Friday, August 2, 2013

Blaues LED-Licht gegen Rückenschmerzen


ORTHOpress 3/2013 veröffentlicht eine Testaktion zu einem „innovativen Behandlungsgerät gegen Rückenschmerzen“. Blaues LED-Licht bei chronisch-muskulären Rückenschmerzen (hier schon die erste Einschränkung) zur Therapie beitragen können (das kann alles und nichts bedeuten). Das Gerät soll körpereigene natürliche Prozesse zur Schmerzlinderung anregen. Nun werden wir noch informiert, dass dieses Medizingerät das CE-Zeichen trägt.
In einer Testaktion können Leser das Gerät vier Wochen testen. Was steckt dahinter? Das ist eine Werbekampagne. Die Hersteller solcher Produkte können mit einem hohen Anteil eines Placebo-Effektes über die Wirkung bei muskulären Rückenschmerzen hinaus in den ersten Wochen rechnen. Dann wird das Produkt gekauft und später wundert man sich, dass die Wirkung ausbleibt. Das ist übrigens bei vielen Medikamenten, die gegen chronische Schmerzen eingesetzt werden, auch der Fall. 
Auf der Internet Seite von Philips BlueTouch erfahren wir, dass für "Patienten mit milden bis moderaten chronischen muskulären Rückenschmerzen eine völlig neuartige Therapieoption zur Verfügung" steht: das Philips BlueTouch. Mit einem Rückenband wird blaues LED-Licht zur Anregung natürlicher Schmerzlinderungsprozesse eingesetzt. Außerdem soll es zu wohltuender Wärme kommen. Das Philipps BlueTouch wird in Deutschland für 279,99 Euro (UVP) in ausgewählten Apotheken angeboten. Der Hersteller bewirbt sein Produkt mit u.a. den folgenden Aussagen: "natürliche Schmerzlinderung, Anregung von Selbstheilungsprozessen", weiteren. Auf der Internet Seite von Philips BlueTouch gibt es eine Rubrik für "Ärzte & Fachpresse": "Medizinische Fachgruppen und Fachjournalisten finden hier weiterführende wissenschaftliche Informationen und Studien zur Wirkung von blauem Licht und Stickstoffmonoxid". Da allerdings ist nichts hinterlegt!
In der Zeitschrift "Angewandte Schmerztherapie und Palliativtherapie" wird eine Studie zitiert, die auf das "Lunch-Symposium „Blaues LED-Licht in der Rückenschmerztherapie“ im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses, 18.10.2012, Mannheim; Veranstalter: Philips Light & Health Venture", zurückgeht. Ich habe Probleme mit Studien, die sich nicht in der größten Datenband der Medizin, PubMed, finden, und zudem auf einem Satelliten-Symposium vorgestellt wurden. Wir erfahren: "Bei Bestrahlung mit blauem LED-Licht kommt es zur nicht-enzymatischen Freisetzung von NO auch in tieferen Hautschichten." Der Artikel über die Studie spricht von "klinischen Untersuchungen, darunter eine prospektive, randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde Multizenterstudie mit 171 Probanden". Die Studie ist unter Leitung des Uniklinikums Heidelberg in Zusammenarbeit mit der Universität Mannheim durchgeführt worden, wie mir die Universität Heidelberg bestätigt hat (telefonisch nach Email-Anschreiben von mir). Die zitierte Studie soll allerdings nach der Zeitschrift "Angewandte Schmerztherapie und Palliativtherapie" noch "detailliert ausgewertet" werden und: "die Ergebnisse werden für Anfang 2013 erwartet". Diese Studie ist aber im August 2013 nicht zu finden! Vielleicht verzögert es sich, da über diese Studie die Zulassungsbehörde in den USA (FDA) das Produkt zulassen soll. Prof. Hubert J. Bardenheuer wird zitiert: „Diese Studie hat den primären Endpunkt Wirksamkeit sowie den sekundären Endpunkt Sicherheit erreicht.“ Diese Studie fand sich in PubMed jedoch nicht. Die letzte Studie von H.J. Bardenheuer beschäftigt sich mit einem ganz anderen Thema: „Predictors of survival in sepsis: what is the best inflammatory marker to measure?“
Die Studie, so weit sie zugänglich war, sagt nichts aus über den Stellenwert der Therapie. Ist das blaue Licht besser als etwa Rotlicht? Wie viel Stickstoffmonoxid (NO) wird freigesetzt? Wie ist das gemessen worden? In der Zeitschrift "Angewandte Schmerztherapie und Palliativtherapie" wird im Artikel über das Lunch-Symposium PD Dr. Ch. V. Suschek erwähnt. Er hat über die Vermeidung von Schäden, die durch UV-Licht entstehen, gearbeitet; dabei fand die Rolle von Antioxidantien und Stickstoffoxiden, die man z.B. auf die Haut aufträgt, besondere Berücksichtigung.

ORTHOpress 3/2013 spricht von einem „innovativen Behandlungsgerät gegen Rückenschmerzen“. Der Hersteller spricht von chronischen muskulären Rückenschmerzen. Daher ist es sinnvoll, abzuklären, welche Art von Rückenschmerzen man hat, bevor man sich ein Gerät für 279,99 Euro zulegt. Und ich würde auf jeden Fall die Studie abwarten, die der FDA vorgelegt werden soll.

09.10.2013:
Da ich gerade zum Thema angerufen worden bin. Die Studie von Prof. Bardenheuer ist auch heuer nicht in PubMed zu finden. 


1 comment:

  1. Danke für die Recherche dazu - das spart mir die weitere Suche (mich hatte eine Kundin darauf angesprochen) nach dieser ominös angekündigten, aber für mich nicht auffindbaren Studie!

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