Wednesday, April 13, 2022

Ein Buch zu der Kunst, Tee richtig zu genießen


Ich bin bei meinen Büchern noch auf ein Buch von Arend Vollers gestoßen [1]. Eigentlich suchte ich etwas ganz anderes, da ich noch ein obskures chinesisches Zeichen entdeckt habe, das wahrscheinlich lexikalisch nicht erfaßt wurde, da ich es bislang nicht habe finden können. In der Zwischenzeit las ich etwas in dem Buch über die Kunst, Tee richtig zu genießen.

Das Buch ist bis auf die Farbfotos auf so richtig schlechtem Papier gedruckt. Das hätte schon ein Zeichen sein sollen: besser nicht weiter lesen. Aber ich bin halt abenteuerlustig. Die Titelseite (Cover) ist gar nicht übel gestaltet, obwohl der Samowar nur noch beim Samowartee aus Kaschmir eine Rolle spielt. Zucken Sie jetzt etwa auch zusammen? Ja, ich hatte den Samowar (самовар) eigentlich auch in Russland verortet, allenfalls Zentralasien, da große Teile lange Zeit unter der Herrschaft der Sowjetunion standen; ich habe es gerade noch einmal nachgeschlagen [2].

In der Einleitung bekommen wir zwei Legenden zum Tee erzählt. Die eine handelt von Shen Nong (神農), der im Jahr 2737 v. Chr. den Tee entdeckt haben soll, als sie zufällig Teeblätter in den Wasserkessel gefallen waren und das Getränk den Durst löschte. Da Shen Nong ein legendärer Kaiser/Weiser war, kennt man in China auch noch eine andere Legende. Danach hatte er einen durchsichtigen Magen und er konnte sehen, wie sich der Tee im Bauch bewegte. Die zweite der Tee-Legenden von Vollers bezieht sich auf den „heiligen Dharma“. Ich kenne diesen Heiligen besser als Bodhidharma (菩提達摩), obwohl er bisweilen auch verkürzt als 達摩 erscheint [4].  Während Bodhidharma meditierte, habe er sich die Augenlider abgerissen und weggeworfen, um nicht einzuschlafen. Aus den Augenlidern wuchsen dann die ersten Teesträucher. Bei Vollers allerdings riß er sich nur „einige Haare der Augenbraue“ aus. Das alles aber bringt uns der Antwort auf die Frage nach dem Ursprung des Teetrinkens nicht näher.

Auf S. 12 findet sich eine Statistik zu „Teeanbauflächen und Produktionsmengen“ von 1991. Nach acht Staaten finden wir eine Rubrik „Total“ mit 992.496 ha, dann folgen noch 12 Länder und Gebiete und die Rubrik „Gesamt“ mit 2.491.179 ha. Kein Kommentar, also die Übersicht steht da ohne Kontext und auch ohne Kommentar. Und jetzt ich: Kein Kommentar.

Auf S. 31 erfahren wir, daß 221 v. Chr. eine Teesteuer erstmals erwähnt worden sei. Nach chinesischen Quellen, kann ich diese Angabe bislang nicht nachverfolgen; eine meiner Quellen belegt Tee für die Westliche Han-Dynastie (207 vor bis 9 nach Chr.) [5]. Die Zahl 221 v. Chr. Findet sich auch im deutschen Wikipedia-Artikel, ohne daß dafür eine Quelle benannt würde [6]. Auf jeden Fall ein interessantes Forschungsthema, an dem ich bereits arbeite (work in progress).

Vollers erklärt uns die Klassifikation von Tee in China:
„Hung Ch'a oder roter Tee“ - Hong Cha (紅茶) bedeutet schon roter Tee, aber die Übersetzung ist Schwarztee.
„Lin Ch'a oder Grüntee“ - das ist völlig falsch, denn es muss Lü Cha (綠茶) heißen [7], denn lü bedeutet Grün.
„King Ch'a oder Gelbtee“ - der Tee heißt Huang Cha (黄茶), wobei huang Gelb bedeutet. Woher das King oder besser Jing stammen soll, ist unklar. Das ist ein sehr seltener Tee.
„Red Brick Tea für Innerasien“ - wahrscheinlich spielt Vollers auf Pu Er Tee an, aber Ziegeltee wurde auch aus anderen Teesorten hergestellt [8]. Das ist einmal mehr ein Extrathema.

„Lassen Sie mich an dieser Stelle aus dem „Cha Ching“, dem ältesten Teebuch zitieren ...“: „Das Geschirr aus Yüzhou und Yuezhou ...“. Chinesisch kann Herr Vollers nicht, denn er wechselt die Umschriften, einmal alte Umschrift, dann wieder Pinyin [9]; Cha Jing schreibt er auch Tscha-King. Wahrscheinlich aber meint er folgende Stelle im Cha Jing: „越州瓷、嶽瓷皆青,青則益茶, 茶作白紅之色。” [10] (cí) bedeutet Porzellan; 越州 (Yuè zhōu) ist eine alte Präfektur im heutigen Zhejiang (浙江); (Yuè) ist ein anderes Zeichen als , mit anderer Bedeutung, aber beide werden yuè ausgesprochen, und Lu Yu (陸羽) hat das zweite zhou ausgelassen. Es handelt sich ebenfalls um ein Seladon-Porzellan, das sich nur anhand des chinesischen Zeichens abgrenzen läßt. Vollers hätte schreiben müssen: „Das Geschirr aus Yuezhou und Yuezhou ...“. Zugegebenermaßen – das war jetzt einigermaßen schwierig.

Dann sind da auch noch 40 Seiten Teerezepte plus Rezepte für Backwaren. Mein Favorit ist der Sherpa-Tee: „Sherpas, Bewohner der Himalaya-Region, sind als Träger erfolgreicher Bergsteiger-Expeditionen bekannt geworden. So etwas erfordert Kondition.“ Womit soll die Kondition nun gesteigert werden? Mit: Schwarztee, Bordeaux-Rotwein, Zucker und Zitrone. Das Volk der Sherpa [11] ist vor etwa 500 Jahren aus dem Zentral- und Süd-Himalaya nach Nordindien bzw. Nepal gezogen. Die Sherpa sprechen eine eigene Sprache, die aus dem Tibetischen hervorgegangen ist; Tibetisch, das in Lhasa gesprochen wird, und Sherpa sind nicht untereinander verständlich. Und dieses Volk ist Namen gebend für einen Tee, der mit Bordeaux-Rotwein gemischt wird. Muß der jetzt einen Transport auf einem Yak hinter sich haben?

Dann gibt es noch 70 Seiten Tee von A bis Z.

Kann ich das Buch empfehlen? Nein, € 2,29 sind einfach zu teuer! [12] Ich will nicht verschweigen, daß ich von der Lektüre bzw. der Recherche für diesen Blogpost profitiert habe.


 


Links und Anmerkungen:
[1] Arend Vollers: Die Kunst, Tee richtig zu genießen. Geschichte, Kultur, Herstellung, Sorten. Seehamer Verlag, Weyarn 1998. ISBN: 3-932131-50-9.
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Samowar
[3] https://www.puercn.com/czs/cywx/83949.html
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Bodhidharma
[5] https://baike.baidu.com/item/%E4%B8%AD%E5%9B%BD%E8%8C%B6%E5%8F%B2/569971
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Chinesische_Teekultur
[7] https://zh.wikipedia.org/wiki/%E7%B6%A0%E8%8C%B6
[8] https://en.wikipedia.org/wiki/Compressed_tea Es gibt keinen Wikipedia-Artikel auf Deutsch, obwohl das Thema sehr interessant ist.
[9] In dem Artikel https://rheumatologe.blogspot.com/2021/09/lu-yu-und-deutsche-teebucher-der.html habe ich bereits einen Exkurs dazu geschrieben.
[10] „Yuezhou-Porzellan und Yue-Porzellan sind alle blau-grün, was vorteilhaft für Tee ist. Der Tee hat eine weiße und rote Farbe.“ Ich bin der Auffassung, daß Lu Yu ein blasses Rot beschreiben wollte.
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Sherpa
[12] https://www.zvab.com/buch-suchen/titel/kunst-tee-richtig-geniessen/autor/arend-vollers/ [13.04.2022]

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