K. wachte in einem altmodischen
Bahnschalter auf. Er war irgendwie benommen, aber er blickte sich
vorsichtig um und sah vor sich ein Blatt mit einer Liste von
Anweisungen. K. sollte sich mit der Umgebung vertraut machen; es
kämen zwei Züge am Tag, die er abfertigen müßte. Außerdem wäre
der Bahnhof zu säubern, der Schalter eine Stunde vor der Ankunft des
Zuges zu öffnen, damit Auskünfte zum Fahrplan erteilt und
Fahrkarten verkauft werden könnten. Dann müßte er die Schranken
schließen und am Zug stehen, wofür es Markierungen gäbe. Morgens
müßte er am Ostende des Bahnsteigs stehen und abends am Westende
und jeweils in die Fahrtrichtung schauen. Soweit lauteten seine
Anweisungen.
Er blickte sich um. Es
handelte sich um einen altmodischen Schalter mit Gitterstäben, die
nach unten und oben kunstvoll gebogen waren. Es gab keine
Glasscheibe, aber unten war eine enge Öffnung, durch die Geld und
Fahrkarten gereicht werden konnten. Er schaute sich nach hinten um
und sah den Eingang zu einem Raum hinter dem Schalter. Dort war auch
eine Toilette. Dies war der Raum, in dem er sich nach Erledigung
seiner Pflichten aufhalten sollte. Neben der Schalteröffnung gab es
eine weitere Tür, die in den Warteraum führte. Im Warteraum sah K.
eine große, altmodische Uhr. Außerdem waren dort zwei Holzbänke,
die Rücken an Rücken standen mitten im Raum. Es gab zwei
Schwingtüren, wie man sie in einem Saloon im Wilden Westen erwartet
hätte. An eine Korkwand war ein alter Fahrplan geheftet. Er
vergilbt, verschlissen, an den Rändern bereits eingerissen. Darüber
war schräg ein Zettel mit der Aufschrift „ungültig“ geklebt.
Dieser Zettel wirkte fast noch älter, brüchiger, vergilbter,
zerfallener als der Plan selbst. Aber K. konnte dem Plan entnehmen,
daß früher hier viel mehr Züge gefahren waren und auch Station
gemacht hatten. Der ging hinaus vor den Bahnhof. Dort war einer
Steppe, eine Wüste, eine Wüstenei, eine Ödnis zu sehen. Kein Baum
oder Strauch, soweit das Auge reicht, keiner Erhebung, alles flach.
Weder Straße noch Wege und keinen Hinweis auf eine Ortschaft konnte
K. entdecken. Vor der vor dem Bahnhof war ein leerer Parkplatz; fast
hätte er dort eine Pferdestange erwartet. Aber nein, da war nur ein
Parkplatz, den teilweise mit Staub und Sand überweht hatten; man
konnte gerade noch die Markierungen für die einzelnen Plätze
erkennen. Er
ging wieder zurück durch die Schwingtür, die knarrte, da deren
Angeln verrostet und nicht geölt waren, durch den Warteraum auf den
Bahnsteig. Es gab nur einen Bahnsteig, der wie die Gleise in
ostwestlicher Richtung verlief. Der Bahnsteig war ganz wie der
Bahnhof selber aus Beton und Stein, also kein zerfallener Bahnhof aus
Holz, wie man ihn im Wilden Westen erwartet hätte. Der Bahnsteig war
überdacht. Es gab nur einen einzelnen Schienenstrang. An einem Ende
waren zwei Schranken, die man mit Kurbeln betätigen mußte. Eine
Straße aber war nicht mehr erkennbar. K. machte sich nun daran, den
Bahnhof und den Bahnsteig zu kehren, die Toilette im Wartebereich zu
säubern. Dann war es auch nahezu so weit, daß der erste Zug,
nämlich der Abendzug kommen sollte. K. hoffte alles richtig gemacht
zu haben.
Er öffnete nun
den Schalter und wartete. Hatte er wirklich einen Fahrgast erwartet?
Es kam niemand. Schließlich rückte der Zeitpunkt der Ankunft des
Zug näher. K schloß den Schalter, ging hinaus und kurbelte die
Schranken herunter. Dann stellte er sich in die kreisförmige
Markierung, so wie es die Anweisung vorsah. Der Zug kam und hielt an.
Der Zug wurde von einer Dampf-Lokomotive gezogen und die Bremsen
quietschten erbärmlich. Niemand stieg aus. Niemand gab ihm ein
Zeichen. Nichts passierte. Nach etwa ein bis zwei Minuten gab es
einen Pfiff der Lokomotive und mit einem Fauchen und schwarzem Rauch
fuhr der Zug an und entfernte sich. K. blickte dem Zug hinterher, bis
er in der Weite der geraden Strecke nicht mehr erkennbar war. K. ging
dann zu den Schranken und kurbelte sie beide hoch. Nun war nichts
weiter zu tun. Die Nacht war schon hereingebrochen und er ging in das
Hinterzimmer, wo sein Nachtmahl auf ihn wartete. Er aß, benutzte die
Toilette, legte sich auf das Bett und schlief ein. Am nächsten
Morgen wachte er auf und fand sein Frühstück, das er auch sogleich
einnahm.
So ging es dann
eine Weile. Morgens kam ein Zug und abends kam ein Zug. Und K. machte
alles so, wie es vorgeschrieben war. Es stellte sich eine gewisse
Routine ein. In dieses Routine fand K. immer mehr heraus. Morgens
fuhr der Zug nach Westen und abends nach Osten. Niemand besuchte je
den Bahnhof oder den Parkplatz. Es fand keine Kommunikation statt. Es
gab ein Telefon im Schalterraum, aber die Leitung war tot. Er konnte
nicht anrufen und er wurde auch nicht angerufen. Vom Zug erfuhr er
ebenfalls nichts. Niemand vom Personal stieg aus, um ihm etwas
mitzuteilen. Er sah überhaupt kein Personal. K. konnte auch nicht
fort von dem Bahnhof. Einmal ging er nach Norden und es dauerte nicht
lange, da kam er vom Süden zurück zum Bahnhof, ohne die Gleise je
überquert zu haben. Der Zug hält regelmäßig, tutet und fährt ab.
Niemand steigt je aus, niemand steigt je ein. K. hat nie eine Person
im Zug erkennen können. K. wartete Zug um Zug ab. Er stand immer
wieder in der Hitze morgens und abends, schaute dem Zug nach, wischte
sich den Schweiß von der Stirn und setzte die Schirmmütze wieder
auf.
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