Sunday, September 15, 2024

Altargesteck für den 14./15.09.2024 16. Sonntag nach Trinitatis


Der heutige Sonntag ist der 16. Sonntag nach dem Trinitatis-Fest [1]. Dieser Sonntag kommt mit weniger Profil als andere Sonntage der Trinitatiszeit, aber es geht immerhin um den Sieg über die Macht des Todes. Der Wochenspruch lautet: „Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.“ [2] Im Evangelium wird die Geschichte von der Auferweckung des Lazarus erzählt. Mit „Lazarus, komm heraus“ wird dem Tod kämpferisch entgegen getreten.

„Die Auferweckung des Lazarus“ steht im Johannesevangelium und sie ist einer der längsten Lesungstexte [3], weshalb ich das selbstständige Lesen anregen möchte. Lazarus ist der Bruder von Maria und Martha aus Bethanien. Wir kennen Maria und Martha bereits aus der Geschichte mit dem Salböl. Als Lazarus erkrankt ist, fragt man Jesus, ob er nicht nach Bethanien kommen könne, da er ih doch lieb hat. Aber Jesus bleibt noch in Jerusalem. Trödelt Jesus nun herum? Nein, das sei ferne! Denn er verzögert wissentlich den Aufbruch; fast hätte ich jetzt Abreise gesagt. Bethanien liegt nur etwa drei Kilometer entfernt. Als er dann nach Bethanien geht, kommt ihm auf den Weg schon Martha entgegen. Es entspannt sich ein Gespräch über die Auferstehung. Aber es geht eigentlich darum, um die Auferweckung und Jesus geht zum Grab. Man rät ihm, das Grab nicht öffnen zu lassen, da Lazarus schon vier Tage tot sei und stinke. Aber man öffnet schließlich das Grab und dann spricht Jesus die Worte: „Lazarus komm heraus!“ Lazarus kommt heraus und ich stelle es mir jetzt so vor wie in „Der Fluch der Mumie“, denn er ist in Binden und Grabtücher gehüllt, von denen man ihn dann befreit. Die Geschichte will uns die Furcht vor dem Tod nehmen und die Zusicherung des ewigen Lebens geben.

In Kall wählte man die Lesung aus dem Alten Testament: „Die Güte des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. Der Herr ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen. Denn der Herr ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des Herrn hoffen. Denn der Herr verstößt nicht ewig; sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte. Denn nicht von Herzen plagt und betrübt er die Menschen.“ Psalm 157,2-7 [4]. Hm, niemand hat gezuckt oder aufgeschrien. Gut, genau genommen gibt es nur 150 Psalmen und ganz korrekt gehört der Text zu den Klageliedern des Jeremias. Aber hätte der Text nicht mehr Prominenz verdient? Die Psalmen beten wir regelmäßig. Also ich könnte mir diesen Text anstatt eines Psalms vorstellen.

In Holweide wählte man einen Episteltext. Beide Texte sind nach der Perikopen Ordnung korrekt. Der Text in Holweide steht im zweiten Brief an Timotheus [5] und ein Teil daraus ist der Wochenspruch. Der Text beginnt mit: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Und er endet mit: „Er hat uns selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns gegeben ist in Christus Jesus vor der Zeit der Welt, jetzt aber offenbart ist durch die Erscheinung unseres Heilands Christus Jesus, der dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium, für das ich eingesetzt bin als Prediger und Apostel und Lehrer.“


Kommen wir langsam zum Predigttext; der steht im 16. Psalm [6]. Die letzten beiden Verse empfinde als die wichtigsten: „Denn du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen / und nicht zugeben, dass dein Heiliger die Grube sehe. // Du tust mir kund den Weg zum Leben: / Vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.“ Die Predigten waren beide interessant, denn sie beschritten individuelle Wege.

Frida Kahlo [7]  wurde abends von ihrem Vater [8] gefragt: „Was hat dir der Tag gegeben?“ Ich kannte bislang von Frida Kahlo ein Zitat: „Am Ende des Tages können wir viel mehr ertragen, als wir glauben.“ Aber die Frage des Vaters geht tiefer, erst einmal psychologisch, denn in der Situation, in der sich Frida Kahlo befand und die sie in ihrem Werk ausgedrückt hat, in täglichen Schmerzen und Leid, kann die Besinnung auf die guten Momente des Tages lindernd wirksam sein. Ich fühlte mich an „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ [9] erinnert. Das Geheimnis der Wirkung dieser Geschichte liegt im Finden inneren Glücks (etwas zu Essen, ein Stahlplättchen von einem Schubeschlag aus dem man ein Messerchen schleifen kann). Theologisch führt die Frage zu: „Was hat Gott dir an diesem Tag geschenkt?“ Und die dürfen wir uns jeden Tag stellen.

Von Paul Klee stammt das Bild „Haupt- und Nebenwege“ [10]. Auf dem Bild – bitte Link benutzen – kann man den Hauptweg erkennen, aber auch die Nebenwege, die Umwege, die Irrwege und vielleicht die Sackgassen. Wladimir Putin befindet sich in einer Sackgasse – jeder Krieg ist eine Sackgasse voller Leid und Elend für Angreifer und Verteidiger –, aus der er keinen Weg zurück findet, da er sich nicht helfen läßt. Wir aber können uns den Weg zum Leben durch Gott kund tun lassen: „geduldig sein und auf die Hilfe des Herrn hoffen“.

Das Altargesteck in der Versöhnungskirche war in der liturgischen Farbe des 16. Sonntags nach Trinitatis, also mit viel Grün gestaltet, nicht mehr ganz so frisch, wie in der Woche zuvor. Ehrlich gesagt, ich dachte, das Grün ließe die Köpfe hängen, aber dem war nicht so. Es war so gestaltet. Trotzdem: sic tansit gloria mundis [11]. Es stand auf dem Altar, aber wir feierten am Taufbecken, das in einiger Entfernung steht. Motto: groß, nix los! In Kall hatten wir ein hübsch gestaltetes Altargesteck. Motto: klein, aber fein.



Inspiriert vom täglichen Blumenstrauß
auf einem Fahrrad von Ai Weiwei (艾未未).

Links und Anmerkungen:

[1] https://kirchenjahr-evangelisch.de/16-sonntag-nach-trinitatis/
[2] 2. Tim 1,10b
[3] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/JHN.11 Joh 11,1(2)3.17–27(28–38a)38b–45
[4] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/LAM.3 Klgl 3,22–26.31–32
[5] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/2TI.1 2. Tim 1,7–10
[6] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/PSA.16 Ps 16,(1–4)5–11  
[7] Frida Kahlo de Rivera (1907-1954) war eine mexikanische Malerin. https://de.wikipedia.org/wiki/Frida_Kahlo  
[8] Guillermo Kahlo (1871-1941) stammte aus Pforzheim, wanderte nach Mexiko aus und war der Vater von Frida Kahlo. https://de.wikipedia.org/wiki/Guillermo_Kahlo
[9] Alexander Solschenizyn: Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch. Droemer Knaur, München 1970. ISBN: 978-3-423007-51-1. Meine Ausgabe habe ich nicht vorliegen, da sie im Keller in Köln darauf wartet, noch einmal gelesen zu werden.
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Hauptweg_und_Nebenwege#/media/Datei:Paul_Klee,_Hauptweg_und_Nebenwege,_1929,_%C3%96l_auf_Leinwand,_83,7_x_67,5_cm,_Museum_Ludwig_1976.jpg  
[11] Übersetzt: „so verblaßt der Ruhm der Welt“.

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