Sunday, October 29, 2023

Altargesteck am 29.10.2023 – 21. Sonntag nach Trinitatis

 


Der Gottesdienst, den ich zum 21. Sonntag nach Trinitatis besuchte, fand bereits am Samstag statt und zwar im Rahmen der Kreissynode, die mit diesem Gottesdienst begann. Ich betrat die gotische Kirche von hinten und ging bis nach vorn in die zweite Reihe, in der bereits ein Presbyter aus unserer Gemeinde in Köln Dellbrück/Holweide saß. An einem Marmorportal auf der linken Seite las ich „1393 A.D.“. Vielleicht lag es daran und auch, daß die Atmosphäre so ganz anders war als in de Kirchen in Holweide oder auch der Trinitatisgemeinde, daß ich mich wie in einem Paralleluniversum fühlte, etwa so wie in einer Folge der Serie Fringe [1]. Luther hatte seine Thesen im Jahr 1517 angeschlagen. Wie kommt es also zu der Jahreszahl 1393? Ich sah eine richtig kleine Orgel, die in dem hohen Gebäude viel zu gering dimensioniert wirkte, bis mich jemand darauf hinwies, daß die eigentliche Orgel, nämlich die neobarocke Orgel, hinter mir auf einer Empore stand. Diese Orgel war erst 2011 für 120.000€ restauriert worden, wie ich später recherchierte [2].

Ich fragte nach dem Namen der Kirche, in der ich zuvor noch nie gewesen  war, und erfuhr, daß es sich um die Kartäuserkirche handelte [13]. Über die Kartäuser hatte ich im Rahmen des Blogposts RückzugsOrte erst vor einigen Tagen kurz berichtet [3]. Die Kirche ist 1923 in den Besitz der evangelischen Kirche gelangt als Ersatz für die Pantaleonskirche; die Kartäuser mußten in der Franzosenzeit 1794 aus dem Kloster und die Kirche wurde profaniert und als Lager [14] von 1815 an benutzt. Und so erklärt es sich, daß die evangelische Kirche eine gotische Kirche nutzt, die in ihrer Geschichte bis ins 14. Jahrhundert reicht. Alte Kirchen und insbesondere veraltete Immobilien sind ein ganz aktuelles Thema. Die Kreissynode hatte als Hauptthema die Bildung von Regionen; darunter versteht sich, daß sich verschiedene Gemeinden enger aneinander binden, damit die Probleme der Zukunft lösbar werden. Die Gemeinden benötigen genügend Seelsorger, die einerseits finanziert werden müssen, aber die andererseits auch überhaupt verfügbar sein müssen. Der theologische Nachwuchs ist erheblich geschrumpft. Es gibt nicht mehr so viele junge Menschen, die sich dafür entscheiden, evangelische/r PfarrerIn werden zu wollen. Die Rheinische Landeskirche hat den Vorteil, daß es auch PrädikantInnen [4] gibt, aber auch da hat die Bereitschaft, diese Ausbildung zu machen, nachgelassen. Dazu kommt weiteres Personal wie KüsterInnen oder GemeindesekretärInnen. Und kommen wir zurück zu den Immobilien, wobei nicht nur Kirchen sondern auch Gemeindehäuser und weitere gibt. Wie viele benötigt und kann man erhalten? Interessanterweise hatte es über die Frage (möglicher Abriss einer Kirche) in einer Gemeinde dazu geführt, daß plötzlich viele Kandidaten für die Presbyteriumswahl 2024 zur Verfügung stehen. Kandidaten für das Presbyterium zu finden, stellt sich mittlerweile als großes Problem dar. Meistens ist man froh, wenn die benötigte Anzahl überhaupt gefunden wird. In vielen Gemeinden wird gar nicht mehr gewählt, weil die Anzahl gerade ausreicht. Eine emotional aufgeladene Frage führte dazu, daß plötzlich wieder mehr Kandidaten auf der Wahlliste stehen, aber dadurch wird das Problem eher verschoben als gelöst. Immobilien leer stehen zu lassen, heißt im Moment Kosten anzuhäufen, zum Beispiel über Heizkosten und Instandhaltungskosten. Die gemeinsame Nutzung von Ressourcen wird eine der wichtigsten Aufgaben für die Regionen werden. Die Kreissynode des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch war eine lange, lehrreiche, nur wenig leerreiche, interessante Veranstaltung – ich danke den Organisatoren.

Die Geschichte vom Barmherzigen Samariter wurde vorgetragen. Ich bin  vor etwa 11-12 Jahren sehr intensiv im Internet der Frage nachgegangen, ob der Barmherzige Samariter Single war. Man hat mich gefragt, was das denn für eine merkwürdige Obsession wäre [5].

Der 21. Sonntag nach Trinitatis steht dafür, die „Wahrheit beim Namen zu nennen und für den Frieden einzutreten“ [6]. Und genau dazu gehört auch der Wochenspruch: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ [7]

Der Predigttext für den Sonntag sieht die Geschichte von Abram und Lot vor, als sich diese trennen und Abram nach Kanaan zieht [8]. Die Lesung aus der Evangelium steht bei Matthäus [9], es geht um das Vergelten und die Feindesliebe, also eine Präzisierung der berühmten Stelle von „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ [10]. Ohne meinen zu wollen, daß alles mit Allem verbunden [11] sein soll, aber ich habe gerade den Kriminalroman Der sterbende Detektiv von Leif GW Persson [12] gelesen. Die Buchteile werden mit unterschiedlichen Zitaten gerade dieser alttestamentarischen Stelle eingeleitet.



Das Altargesteck ist nicht besonders kunstvoll zusammengesteckt, aber da hilft die Phantasie vielleicht weiter. Manche brauchen Drogen dafür, ich nicht, aber damit niemand meint, Drogen nehmen zu müssen, habe ich einen Ausschnitt bearbeitet und man kann allerlei Figuren darin erkennen, auch ein Kamel, aber das bin wahrscheinlich ich selbst.


Inspiriert vom täglichen Blumenstrauß
auf einem Fahrrad von Ai Weiwei (艾未未).

Links und Anmerkungen:
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Fringe_%E2%80%93_Grenzf%C3%A4lle_des_FBI Fringe bedeutet Randzone, Grenzbreich; die Fersehserie spielte teilweise in einem Paralleluniversum, in dem alles so ist wie hier nur mit kleinen Unterschieden.
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Kart%C3%A4userkirche_(K%C3%B6ln)
[3] „Die Kartäuser gehen auf den heiligen Bruno von Köln zurück [3a]. Wahrscheinlich kennen die meisten das Getränk Chartreuse, das seinen Namen von den Kartäusern hat, denn die haben den Kräuterliqueur erfunden. Die Chartreuse aber ist eine einsame Gebirgsgegend bei Grenoble (Frankreich), in der Bruno den Orden gegründet hat. Die Kartäuser leben in kleinen Häusern, die mit dem Kreuzgang und der Kirche verbunden sind.“ https://rheumatologe.blogspot.com/2023/10/ruckzugsorte.html
[3a] https://de.wikipedia.org/wiki/Kart%C3%A4user
[4] "Prädikantinnen und Prädikanten sind zum "Dienst an Wort und Sakrament" beauftragt und nehmen diesen ehrenamtlich in ihrer Gemeinde oder in ihrem Kirchenkreis wahr." https://www.institut-afw.de/wir-ueber-uns/fachbereiche/praedikantinnen-und-praedikanten/  
[5] Das Wort Obsession kommt auch in einem Lied der Gruppe La Oreja de Van Gogh vor - El Ultimo Vals auf der CD A las Cinco en el Astoria: „Siempre serás bienvenido a este lugar, / A mi lista de obsesiones, que no vas a olvidar.“
[6] https://www.kirchenjahr-evangelisch.de/article.php#1140
[7] Röm 12,21
[8] https://www.bibleserver.com/LUT/1.Mose13 1. Mose 13,1–12(13–18)
[9] https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/MAT.5/Matth%C3%A4us-5  Mt 5,38–48
[10] https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/EXO.21/2.-Mose-21 2. Mose 21,24
[11] Alles ist mit Allem verbunden ~ Hildegard von Bingen
[12] Leif GW Persson: Der sterbende Detektiv. btb Verlag, München 2011. ISBN: 978-3442753079.
[13] Da hätte ich auch selbst drauf kommen können, denn welchen Namen sollte die Kirche am Kartäuserwall sonst schon haben? Aber es war mir in dem Moment nicht klar.
[14] Das erinnerte mich an die Kloster- und Tempelanlage Zayain Gegeeni Süm in Tsetserleg (Цэцэрлэг) in der Mongolei (16./17. Jahrhundert), die schon früher als Ställe benutzt wurde und dadurch die stalinistische Tempelzerstörung unter Chorloogiin Tschoibalsan überdauert hatte; die Anlage dient heute allerdings nur als Museum. Ich werde später darüber noch berichten.


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