Wednesday, January 4, 2017

Der leicht verharschte Schnee




Der leicht verharschte Schnee, der unter den Schuhen knirscht zu Beginn einer Wanderung, wenn man das noch hören kann. Spuren im Schnee von anderen, die sich im Laufe der Wanderung schnell verlieren, wenn schließlich nur noch das Weiß unter dir bleibt und der Himmel über dir. Dann wieder die Spuren von Rehen, über die dein Weg kreuzt. Und wieder nur der weiße Schnee, manchmal zu kleinen Häuflein aufgeweht.
Die Augen sehen weiße Bäume; keine Blätter, denn die hat der Herbst geraubt. Oder Tannen mit ausladenden Ästen, auf denen der Schnee Ruhe gefunden hat. Die Augen betrachten, aber das Hirn ist ganz woanders. Bei Gespächen, die so niemals stattgefunden haben. Oder beim Geschmack eines Tees, den der Bruder mit besonderer Sorgfalt aufgebrüht hatte; noch etwas fast kochendes Wasser auf den Tee, bevor er in die vorgewärmte Kanne abgegossen wurde. Und dann der knackende Kandis und die Wölkchen der Sahne in der Tasse Tee. 


Bilder anderer Landschaften ziehen vorbei, während der Schritt zielstrebig weiterführt, ohne dass es doch ein ausgemachtes Ziel gäbe. Die Gedanken sind anders als das Leben, dass doch nur das eine Ziel hat. Der Weg ist der Weg und das Ziel ist das Ziel. Die Wahrheit aber hat gelernt, sich zu verstecken.

Dann wieder hört man den Schritt, sieht Büsche, Nebelschwaden oder ein paar verirrte Vögel. Nein, das scheint nur so. Die Vögel denken nicht nach über Ziele, aber sie erreichen sie.
Mein Neffe erklärte mit fünf Jahren seiner dreijährigen Kusine den Schnee. Aber da war nichts von Winter, von Schlittenfahrten, von Schneeballschlachten. Er analysierte das Wann des Schneefalls. "Du musst bis Ostern warten, dann fällt immer der Schnee!"
Das Wann des Todes. Die Toten haben oft die Farbe des Schnees angenommen. So rein. So rein wie zu der Geburt. Auch wenn sie aufgehört haben zu sprechen, sagen sie uns noch so viel. Vielleicht wollen sie uns nun sagen, wer sie denn wirklich gewesen sind. Dann erinnern wir uns. Dann liegt die Vergangenheit vor uns. Manchmal können wir in diesem dicken Band blättern. Oft aber versäumen wir, uns die Zeit dazu zu nehmen.
Niemand hat Zeit. Nein wirklich, wir besitzen nicht die Zeit. Sie besitzt uns. Aber sie lässt es zu, dass wir uns von ihr nehmen. Nur das trauen wir uns dann nicht.

Einige Schneeflocken aus grauen Wolken. Wie kann der Schnee nur so weiß aus dem Grau fallen? Es gibt Wissenschaftler (ich weiß keinen besseren Ausdruck), die Untersuchungen zu den Formen der Schneeflocken anstellen. Ach, es würde doch genügen, ihre Schönheit zu würdigen.

René Char hat einmal das Wort geprägt: Leben heißt, einen Blitz zu bewohnen. Für uns ist der Blitz von ultrakurzer Dauer, aber für ihn ist es ein ganzes Leben. Ob unser Leben kurz oder lang ist, hängt nicht von den Lebensjahren ab. "Und Abraham verschied und starb in einem guten Alter, als er alt und lebenssatt war, ...". Nun 175 Jahre, mag man einwerfen, sind doch eine ziemlich lange Zeit. Sophie Scholl hatte geantwortet zu der Zeit, die ihr nicht vergönnt was: "Ach, die paar Jährchen!" Dem kann man sich sich anschließen, wenn man älter wird und die Jahre immer schneller zu vergehen scheinen.

Unter den Schuhen knirscht der leicht verharschte Schnee. Spuren von anderen Wanderern tauchen im Schnee auf. Aber der Zauber bleibt.

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2 comments:

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  2. I was wondering if you ever considered to stop spamming blog? I have an awful lot of text - literature has an awful lot of text. And there aren't "one or 2 images", there are two images. Well, only bots can't count ...

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