Tuesday, April 26, 2022

Allgemein zugängliche Informationen zum Tee vor Zeiten des Internets

 


In der letzten Zeit habe ich häufiger über Tee geschrieben und auch einige Aufreger gefunden, wie zum Beispiel, was in Deutschland früher über Tee geschrieben wurde [1]. Nun interessierte mich, was man vor Zeiten des Internets wissen konnte. Gut, daß ich diese Bücher noch besitze.

Zunächst schaue ich einmal in das Duden-Lexikon [2]. Dort finde ich den Eintrag „Teestrauch“, auf den von Tee hin verwiesen wird, mit 27 Zeilen zu ca. fünf Wörtern pro Zeile und einem Bildchen „Teestrauch. Zweig mit Blüten“. Ich erfahre z.B., daß die Blätter „flücht. Öle“ enthalten und nach dem Welken zum Gären gebracht werden. Und daß man in China Tee „von alters her“ als Genußmittel getrunken hat. Gut, ich weiß auch nicht, was ich für einen Schmonzes bei so wenig Text geschrieben hätte.

Ich habe dann ein Bildungs-Lexikon in sechs Bänden zu Rate gezogen [3]. Der Artikel beginnt „Abwarten – Tee trinken! Empfiehlt eine bekannte Redensart. Sicher meint sie den schwarzen Tee ...“ Das ist ein schlechter Anfang, da die Redewendung eher auf Kräutertee und das Abwarten des Kranken bis auf die einsetzende Wirkung zurückgeht. Die Redewendung ist auch älter als die Gewohnheit, Schwarztee zu trinken. Der Artikel ist für Laien geschrieben, aber für solche, die sich der eigenen Bildung verpflichtet fühlen, so daß die Angaben schon fundiert sein sollten. „Heimat des schwarzen Tees ist China.“ Ja, aber China hat immer viel mehr Grüntee als Schwarztee hergestellt. Später heißt es dann: „Der grüne oder chinesische T. ist nicht fermentiert, sondern im eigenen Saft gedämpft.“ Nur nebenbei: die Regel, das Stichwort abzukürzen, sollte man durchbrechen, wenn es nur einen Buchstaben mehr aufweist als die Abkürzung (Aküfi). Man wußte schon damals, wie es zu den Unterschieden von Schwarz- und Grüntee oder auch Oolong-Tees kommt. Die Oxidation des Tees nach der Ernte wird verschieden stark unterdrückt beziehungsweise bewußt zugelassen.
Aus demselben Verlag gibt es noch ein Buch zu Pflanzen [4]. Hier stehen dann die korrekten Angaben, z.B.: „Aus den gepflückten Blättern wird bei der Aufbereitung entweder grüner oder schwarzer Tee hergestellt.“ Das ist vereinfacht richtig, allerdings auch nur ein Teil der Wahrheit.

Aber vielleicht hätte ich nur ein anderes Lexikon haben müssen?! Ich habe 2005 eine Version der Encycopædia Britannica erworben [5]. Da hätte ich eine größere Menge und auch schneller zugängliche Daten zur Verfügung gehabt. Allerdings ist dieses Werk auch über 30 Jahre jünger. Einschränkend ist das jüngste Werk in der Bibliografie von 1976. Die wichtigste Quelle scheint aber das Werk von Ukers aus dem Jahr 1935 gewesen zu sein [6].

Ich hatte dann aber noch ein Werk aus den 1980iger Jahren [7] im Regal, das auf eine Ausstellung im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln zurückgeht [8]. Es war dies die erste Sonderausstellung, die im Wikipedia-Artikel erwähnt wird. Ich hatte einige Seminare und Übungen in der Ethnologie bei Prof. Friedrich Wilhelm Funke, einem der früheren Direktoren dieses Museums und eine Übung bei Dr. Waldemar Stöhr, der damals im Rautenstrauch-Joest-Museum arbeitete und besonders über Melanesien und Indonesien gearbeitet hatte. Die Einführung zur „Einführung des Tees in Europa“ führt folgenden Satz: „Der folgende Aufsatz ist im wesentlichen eine ausgewählte Zusammenfassung seiner dreibändigen Enzyklopädie des Tees (Ukers 1935).“ Das führt bei mir zu Verwirrung [9], denn  das Werk von Ukers hat nur zwei Bände, siehe [6]. Was mag er gelesen haben? Zu Marco Polo schreibt Gilbert, daß er in seinem Reisebericht Tee nicht erwähnt hat (richtig), aber „zweifellos seinen Gebrauch beobachtet hat“ (wieso denn das?) und ihn „wahrscheinlich auch getrunken hat“ (reine Spekulation). Marco Polo ist mehr an Orten und Gebäuden  interessiert, selten schreibt er über Pflanzen wie etwa über Rhabarber und Ingwer im 75. Kapitel [10]. Als erste Erwähnung des Tees in Europa übernimmt Gilbert die Aussage von Ukers [11], daß dies Giambattista Ramusio gewesen sei. Als Stand der Wissenschaft für 1981 hätte ich mehr erwartet.

Zusammenfassend stelle ich fest, daß wir uns vor dem Internet mit viel zu wenig Information zufrieden gegeben haben. Ich bin der festen Überzeugung, daß es noch viel zu entdecken gibt.


Links und  Anmerkungen:
[1] https://rheumatologe.blogspot.com/2021/09/lu-yu-und-deutsche-teebucher-der.html und auch https://rheumatologe.blogspot.com/2021/09/teerezepte-in-teebuchern.html
[2] Das Neue Duden Lexikon in 10 Bänden. Bibliographisches Institut / Dudenverlag, Mannheim 1984. ISBN 10: 3411024003. [Rund 100.000 Stichwörter, über 12.500 meist farbige Abbilldungen]. Band 9, S. 3746 und 3747.
[3] Das Wissen des 20. Jahrhunderts Band 5. Verlag für Wissen und Bildung, 1968. ISBN: gab es noch nicht. Spalte 1035-1040 (zwei Spalten sind allerdings mit Bildern zum Stichwort Tauchen vergeben und es sind noch Bilder zum Tee vorhanden: japanische Teepflückerinnen und eine Teepflanze mit Blüten und dem verstörenden Untertitel "Der schwarze Tee ist der nächste Verwandte der Kamelie", so daß nur 2 1/2 Spalten übrig bleiben).
[4] Das grosse illustrierte Pflanzenbuch.  Herausgegeben in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Walter Baumeister, Dr. Helga Menzel-Tettenborn und zahlreichen andereren Wissenschaftler. Verlag für Wissen und Bildung, Rheda, 1967. Spalte 320.
[5] 1994-2001 Encyclopædia Britannica.
[6] William H. Ukers, All About Tea, 2 vol. (1935) – zitiert nach [5]. Ich habe dieses Buch in den 1970iger Jahren einmal über die Fernleihe der UB Köln ausgeliehen. Dieses Werk wird aktuell für etwa 1000-3000 € angeboten: https://www.abebooks.de/erstausgabe/tea-2-volumes-Ukers-William-H/30366215923/bd oder https://www.abebooks.de/signiert/Tea-SIGNED-Ukers-William-H-Coffee/30335435605/bd oder . Man kann es aber auch preiswerter erwerben. Und mittlerweile ist es digitalisiert einsehbar: https://www.univie.ac.at/Geschichte/China-Bibliographie/blog/2018/03/22/ukers-all-about-tea/
[7] Gisela Völger und Karin von Welck (Herausgeber), René König (Vorwort): Rausch und Realität - Drogen im Kulturvergleich. 3 Bände. rororo katalog / Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1982.ISBN-10: 3499340062. Darin Band 2: Richard Gilbert: (48) Einführung des Tees in Europa. S. 662-667.
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Rautenstrauch-Joest-Museum
[9] In G. Völger und K. von Welck a.a.O., Bd. 3, S. 1476 werden 5 Werke aufgeführt: Crole, D. (1896), R.M. Gilbert (1981) [Caffeine: overview and anthology], L. Lewin (1931) [ich habe den Nachdruck der deutschen Ausgabe von 1927 vorliegen – der Abschnitt zum Tee beginnt mit der Legende von Bodhidarma], Ukers wird zitiert als “Ukers, W.H. (1935): All about tea. New York”, United Nations Statistical Yearbook (1978).
[10] https://www.gutenberg.org/files/12410/12410-h/12410-h.htm#CHAPTER_LXXV1 “In the mountains belonging to this city, rhubarb and ginger grow in great abundance; ...”
[11] https://archive.org/details/AllAboutTeaV1/page/23/mode/2up Ich kenne ihn aber nur als Giovanni Battista Ramusio.  

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