Michael Braun hat den LYRIK-Taschenkalender 2015 herausgegeben und zusammen mit Henning Ziebritzki alle am Taschenkalender beteiligten Autoren und Kommentatoren mit je einem Gedicht vorgestellt. Er ist mir jetzt wieder in die Hände gefallen. Auch dieser Kalender lädt ein zum Annotieren und Assoziieren, zum Erstellen von GegenEntwürfen. Vielleicht so auch ein wenig wie Daniel Spoerris: An Anecdoted Topography of Chance (1966 Something Else Press, New York / Cologne). Diese Annotationen stammen aus den Jahren 2014/2015 und 2020-2022.
46. KW
Eduard Mörike: Denk es, o Seele!
Zwei schwarze Rösslein -: ich erinnere mich an ein Lied, das ich als Kind bei einer befreundeten Nachbarin im Radio in einer Sendung mit Camillo Felgen gehört hatte [1]. Es kam mir damals als Kind schon als zu schwülstig vor; auch bei Mörike kommt das Memento mori um Jahrhunderte zu spät.
Wald – Ferne
Garten – Nähe
Grab – Ferne
Sprung – schritt – lahm
grün – rot – [braun]
Dass ich Blitze sehe -: einen Blitz bewohnen.
Gräber
siehe die
Flut
Wird
Kommen
Um
Uns
Zu
Begraben
Und
Keine
Rosen
Werden über
Unseren
Gräbern stehen
Nach dem Tod
nach dem
Tod
Laß
Dich
VerBrennen
Denn
Asche friert
Nicht
Im Winter
Ich dachte noch über eine Vertonung nach und die gibt es wirklich von Hugo Wolf in einer Studioaufnahme mit Dietrich Fischer-Dieskau (Gesang) und Gerald Moore (Klavier) [2].
46. KW
Kommentar: Michael Lentz
Semiotische Transformation -: NÖ! in Mörikes Gedicht ist nicht ein Emoji zu sehen.
Der Akt des Denkens -: „denk' es“ ist eher ein „denk mal an“ oder „stelle Dir einmal vor“.
Oder auch Momente einer Epiphanie kontrastierter Motive [3].
Oder vielleicht -: die Vanitas moralischer Motivierung korrespondiert mit der motivischen Epiphanie kontrastierter Momente …
Wald
du kannst
Nicht
In
Den
Tiefen
Wald
Gehen
Und
HinausRufen
Das
Macht
Der
Wald
Schon selbst
Mit
Jedem Windstoß
Seele
ist doch
Alles
Beseelt
Ist
Mein
Schatten
Beseelt
Und
Stirbt sie
Wenn
Mein
Schatten
Sich mit
Der
Dunkelheit verBindet
Links und Anmerkungen:
[1] Das Grauen hat einen Namen. Lys Assia: Mamatschi (schenk mir ein Pferdchen). Auf eigene Verantwortung und gegen ausdrücklichen Rat: https://www.youtube.com/watch?v=XQNdF7-90wA – allerdings hat es bei mir keinen dauerhaften Schaden hinterlassen. Behaupte ich jetzt einmal.
[2] Hugo Wolf: Denk es, o Seele! Dietrich Fischer-Dieskau & Gerald Moore / Studio recording, Berlin, 14-18.09.1957 https://www.youtube.com/watch?v=79aY-esIogU
[3] Kastrierter Motive schösse über das Ziel hinaus.
Ich habe einmal ein interessantes Buch über eleganten Unsinn gelesen; wahrscheinlich verführte es mich hierzu. Alan Sokal und Jean Bricmont: Eleganter Unsinn: Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften mißbrauchen. Beck, München 1999. ISBN: 978-3406452741.
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