K. sitzt in einem Zug und schläft. Da wird er angestupst. Er wacht auf und befindet sich in einem Zug der 1950er Jahre, wenn er das in der Schnelle richtig eingeschätzt hat. Er trägt eine Uniform mit Mütze, die ihn als ZugSchaffner ausweist. Der ihn angestupst hatte trägt genauso eine Uniform. Er sagt K., nun müsse er die FahrGäste kontrollieren. Sie sitzen im letzten Abteil des Zuges, der gerade in einem BahnHof steht. Der andere Schaffner steigt ohne ein weiteres Wort aus und die FahrGäste steigen ein. Ja, es sind die 1950er Jahre, das erkennt K. nun deutlich an der Mode seiner Gäste.
Es ist ein ziemlich langer Zug. Die Waggons haben alle Abteile. K. fällt auf, daß sich niemand in den Gängen aufhält. Er geht von Abteil zu Abteil. Niemand redet. Alle strecken ihm ihre FahrKarten hin und er stempelt sie ab. So vergeht die Zeit und er geht zurück zu seinem Abteil. Dort wartet Speise und Trank auf ihn. K. ißt und trinkt. Der Zug hält an und alle FahrGäste steigen aus. Da will K. aussteigen, aber es gelingt ihm nicht, so sehr er auch an der Tür rüttelt. Sein GeneralSchlüssel paßt, aber er dreht im Schloß durch. K. sieht, wie neue FahrGäste einsteigen und ihm fällt auf, daß niemand sie zur Abfahrt begleitet hat. Als alle FahrGäste im Zug sind, ist der BahnSteig leer.
Der Zug fährt ab. Wieder geht K. von Waggon zu Waggon, von Abteil zu Abteil und kontrolliert die FahrKarten. Niemand redet unter sich, niemand redet mit ihm. Gänge und Toiletten bleiben frei. Der Zug hält nur am BahnHof der Abfahrt und am BahnHof der Ankunft. Als er alle FahrKarten kontrolliert hat, geht er wieder in sein Abteil und da warten Speise und Trank auf ihn. Er kann wieder nicht aus dem Abteil. Der Abend senkt sich und K. schläft ein.
Am nächsten Morgen wird K. wieder von seinem Kollegen angestupst, der dann sofort, als er aufwacht, den Zug verläßt. K. will ihm hinterher, aber die Tür zum BahnSteig ist verschlossen und sein GeneralSchlüssel kann sie nicht öffnen. Die FahrGäste strömen in den Zug. K. kommt zunächst nicht durch die Menge. Als er die nächste Tür erreicht, ist auch diese für ihn verschlossen, denn sein Schlüssel ist nutzlos. Also geht er zurück zu seinem Abteil und wartet. Der Zug fährt los und K. beginnt wieder, von Waggon zu Waggon, von Abteil zu Abteil zu gehen, um die FahrKarten zu kontrollieren. Und wieder sprechen die FahrGäste weder untereinander noch mit ihm. Und wenn er jemanden anspricht, bekommt er keine Antwort. Sie halten ihm nur die FahrKarten hin und er stempelt sie ab. Dann stecken die FahrGäste die FahrKarten wieder ein. Und die lange Fahrt dauert genau so lange, wie er benötigt, um alle Fahrkarten zu kontrollieren. Dann ist es Mittag und der Zug hält. K. läßt das geschehen, geht in sein Abteil und ißt und trinkt. Er wartet darauf, daß der Zug sich wieder füllt und zurück fährt.
So geht das eine Weile. Wenn er die FahrKarten sehr langsam kontrolliert, kommt er aber wieder entweder mittags oder abends am ZielBahnhof an. Wenn er sehr schnell kontrolliert, macht das auch nichts aus, denn der Zug erreicht immer mittags und abends sein Ziel. K. überlegt nach weiteren Möglichkeiten. Er zieht die NotBbremse, aber der Zug hält nicht an. Er geht nicht zum Essen, aber der Zug fährt so lange weiter, bis er in seinem Abteil ist, um Speise und Trank zu sich zu nehmen. Während dieser Versuche vergeht die Zeit. K. läßt es dann so geschehen, denn ihm sind die Ideen ausgegangen.
Die Menschen im Zug werden K. mit der Zeit vertraut, denn immer sitzen die gleichen Personen auf den gleichen Plätzen. Da überlegt K., die Karten nicht nur abzuStempeln, sondern auch mit einen Stift auf der Rückseite zu markieren. Das macht er einige Tage lang, aber nie findet er seine Markierung am nächsten Tag. So wie der Stempel weg ist, ist auch die Markierung weg. K. überlegt, ob sich die FahrGäste jeden Tag eine neue Karte kaufen oder ob jeder neue Tag nur für ihn ein neuer Tag ist.
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Blog von Dr. med. Lothar M. Kirsch / 祁建德 // Rheumatic Diseases / Fibromyalgia / Travels / Languages / Poetry
Wednesday, January 22, 2025
K. und die ZugFahrt
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