Monday, February 19, 2024

Sammelsurium (248) 19.02.2024



In Berlin
Sich in der Ohnmacht suhlen. Jedes Mal wenn ich damals in Berlin war, bin ich in die Eisenacher Straße gegangen und hätte einen Kranz niedergelegt an der Stelle, wo Georg von Rauch [1] erschossen worden war, ging dann aber in den Rote-Hand-Laden, um in der anarchischen Literatur zu schmökern. Dort, wo ich Christian Klar [2] begegnet bin. Aber ich war nicht für den Untergrund bestimmt, nicht für die RAF, nicht für die Bewegung 2. Juni und auch nicht für die Hare Krishnas. Ich ging dann weiter in die Motzstraße in ein Antiquariat und deckte mich mit bourgeoiser Literatur ein.

Das Leben währt kurz, lang ist der Tod
Warum leben wir so kurz und sind so lange tot? Weil wir dann über unser Leben nachdenken und uns Alternativen ausdenken können. Was wäre, wenn dies oder jenes gesagt, geschehen, gemacht worden wäre?

Ovids Metamorphosen
Wann habe ich mich zuletzt um die Metamorphosen Ovids [3] gekümmert? Vor Jahrzehnten? Seit Tagen spuken sie um mich herum, jetzt auch in einem Buch von Cees Nooteboom [4].

Finnegans Wake

Ich wollte mich wieder einmal Finnegans Wake von James Joyce nähern. Dafür nahm ich Dieter H. Stündels Übersetzung/Übertragung [5] in die Hand, die ich vor Jahren aus der Hand gelegt hatte. Dieter H. Stündel ist mir seit seinem Register zu Arno Schmidts Zettel's Traum [6] ein Begriff. Nur blätterte ich ein wenig vor und zurück. S. 143: da übersetzt er „his gouty hands“ mit „seine ziegischen Hände“. Gout ist nicht goat und gouty hands sind gichtige Hände, da gout Gicht bedeutet [7]. Etwas mit Zipperlein hätte ich noch apart gefunden. Oder auf S. 94: da übersetzt er „hearse on fire“ mit „LeichenWagen beim Feuer“, es handelt sich aber um einen brennenden Leichenwagen. Da habe ich das Buch wieder aus der Hand gelegt.

Nichts
Solange das Nichts nichtet, braucht es sich nicht immer wieder neu zu erfinden.

EinBlicke
Wenn du lange genug in die Ebene blickst, wirst du Wellen, Hügel, EinSchnitte erKennen. Und Häuser und Straßen, hierZulande jedenFalls.

600 LichtJahre
Ein erdÄhnlicher Planet wurde in 600 LJ Entfernung entdeckt. Ist machbar, wenn man eine Maschine baut, die einige Millionen Jahre überdauern kann, um dann DNA zu produzieren, die den Planeten erobert, sich untertan macht, um nochmals in einer fernen Zukunft alle Fehler der Menschheit wiederholen zu können.

Von einem anderen Planeten
Es gab einige Jahre, da trugen die Frauen in ihren HandTaschen zusammenFaltbare KopfTücher aus durchSichtigem Plastik oder Nylon,  jedenFalls wasserDicht, die sie bei Regen über die Frisur, die DauerWelle  zogen. Ich habe sie später nie wieder gesehen – also die zusammenFaltbaren KopfTücher.

NeuSeeland, schon länger her
Ich las gerade ein Gedicht von Christian Lehnert, in dem heißt es: „[...,] die Steine / im Rucksack: Was bedeuten sie hier?“ [8] Es war in Neuseeland am Fox Glacier Anfang der 1990iger Jahre, damals konnte man noch Steine sammeln und sie mitnehmen. Eine Mitwanderin: „My rucksack is already full of stones!“ „Oh, then you have a rocksack!“ war meine Antwort und ein Mitwanderer blickte auf.  

Rosen
Warum nur haben die Geschlechter der größten Schlächter Rosen im Wappen?

Gut einGepackt
Unsere Skelette haben wir gut einGepackt, da kommt so schnell niemand ran -: und nach der FastenZeit?

Flucht
Flieht, solange ihr noch nicht in Ketten liegt -: aber wohin denn?

Backen
Ich habe die Zukunft gemahlen, gesiebt und den Sand durch ein StundenGlaß fallen lassen, dann knetete ich einen Teig und ließ ihn aufGehen. Nun backe ich den Tag im Ofen. Ich, der ich nichts gebacken bekomme.

Egal
Dem Wasser ist es egal, welche JahresZeit es ist, wenn es nur eiskalt aus den Bergen fließen kann,
    rollend und seufzend,
        springend und rülpsend.
Wenn man es fließen läßt, so wie es will.

Ein verlassener Abend
Die verlassene Straße nahm den melancholischen Regen auf, der langsam,  aber beständig fiel. Gelb schienen die Laternen auf den nassen BasaltStein. Ich achtete nicht auf die Schritte einer Frau, die sich erschrak, als ich aus dem Dunkel eines HausEingangs schritt. Im trüben Licht einer Laterne sah ich dennoch den Schrecken auf ihrem Gesicht. Da wandte sie sich ab und lief weiter – unsicher, aber schnell entfernten sich die Laute ihrer Absätze. Ich aber ging in die Richtung aus der sie gekommen war. Schon rann das RegenWasser in meine Schuhe und den HosenSchlag. Nun beeilte auch ich mich. Ich ließ die düstere Stimmung der Nacht mit dem Regen an meinem Mantel abtropfen. Da war auch schon der Eingang zu einer SchankWirtschaft. Die Tür knarrte beim Öffnen und der Wirt blickte auf, während die drei oder vier Gäste an den Tischen dumpf weiterBrüteten über ihrem Bier. Der Rauch ihrer billigen Zigaretten lag wie Nebel über den groben Tischen. Wer würde nach mir erscheinen? Eine Prostituierte, ein SchankMädchen, die RosenFrau oder die Frau, die sich so erschreckt hatte?

Scherben
„Banalitis banalitatis“ - Balanitis banalitatis (oder auch nicht)
SternSchnuppen, die auf SteinSchuppen fallen
Nicht der „hypokratische“ Eid, sondern der hippokratische Eid, auch wenn es nach happy hippo klingt.



Links und Anmerkungen:
[1] Georg von Rauch (1947-1971) war ein deutscher Anarchist.
Er wurde auf der Flucht in der Eisenacher Straße „von Zivilfahndern gestellt und von einem Polizeibeamten bei einem Schusswechsel tödlich in den Kopf getroffen“. https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_von_Rauch_(Anarchist)  Das hatte man in der linken Szene anders gesehen. Da war von einer Hinrichtung die Rede. Interessant zu der Zeit ist das Buch von Michael „Bommi“ Baumann, hier der Link zur PDF-Datei:  https://linksunten.mirrors.autistici.org/system/files/data/2016/07/4202334515.pdf „Da fingen so verschiedene kleine Aktionen an, hier is mal ein Molli reingeflogen, und da mal schon was passiert, also da sind doch schon mehrere Leute gewesen, die die Idee aufgegriffen hatten.“
[2] Christian Klar (geb. 1952) „ist ein ehemaliger deutscher Terrorist, der bei der Roten Armee Fraktion (RAF) aktiv war.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Klar
[3] Paulus und Barnabas in Lystra [3a] -: „Ich fand aber in meiner Bibliothek eine Ovid-Ausgabe auf Latein (für den Schulgebrauch), die wir aber in der Schule nicht benutzt hatten [3b]. Ich war völlig überrascht, den Band zu besitzen. Dort wird neben dem bereits erwähnten Text auch die Verwandlung lykischer Bauer in Frösche beschrieben.“
[3a] https://rheumatologe.blogspot.com/2024/02/paulus-und-barnabas-in-lystra.html
[3b] Ovidius: Auswahl aus den Metamorphosen, Fasten und Tristien. Herausgegeben von Dr. Ernst Bernert. Ferdinand Schöningh, Paderborn o.J. ISBN: 3-506-10704-6.  
[4] Cees Nooteboom: Die folgende Geschichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1991. ISBN: 9783518403969. S. 19.
[5] Dieter H. Stündel: Finnegans Wehg. Kainnäh ÜbelSätzZung des Wehrkeß fun Schämes Scheuß [James Joyce]. Zweitausendeins, Frankfurt/M. 2002. ISBN: 9783861500643.
[6] Dieter H. Stündel: Register zu Zettels Traum: eine Annäherung. edition text + kritik, München 1974. Hatte ich damals in der Universitätsbibliothel eingesehen, war mir als Student zu teuer.
[7] A New Venture into the World of Gout – mit einem Bild vom Gout Creek https://rheumatologe.blogspot.com/2014/02/a-new-venture-into-world-of-gout.html  
[8] Christoph Buchwald, Jan Wagner (Hrsg.): Jahrbuch der Lyrik 2013. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2013, ISBN 978-3-421-04573-7. S. 194.

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