Die Kirche St. Chrysanthus und Daria, auch Stiftskirche genannt, hatte wie die ganze Stadtmitte von Bad Münstereifel gelitten [1], denn hier führt die Erft durch. Man kann an der Eingangstür ungefähr sehen, wie hoch das Wasser stand. Das Foto oben von St. Chrysanthus und Daria ist ca. sechs Jahre alt; ich habe es ausgesucht, nicht weil die Kirche von außen heute wesentlich anders aussähe, sondern weil damals keine Autos davor geparkt hatten.
Das Hauptproblem besteht in der Heizungsanlage, die wie bei den meisten Kirchen unten ist. Es handelt sich um eine Warmluftheizung. Diese Form der Heizung ist sinnvoll, da warme Luft nach oben steigt und so auch die gesamte Kirche mit warmer Luft durchlüftet wird. Wichtig ist dies für die Orgel, damit Teile aus Leder oder anderen organischen Materialien nicht verschimmeln. Ich hatte extra nachgeschaut [2]; frühe Formen dieser Heizungsart finden sich bereits vor über 1000 Jahren. Der Wikipedia-Artikel listet u.a. folgende Vorteile: „Schnelle Aufheizzeit, Zumischen von Frischluft möglich, Umluft kann gefiltert werden“. Bei den Nachteilen findet sich „die relative Luftfeuchtigkeit kann stark sinken“ - darin sehe ich allerdings bei der Beheizung von Kirchen einen Vorteil. Aber es fehlt der Nachteil, daß bei Überschwemmung das Heizungssystem mit Wasser vollläuft, also absäuft. Und das ist bei St. Chrysanthus und Daria auch geschehen.
Die ehemalige Stiftskirche St. Chrysanthus und Daria ist eine gut erhaltene romanische Basilika [3]. In der Regierungszeit von Lothar I. (795-855) [4] wurde von Prüm aus das Kloster in Bad Münstereifel gegründet, wohin Jahr 844 die Reliquien des römischen Märtyrerpaars Chrysanthus und Daria kamen. Die heutige Basilika stammt aus dem 11. Jahrhundert, mußte allerdings im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts erheblich restauriert werden.
Noch ein kurzer Exkurs zu den Märtyrern St. Chrysanthus und Daria: Chrysanthus bekehrte und heiratete die Vestalin Daria [5]. Der Legende nach wurde er gefoltert und sie in ein Bordell gezwungen (das allerdings ist unwahrscheinlich), schließlich sollen beide lebendig begraben worden sein. Sie starben am 25. Oktober, wobei man sich jedoch beim Jahr nicht sicher ist: 283 oder 284.
Die Fenster sind von Franz Pauli gestaltet worden. Leider war vor einigen Jahren meine Hauptkamera defekt, so daß ich keine passablen Bilder habe, aber dafür kann man sich die Bilder bei der Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jh. e.V. ansehen [6]. Neben Ornamenten sind interessante wissenschaftliche Abbildungen zu sehen, im Kern sind das elektronenmikroskopische Darstellungen, z.B. Eisennitrid Fe4N in 120.000facher Vergrößerung. Franz Pauli wurde 1927 geboren und starb 1970 in Köln [7]. Der Wikipedia-Artikel berichtet über ein „umfangreiches, vielgestaltiges Werk“ mit Öl-Lackbildern, Druckgrafiken, Siebdrucken, dreidimensionalen Objekte und weiteren. Die Forschungsstelle hat über 100 Kirchen mit Glasmalereien von Franz Pauli aufgelistet. Der Wikipedia-Artikel hat wahrscheinlich noch mehr gelistet, auch im Ausland und in Profan-Bauten; hier müßte man viel Zeit zum Vergleichen investieren. Auf jeden Fall lohnt sich der Besuch der Stiftskirche St. Chrysanthus und Daria.
Ich hatte diesmal nur einen kurzen Blick in die Kirche hinein werfen können, denn Georg Wessel wird in der Kirche unter dem Titel „Bam! ... danach“ Fotografien ausstellen [8]; er begann gerade mit den Arbieten dazu. Er hat Zerstörungen und Einsatz der Helferinnen und Helfer unmittelbar in den ersten Tagen nach der Katastrophe festgehalten. „Mein Sohn lebt in der Schoßpforte und ich hatte Todesangst um ihn“, sagte Wessel zu Thomas Schmitz, der noch mehr Einzelheiten im Kölner Stadt-Anzeiger zu berichten weiß [9]. Die Fotografien sind vom 04.07.2022, 16:00 Uhr, bis zum 17.07.2022 in der Stiftskirche zu besichtigen.
Für mich hat Bam noch eine ganz andere Bedeutung. Ich habe 2004 und 2018 den Iran besucht. 2004 mußte ich auf den Besuch verzichten, denn die Stadt Bam [10] war von einem Erdbeben zerstört worden. Schätzungsweise 40.000 Tote und 30.000 Verletzte. Insbesondere hatte die aus Lehmziegeln bestehenden Zitadelle Arg-é Bam [11], die nach dem Erdbeben zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde, sehr gelitten, wurde aber schon zu großen Teilen wiederaufgebaut, wie ich 2018 sehen konnte. Man nimmt an, daß sie im 6.-4. Jahrhundert v. Chr. gegründet wurde.
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Bam - erneut, originalgetreu, neu
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Links und Anmerkungen:
[1] Hier mehr zu Bad Münstereifel, fast ein Jahr nach der Flut: https://rheumatologe.blogspot.com/2022/06/bad-munstereifel-fast-ein-jahr-nach-der.html. Übrigens öffnen die Geschäfte des City-Outlets wieder ab heute (30.06.2022), siehe dazu auch den WochenSpiegel (Schleiden): https://wi-paper.de/show/4b06a98dd83e/epaper S. 1
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Warmluftheizung
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/St._Chrysanthus_und_Daria_(Bad_M%C3%BCnstereifel)
[4] Das Grab liegt in der Abtei Prüm. Ich bin übrigens nicht nach Lothar I. benannt, sondern nach meinen beiden Onkeln, die selbst nach Manfred und Lothar von Richthofen ihre Namen bekommen hatten.
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Chrysanthus_und_Daria
[6] http://www.glasmalerei-ev.de/pages/b5413/b5413.shtml
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Pauli
[8] https://www.bad-muenstereifel.de/fileadmin/user_upload/aktuelles/Folder_Fest_Jahrestag_Flutkatastrophe.pdf
[9] https://www.ksta.de/region/euskirchen-eifel/bad-muenstereifel/gedenk--und-dankesfeier-bad-muenstereifel-stellt-plaene-fuer-jahrestag-der-flut-vor-39718052?cb=1656436481640&
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Bam_(Iran)
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