Tuesday, November 4, 2025

K. und die WarteSchlange

 


K. findet sich zwischen einem Park und der Straße vor dem RatHaus wider. Es handelt sich um einen Park mit alten Bäumen, BlumenRabatten, Büschen, gepflegten Wegen, Pergola und Häuschen mit Bänken, in dem sich die wohlhabende Gesellschaft ergeht. Der Platz, auf dem er steht, ist aus kleinen  Steine gelegt. Auf der Straße stehen einige FuhrWerke und altModische AutoMobile. Auf den Treppen zum Rathaus steht niemand, aber immer wieder betritt jemand das Rathaus, der so wie K. gekleidet ist.
K. steht mit anderen Männern dicht gedrängt zusammen auf dem Platz zwischen Park und Straße bzw. RatHaus. Sie alle tragen schwarze Anzüge, weiße Hemden und schwarze Krawatten - keine Kopfbedeckung. Manche tragen abgewetzte Anzüge und K. bemerkt, daß auch der eine oder andere Kragen ausgefranst ist. Später sollte K. noch bemerken, daß sein schwarzer Anzug an verschiedenen Stellen fadenScheinig und der HemdKragen ausGefranst war. Aber das war nicht Tag für Tag gleich. K. trug jeden Tag einen frischen Anzug und ein frisches Hemd. Manchmal waren sie ganz neu.
Man winkt den Herrschaften, die ihrerseits jemanden herausRufen. Manche machen mit kleinen Schildern oder StoffFetzen auf sich aufMerksam, andere rufen, aber nicht zu laut.
Unter den Herrschaften finden sich auch Damen, aber nicht jeder der Herren hat eine Damen dabei. Alleine aber sieht K. keine von ihnen. Die Damen tragen elegante Kleider, die bis zum Boden reichen, aufwändig gestaltete Hüte, Handschuhe und Mäntel bis zu den Knien. Die Herren tragen Frack und schwarze Fliege zu einem hochGeschlossenen Kragen. Auch sie tragen Handschuhe, manche einen Stock, alle einen Zylinder.
Auch K. bietet seine Dienste an, kommt aber nicht sofort dran. Schließlich wird auch K. ausgewählt. Er bekommt eine BerechtigungsMarke mit einem BuchStaben und einer Nummer. Er geht die Treppen zum RatHaus hinauf und betritt die VorHalle, in dem die BerechtigungsMarke geprüft wird und er in eine Reihe geschickt wird. Dabei geht es ruhig zu. Es wird nicht gesprochen. Auch der Prüfer in der Uniform vermeidet es, mit K. zu sprechen. Manchmal hört man ein Husten, worauf andere erlöst mit einfallen, aber kurz darauf herrscht wieder Ruhe. Dann schieben sich die Reihen unendlich langsam vorwärts und immer sind die Schlangen, in denen K. nicht steht, schneller. Durch Pforten mit hohen gläsernen Türen gelangen die Wartenden in einen anderen VorRaum, oder besser VorRäume, denn in jedem dieser Räume sind nur noch wenige Schlangen. 
K. hört nun ein Murmeln in den verschiedenen Reihen der Wartenden. Das Murmeln schient in das Rauschen eines Baches und das Klappern einer Mühle überzugehen, K bemerkt es noch rechtzeitig, bevor sich das Klappern in das Rattern von Schwellen der EisenBahn ändern kann und er unweigerlich einschlafen würde. Aber er darf nicht einschlafen, nicht essen, nicht trinken, nicht zur Toilette, nur in diesen Reihen warten, sobald er erst durch den Eingang gekommen ist. Sie sollten auch das Flüstern unterBinden, das GeMurmel, dachte K. und wagte es aber nicht auszusprechen, denn vielleicht müßte auch er flüstern und murmeln, um nicht einzuschlafen.
So geht es Tag um Tag. Mal endet das Warten, wenn K. erst spät dazu kam, in der VorHalle und gewöhnlich im VorRaum, denn noch nie war er weiter gekommen.
K. stellt Überlegungen an. Ob man etwas aufschreiben könne? Nein, denn täglich trägt man einen frischen Anzug. Manchmal fadenScheinig, manchmal ganz neu. Wie kamen die anderen, oder mindestens einige zu ihren Schildern oder StoffFetzen, mit denen sie die Herren auf sich aufmerksam machten? Sollte K. jemanden ansprechen? Nein, nur ja nicht. Er hatte gesehen, wie jemand mit dem Uniformierten sprechen wollte, der die BerechtigungsMarken prüft und der wurde sofort der VorHalle verwiesen. K. nimmt sich vor, sich die Schilder am nächsten Morgen näher anzusehen, denn wer ausgewählt wurde, hielt nur noch die BerechtigungsMarke in den Händen.
Als K. nach einiger Zeit einmal durch VorHalle und VorRaum in die einzelne Schlange kommt, die sich eine Treppe hochwindet, da sieht er irgendWann, wie die im StockWerk über ihm einmal vorsichtig ihre Schilder oder Fähnchen aus den Taschen nahmen und sie zusammenFalten, um sie dann in ihrer Faust verschwinden zu lassen. So halten sie die BerechtigungsMarke in der einen und ihren Werbung in der anderen Hand.
Es gibt keine Stifte oder Papier oder Taschentücher. Was aber, wenn auf dem Weg, den er beim Warten beschreitet, auf dem Boden ein Fetzen Papier, ein BleistiftStummel, ein Taschentuch, ein bunter StoffFetzen liegen würde? Er könnte das Papier so lange mit sich herumTragen, bis er auch einen Stift gefunden hätte; ja, er könnte bereits mit dem Papier winken oder eben einem StoffFetzen.
Viel läßt sich nicht in der Faust verbergen, aber vielleicht könnte man doch etwas im Anzug verbergen und wenn es auch andere so machen würden, dann müßte er irgendWann einen Anzug tragen, der ihm weiterHelfen könnte. K. nimmt sich vor, ab jetzt seinen Anzug gewissenhafter abzusuchen.
Trotz aller Überlegungen findet sich K. jeden Morgen auf dem Vorplatz wieder und ruft herum, wedelt mit den Armen, blickt in Richtung der feinen Gesellschaft, bis jemand zurückblickt und ihn zu sich winkt.
Nach einer Weile hat K. einen roten StoffFetzen und der erlaubt ihm, immer öfter früh durch VorHalle und VorRaum auf die Treppe gelangen. Aber je höher er auch steigt, nie sieht er das Ziel des Wartens und nie begegnet er jemandem aus der feinen Gesellschaft, der ihn oder einen anderen StattHalter zum Warten ausgewählt hatte. Man kann natürlich auch auf dem Platz vor dem RatHaus bleiben, wo auch die meisten zurückBlieben, aber da fängt es regelmäßig nachMittags an zu regnen und man kann einfach nicht weg. Eine Kraft hält einen auf dem Platz, es ist noch nicht einmal möglich, in den Park dahinter zu gehen. Man findet sich morgens auf dem Platz, dann stehen die Glücklichen in den WarteReihen und hoffen, zu einer Tür zu gelangen und durch diese einzutreten. Vielleicht gibt es die auch. Und was dann?

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