Wednesday, March 27, 2024

WIN [1] Curcuma


Was ist Curcuma? Zunächst ein Gewürz, das meist in Curry verwendet wird.  Curcumin ist der orange bis gelbe Farbstoff, der im indischen Gelbwurz vorkommt. Curcuma (auch Kurkuma im Deutschen), Gelbwurz oder Turmeric kann man sich im Lebensmittelhandel besorgen; dummerweise ist der Name Gelbwurz doppelt vergeben, es gibt noch ein Hahnenfußgewächs, das aber mit dem indischen Gelbwurz nichts zu tun hat. Gelbwurz weist auf das Rhizom hin. Gelbwurz gehört zur Familie der Ingwergewächse. Curcuma wurde in Deutschland lange Zeit fast ausschließlich als Pulver verkauft, ist aber mittlerweile auch in Supermärkten wie Ingwer frisch erhältlich.

Über Curcuma habe ich schon mehrfach berichtet [2] und jetzt kam eine alarmierende Nachricht, so daß ich mich entschlossen habe, nochmals etwas zu Curcuma zusammenzustellen und mich erneut zur Lage der wissenschaftlichen Studien zu informieren.

Curcumin ist ein Polyphenol, das entzündungshemmende Wirkungen durch Herabregulation von entzündlichen Transkriptionsfaktoren (wie NF-kappa B), Enzymen (wie Cyclo- und Lipoxygenasen) und Zytokinen (wie Tumornekrosefaktor, Interleukin 1 und Interleukin 6) vermittelt. Zusammenfassend hat Curcumin in-vitro („im Reagenzglas“) krebshemmende, antioxidative und entzündungshemmende Wirkungen gezeigt und ist dmit interessant für die Humanmedizin. Ein wesentliches Problem besteht allerdings  in der geringen Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt [3]. Anscheinend kann man aber doch die Aufnahme steigern (z.B. durch Piperin). Aber ich schrieb bereits vor 6-7 Jahren: „Curcuma ist in der indischen Kultur etabliert, und in Anwendungen als Gewürz und ayurvedisches Heilmittel kann man von Sicherheit ausgehen. Kann man das aber auch für die verbesserte Bioverfügbarkeit sagen? Kann man ausschließen, dass Nanopartikel aus Curcumin sich in Zellen anhäufen? Ich weiß das nicht. Aber diese Bedenken sollten durch wissenschaftliche Untersuchungen zerstreut werden, bevor man Curcumin als Medikament einsetzt.“

Nun wird aber bereits Curcumin als Nahrungsergänzungsmittel gegen Schmerzen eingesetzt. Der Artikel, der mir vorgelegt wurde, berichtet über eine 36jährige Frau, die wegen Kniegelenkschmerzen sechs Monate lang 2g Curcumin (zulässige Menge) täglich eingenommen hatte [4]. Sie stellte sich in der Klinik vor und zeigte das Bild einer hepatozellulären Schädigung mit Gelbsucht (Ikterus); die Laborwerte waren so hoch, wie man sie bei einer akuten Hepatitis findet. Die sogenannten Transaminasen (Laborwerte) lagen sechs Wochen nach Absetzen von Curcumin wieder im Normbereich. Das Bilirubin lag aber noch über sechs Monate lang über der Norm.

Ich forschte dann weiter und fand den Artikel einer italienischen Gruppe, die sieben Erkrankungen in der Toskana beobachtet hatten [5]. Für mich erschreckend war besonders der Fall einer 61jährigen Frau, die lediglich zwei Wochen lang 250mg eingenommen hatte. Ihre Laborwerte sahen genauso katastrophal aus.
In der Übersichtsarbeit von Zrinka Djukić Koroljević und Kollegen [6] heißt es: „Die am besten untersuchten Tagesdosen für die Curcumin-Einnahme liegen bei 1000–2000 mg/Tag, was auch den Dosen entspricht, die die meisten Autoren empfehlen. Weitere Forschung ist erforderlich, um die präventive Rolle von Curcumin bei der Pathogenese von Arthrose, die Auswirkungen der Langzeitanwendung von Curcumin zu präventiven Zwecken und zur Behandlung von Arthrose zu bestimmen sowie optimale therapeutische Dosierungen zu bestimmen.“ Mir fehlt dabei der Hinweis auf Studiendesigns, die auch die Sicherheit im Auge behalten.

Im Jahr 2022 veröffentlichten Liuteng Zeng und Kollegen eine Metaanalyse [7], die zu dem Ergebnis kam: „Curcumin und Curcuma longa-Extrakt können die Symptome und das Entzündungsniveau bei Menschen mit Arthritis verbessern. Aufgrund der geringen Qualität und geringen Anzahl der RCTs müssen die Schlussfolgerungen jedoch sorgfältig interpretiert werden.“ Einschränkend muss gesagt werden, daß die Autoren Studien zu sehr heterogenen Erkrankungen in die Analyse einbezogen haben, nämlich: Ankylosierende Spondylitis (AS), rheumatoide Arthritis (RA), Osteoarthritis (OA) [Polyarthrose], juvenile idiopathische Arthritis (JIA) und Gicht/Hyperurikämie. Und auch hier fehlt die Sicherheitsanalyse.

Ich halte Curcuma weiterhin für ein Supergewürz, auf das Sie nicht verzichten sollten. Mischen Sie Ihr eigenes Curry (das macht die indische Hausfrau sowieso). Bei gleichzeitigem Gebrauch von schwarzem Pfeffer könnte sich die Aufnahme verbessern. Ich esse fast täglich ein Currygericht. Aber als Medikament sollten Sie es nicht ansehen. Und bis Studien zur Sicherheit vorliegen, sollten Sie die frei verkäuflichen Präparate meiden, denn der Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels haftet nicht nach dem Arzneimittelgesetz.


Links und Anmerkungen:
[1] WIN bedeutet „What is new“ und wird gerne bei Kongressen benutzt, um die Vortragsreihen zu kennzeichnen, bei denen neue Entwicklungen gezeigt werden. Hier will ich unter WIN Themen aufgreifen, die ich früher einmal bearbeitet hatte und nun auf neue Erkenntnisse hin untersuchen möchte.
[2] http://rheumatologe.blogspot.com/2017/02/superfood-curcuma.html und http://rheumatologe.blogspot.com/2017/05/curcuma-als-medikament.html  
[3] In einer Bachelorarbeit schreibt Sunita Chhatwal [3a]: „Als allererstes fällt auf, dass durch die Einnahme von dem Gewürz Curcuma, in dem nur 2–5% Curcumin enthalten ist, keine medizinischen Heilwirkungen erzielt werden können. Die geringe Konzentration verbunden mit der niedrigen Bioverfügbarkeit wird keinen Effekt auf den Körper ausüben. Laien, die in Zeitschriften auf die Wirksamkeit von Curcuma aufmerksam gemacht und durch den täglichen Verzehr in den Glauben versetzt werden, etwas Gutes für ihre Gesundheit getan zu haben, werden getäuscht.“ Zitiert aus [3b].
[3a] http://edoc.sub.uni-hamburg.de/haw/volltexte/2015/2852/pdf/Sunita_Chhatwal_BA.pdf ist leider nicht mehr aufrufbar.
[3b] https://rheumatologe.blogspot.com/2018/11/dph-weihrauch-spezial-3000.html
[4] Nadia Smati, Crystal Xue, Manasa Vallabhaneni, et al. A Case of Turmeric-Induced Liver Injury. AIM Clinical Cases.2023;2:e230090. [Epub 21 November 2023]. https://doi.org/10.7326/aimcc.2023.0090   
[5] Lombardi N, Crescioli G, Maggini V, et al. Acute liver injury following turmeric use in Tuscany: An analysis of the Italian Phytovigilance database and systematic review of case reports. Br J Clin Pharmacol. 2021; 87: 741–753. https://doi.org/10.1111/bcp.14460  
[6] Originatext: „The most researched daily doses of curcumin intake are 1000-2000 mg/day, which would also be the doses that most of the authors recommend. Further research is needed to determine the preventive role of curcumin in the pathogenesis of OA, the effects of long-term usage of curcumin in preventive purposes and treatment of osteoarthritis, as well as to determine optimal therapeutic dosages.“
Koroljević ZD, Jordan K, Ivković J, Bender DV, Perić P. Curcuma as an anti-inflammatory component in treating osteoarthritis. Rheumatol Int. 2023 Apr;43(4):589-616. doi: 10.1007/s00296-022-05244-8. Epub 2022 Nov 17. PMID: 36394597. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36394597/
[7] Original: „Curcumin and Curcuma longa Extract may improve symptoms and inflammation levels in people with arthritis. However, due to the low quality and small quantity of RCTs, the conclusions need to be interpreted carefully.“
Zeng L, Yang T, Yang K, Yu G, Li J, Xiang W, Chen H. Efficacy and Safety of Curcumin and Curcuma longa Extract in the Treatment of Arthritis: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trial. Front Immunol. 2022 Jul 22;13:891822. doi: 10.3389/fimmu.2022.891822. PMID: 35935936; PMCID: PMC9353077.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35935936/  


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