Thursday, December 8, 2022

Archäologische Funde zum Tee

 



Ich bin bereits seit einigen Jahrzehnten an Tee interessiert. Vor einem dreiviertel Jahr war ich bei einer anderen Recherche auf einen Artikel zu archäologischen Funden bei Ausgrabungen in Tibet und bei Xi'an gelangt. Seit damals wollte ich mich erneut und eingehender mit der Geschichte des Tees in China beschäftigen. Das habe ich auch getan und konnte bereits einige Ergebnisse in drei Blogposts veröffentlichen [1].

Der Artikel lautete: „Earliest tea as evidence for one branch of the Silk Road across the Tibetan Plateau“ [2] und beschrieb die Funde und auch wie nachgewiesen wurde, daß es sich um Tee handelte. Auf die archäologischen Aspekte und die sich daraus ergebenden Hypothesen will ich später zurückkommen.

Lu Houyang und Kollegen gaben einen historischen Abriss: „Das genaue Alter des Tees ist in  chinesischen Mythen verhüllt. Der erste eindeutige Texthinweis auf den Konsum von Tee als Getränk kann auf 59 v. Chr. während der Westlichen Han-Dynastie datiert werden. Seine weit verbreitete Popularität sowohl bei Nordchinesen als auch bei Menschen im Westen wie den Uiguren wird jedoch im Allgemeinen der Tang-Dynastie (7.–8. Jahrhundert n. Chr.) zugeschrieben.“ Ich erinnerte mich an eine alte Sammlung von Exzerpten und Kopien, die ich in den 1970iger und 1980iger Jahren angelegt hatte und wurde dort fündig. Ich hatte damals einige Kopien von einem Buch gemacht, das ich über Fernleihe bekommen hatte; leider hatte ich versäumt, den Autor aufzuschreiben [3]. Aber ich habe den Autor ermittelt: Otto Franz Schleinkofer.

Schleinkofer konnte damals bereits ähnliche Daten wie in dem Artikel wiedergeben und führt weiter aus: „Im Wörterbuch örl-ya (chinesisch er-ngia), das etwa in der Zeitspanne von 200 v. Chr. bis 25 n. Chr. geschaffen wurde, kommt die Teepflanze hauptsächlich noch unter der Bezeichnung kia vor,
aber schon läuft nebenher das neue Wort tu. Dieses tu wird etwa um 200 n. Chr. entstellt in tscha [4], … / Die Verwendung von Teeblättern zu einem Getränk, sei es nun in welcher Form auch immer, mag durch das durch den Kaiser Wu-ti 98 v. Chr. verfügte Staatsmonopol auf alle  vergorenen Getränke, wie Reiswein usw., gefördert worden sein.“

Ob die Teeblätter als Gemüse [5], Medizin oder Getränk benutzt wurden und wann dies der Fall war, ist eine interessante Frage, aber für die archäologischen Gesichtspunkte weniger von Bedeutung.

Die Archäologen und weiteren Wissenschaftler um Lu Houyang konnten nachweisen, daß Tee bereits vor etwa 2100 Jahren von Kaisern der Han-Dynastie getrunken wurde und vor etwa 1800 Jahren auf dem tibetischen Plateau angekommen war. Man nimmt deshalb an, daß ein Zweig der Seidenstraße zu dieser Zeit durch Westtibet führte.

Jianrong Jiang und Kollegen [6] untersuchten die Residuen in einer Schale, die aus der Zeit der Streitenden Reiche in der Stadt Zoucheng (Provinz Shandong, China) stammt und als Grabbeilage gefunden wurde. Durch die Identifizierung der Teereste mittels verschiedenen Arten von Gas Chromatographie und Massen Spektrometrie konnte man den Gebrauch von Tee um fast 300 Jahre früher datieren als dies durch die Arbeit von Lu Houyang und Kollegen bereits nachgewiesen worden war. Da der Tee in einer kleinen Schale gefunden wurde, darf man darin einen zusätzlichen Hinweis für die Verwendung von Tee als Getränk sehen, wobei es nicht sicher ist, um welche Form des Getränk es sich gehandelt haben kann (Medizin oder Erfrischungsgetränk).

Insgesamt zeigen diese Forschungsarbeiten, daß die moderne Archäologie uns noch viele Daten zur Geschichte des Tees liefern kann. Trotzdem sollten wir nicht nachlassen, gleichzeitig die Bedeutungen alter Schriften zu entziffern.


Ausblick:
1. Immer noch steht die Herkunft und Reliabilität des geheimnisvollen Zeichens für Tee zur Abklärung.
2. Gibt es weitere archäologische Funde, u.U. nur auf Chinesisch veröffentlicht?
3. Kann man in dem Gedicht 7. Monat (七月) [ca. 775 v. Chr.] in den Zeilen (採荼薪樗,食我農夫。) einen Hinweis auf Tee sehen [7]? Immerhin ist Ende September / Anfang Oktober nicht die Hauptsaison für die Tee-Ernte und die Hinweise auf Feuerholz und Unkraut lassen auch andere Schlüsse zu.


 


 

Links und Anmerkungen:
[1] Es waren dies:
Tee und einige Aspekte aus Sinologie und Linguistik https://rheumatologe.blogspot.com/2022/04/tee-und-einige-aspekte-aus-sinologie.html
Seit wann wird Tee in China getrunken? https://rheumatologe.blogspot.com/2022/07/seit-wann-wird-tee-in-china-getrunken.html
und: Auf der Suche nach der verlorenen Geschichte des Tees https://rheumatologe.blogspot.com/2022/11/auf-der-suche-nach-der-verlorenen.html hier hatte ich einen Link nicht wiedergefunden
[2] Lu H, Zhang J, Yang Y, Yang X, Xu B, Yang W, Tong T, Jin S, Shen C, Rao H, Li X, Lu H, Fuller DQ, Wang L, Wang C, Xu D, Wu N. Earliest tea as evidence for one branch of the Silk Road across the Tibetan Plateau. Sci Rep. 2016 Jan 7;6:18955. doi: 10.1038/srep18955. PMID: 26738699; PMCID: PMC4704058. https://www.nature.com/articles/srep1895  
[3] Aber 40 Jahre später ist das Ermitteln von Büchern sehr viel leichter und man kann sie außerdem sofort am Computer einsehen. Es handelt sich um das Buch von:
Otto Franz Schleinkofer: Der Tee. Mit 33 Bildwiedergaben auf 17 Kunstdrucktafeln, Tabellen und einer Karte, Berlin, Boston: De Gruyter, 1956. https://doi.org/10.1515/9783111508528 Dieses Buch geht auf das gleichnamige Buch von Schleinkofer aus dem Jahr 1924 zurück, das bei M. Beckstein erschienen war. Welche Unterschiede die beiden Ausgaben aufweisen, kann ich nicht sagen, da ich die ältere Ausgabe nicht einsehen konnte.
[4] Zu tu/cha: Ich bin der Auffassung, daß der Lautwandel vor dem Zeichenwandel stattgefunden hat. Das Zeichen tu () wurde nicht nur für Tee sondern auch für bittere Pflanzen benutzt, dann hatte man es cha ausgesprochen und später das Zeichen für cha () aus dem Zeichen für tu entwickelt, d.h. man hatte das Zeichen um einen Strich reduziert. Zu jia (): für die Ba-Minorität wurde das Zeichen geschaffen (heute müßte man sich wg. des Radikals Hund schämen).
[5] Im heutigen Myanmar werden Teeblätter noch als Gemüse verwendet, wobei ich einige Anläufe benötigte, um an solch ein Gericht zu kommen.
[6] Jiang, J., Lu, G., Wang, Q. et al. The analysis and identification of charred suspected tea remains unearthed from Warring State Period Tomb. Sci Rep 11, 16557 (2021).  https://doi.org/10.1038/s41598-021-95393-w
[7] Vollständiger Text:  https://so.gushiwen.cn/shiwenv_5bb99a1c18ba.aspx

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