Blog von Dr. med. Lothar M. Kirsch / 祁建德 // Rheumatic Diseases / Fibromyalgia / Travels / Languages / Poetry
Thursday, January 5, 2017
Agilon wird als Rheumamittel angepriesen
Ich stolperte über den Namen Agilon, denn ich assoziierte etwas ganz anderes mit diesem Begriff, nämlich die Agilon invers, eine Schultergelenksprothese. Aber um Probleme der Namensrechte geht es hier nicht.
Agilon wird als natürliches Rheumamittel angepriesen, das Teufelskralle und Grünlippmuschel enthält. „Die Teufelskralle bekämpft die Entzündung, lindert den Schmerz und hemmt den Eiweißabbau in der Matrix des Gelenkknorpels“, lese ich in der Beschreibung des Nahrungsergänzungsmittels. Stimmt das wirklich? „Agilon ist ein rein biologisch-natürliches Naturheilmittelpräparat.“ Natürlich – ein natürliches Naturheilmittel. Warum nicht gleich biologisch-natürliches Naturheilbiopräparat? Und die Grünlippmuschel, gemeint ist ein Extrakt, soll der Austrocknung des Gelenks entgegenwirken. Es gibt natürlich keine Studien, die so etwas belegen.
Teufelskralle
Zur Teufelskralle (Harpagophytum procumbens) gibt es Studien, die aber ein schlechtes Design aufweisen und z.B. gegen Medikamente geprüft wurden, die bereits aus dem Handel sind (1). Die Autoren dieser Metaanalyse weisen darauf hin, dass die Studien nicht sehr aussagekräftig sind und besser geplante Studien notwendig sind („Additional well-designed large trials are needed to test these herbal medicines against standard treatments. In general, the completeness of reporting in these trials was poor.” Eine andere Metaanalyse ging der Frage von Nebenwirkungen nach und fand hauptsächlich Magenbeschwerden (2). Die Autoren sehen keinen Nutzen, aber können einen möglichen Schaden nachweisen. Deshalb kommen sie zu dem Schluss: Es [Harpagophytum procumbens] wird am besten vermieden („It is best avoided.“).
Der Werbetext von Agilon sagt: „Agilon zeichnet sich durch seine besonders gute Verträglichkeit aus und kann nebenwirkungsfrei, unbesorgt über einen langen Zeitraum eingenommen werden und …“. Ich lese da „nebenwirkungsfrei“. Was denken Sie? Hat das Nahrungsergänzungsmittel keine Nebenwirkungen? Das steht geschickter Weise nicht da. Gemeint ist: wenn Sie keine Nebenwirkungen haben, können Sie es lange einnehmen. Gemein, nicht wahr?
Eine Studie beschäftigt sich mit Wirkung einzelner Fraktionen eines Extraktes aus Teufelskralle u.a. auf die Cyclooxygenase 1 und 2 (COX-1 und COX-2). Die Cyclooxygenase wird von Nicht-Steroidalen Antirheumatika (NSAR) geblockt; NSAR sind z.B. Aspirin, Ibuprofen, Diclofenac. Die Autoren fassen zusammen: „Our results demonstrated that the harpagoside fraction is the main responsible for the effect of devils claw on these enzyme activities. However, other components from devil's claw crude extract could antagonize or increase the synthesis of inflammatory mediators.” Das heißt aber, dass Stoffe in der Teufelskralle die Entzündung fördern können.
Grünlippmuschelextrakt
Über Grünlippmuschelextrakt habe ich schon mehrfach berichtet (5). Grünlippmuscheln werden in großen Aquakulturen gezüchtet und auch exportiert. Sie werden in Neuseeland verzehrt, wie man bei uns Miesmuscheln ißt. Nach Wikipedia werden jährlich 60.000 Tonnen geerntet (ehrlich, ich scheue dieses Wort). Etwa 10% werden zu Nahrungsergänzungsmitteln verarbeitet. Wie sieht es mit Studien aus? Es sind Studien zu Extrakten aus der Grünlippmuschel publiziert worden. Eine Metaanalyse (6) führte aber aus: „No RCTs comparing GLM to conventional treatment were identified.“ Und: „All four studies assessed GLM as an adjunctive treatment to conventional medication for a clinically relevant time in mild to moderate OA.” Also nicht überzeugend. An dieser Studienlage hat sich auch nichts geändert.
Agilon
Zurück zu Agilon. Die Verzehrsempfehlung lautet: „3 mal 3 Tabletten pro Tag vor den Mahlzeiten mit einem großen Glas Wasser.“ Das sind 9 Tabletten pro Tag, also 90 in 10 Tagen. Das entspricht bei 38,90 € für 90 Tabletten schlappen 118,21 € im Monat. Wenn Sie 270 Tabletten auf einmal kaufen, dann reduziert sich das auf 107,80 € im Jahr. Wenn man mir ein Nahrungsergänzungsmittel mit äußerst fraglichem Nutzen und möglichen Nebenwirkungen zu einem solchen anbieten würde, da hätte ich nur eine Antwort: „Nein, danke!“
Links:
(1) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25536022
(2) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24600731
(3) https://www.biofitt.com/produkte/Bewegungsapparat/Schmerzen-Bewegungsapparat/Agilon-Arthritis-Reuma-Arthrose.html?gclid=CKTT9N_Lp9ACFRMUGwodJDkISQ
(4) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20812280
(5) http://rheumatologe.blogspot.de/2015/08/pernadol.html
(6) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18222988
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