dem zentralen Heiligtum des Shintoismus, der alle 20 Jahre neu gebaut wird [14]; der nächste Bau ist 2033. Wenn ich mir bestimmte Immobilien der Kirche anschaue, dann ist das keine schlechte Idee.
In der Versöhnungskirche feierten wir erneut im Gemeindesaal (und ohne Altargesteck), denn der Brenner ist zwar repariert, aber nun klappt etwas an der Zuleitung der beheizten Luft in die Kirche nicht und dafür ist eine andere Firma zuständig. Der Gemeindesaal jedoch war angenehm temperiert. In Kall war die Atmosphäre ebenfalls angenehm und dazu trug das schön Gesteck in der liturgischen Farbe Weiß bei. Außerdem war der Weihnachtsbaum mit Krippe noch zu sehen.
Inspiriert vom täglichen Blumenstrauß
auf einem Fahrrad von Ai Weiwei (艾未未).
Links und Anmerkungen:
[1] https://kirchenjahr-evangelisch.de/2-sonntag-nach-christfest/
[2] Joh 1,14b
[3] Jesaja und das Kirchenjahr
https://rheumatologe.blogspot.com/2025/01/jesaja-und-das-kirchenjahr.html
[4] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/ISA.61 Jes 61,1–3(4.9)10.11
[5] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/LUK.2 Lk 2,41–52
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Bar_Mitzwa
[7] „Die Abenteuer des Rabbi Jacob (orig. Les Aventures de Rabbi Jacob) ist ein französischer Spielfilm aus dem Jahr 1973.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Abenteuer_des_Rabbi_Jacob
[8] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/1JN.5 1. Joh 5,11–13
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Briefe_des_Johannes
[10] Hans Conzelmann und Andreas Lindemann: Arbeitsbuch zum Neuen Testament. 11. Auflage. Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 1995. ISBN: 3-8252-0052-3 (UTB). S. 377 ff.
[11] Ich kenne die Stringtheorie allenfalls unscharf, wenn überhaupt, aber ich habe gerade begonnen, ein Buch darüber zu lesen. Wem das zu lange dauert, der kann schon man hier lesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Kosmischer_String
[12] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/GEN.1 1. Mose 1,3a
[13] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/JHN.1 Joh 1,1-3
[14] https://de.wikipedia.org/wiki/Ise-jing%C5%AB und https://en.wikipedia.org/wiki/Ise_Shrine
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