Friday, March 3, 2017

Das Kreuz der Medizin – die Kreuzschmerzen





Fast jeder Mensch wird im Lauf seines Lebens einmal von Kreuzschmerzen, also den Schmerzen im Lendenwirbelbereich, heimgesucht. Selbst diese akuten Schmerzen sind oft nicht gut behandelt. Die chronischen Schmerzen sind fast immer schlecht behandelt und zwar mit Medikamenten, weshalb man sie nicht nur als Kreuz der Betroffenen sondern auch als Kreuz der Behandler sehen sollte. Da sollten Ärzte sehr demütig werden. 

R. Chou und Kollegen haben eine Metastudie veröffentlicht (1): „Systemic Pharmacologic Therapies for Low Back Pain: A Systematic Review for an American College of Physicians Clinical Practice Guideline.” Sie wollen die aktuelle Evidenz (d.h. auf empirische Belege gestützt) von systemischen, pharmakologischen Therapien auf akute oder chronische nicht-radikuläre oder radikuläre Rückenschmerzen untersuchen. Nicht untersucht wurde der chronisch-entzündliche Rückenschmerz.

Paracetamol
In den USA wird häufig Paracetamol eingesetzt, besonders, weil es auch frei verfügbar ist. Daten liegen nur für den akuten Schmerz vor und dabei schneidet Paracetamol nicht besser als Placebo ab. Gegen den chronischen Schmerz würde man Paracetamol erst recht nicht einsetzen.

NSAR
NSAR steht für nicht-steroidale Antirheumatika, also Stoffe, die kein Kortison enthalten, aber entzündungshemmend sind. Es sind hierbei die Cyclo-Oxygenase-Hemmer wie Aspirin, Diclofenac, Ibuprofen, aber auch Etoricoxib oder Celecoxib, um einige zu benennen. In neueren Studien war nur ein geringfügiger Nutzen bei akuten Schmerzen feststellbar. Bei chronischen Schmerzen ist die Lage noch schlechter. Und -: NSAR haben natürlich mehr unerwünschte Arzneimittelwirkungen als Placebo.

Systemische Glukokortikoide 
Kein Nachweis einer Effektivität. 

Starke und schwache Opioide 
Bei kurzfristiger Therapie zeigen Opioide einen leichten Effekt gegenüber Placebo. Es gibt sehr viele Studien, die aber als häufig als methodisch schwach eingestuft wurden. Abhängigkeit oder Überdosierung wurden nur unzureichend untersucht. 

Benzodiazepine 
Vor allen Dingen wird Tetrazepam bei muskulären Verspannungen im Rahmen von Kreuzschmerzen eingesetzt. Häufige unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind: Verlangsamung, Müdigkeit, aber auch Halluzinationen. Wie andere Benzodiazepine führt auch Tetrazepam schon nach kurzer Zeit zur Abhängigkeit (2). Auch wenn sich leichte Effekte bei nicht-radikulären Schmerzen finden ließen, waren die Resultate der Studien widersprüchlich. Diazepam hatte keine Wirksamkeit bei radikulären Schmerzen (einzige neue Studie). 

Andere Muskelrelaxantien 
Zentrale Muskelrelaxantien sind Medikamente, die im zentralen Nervensystem ihre Wirkung zur Entspannung der Muskulatur entfalten. Sie werden bei Spastik (krankhafter Steigerung der Muskelanspannung) eingesetzt. Leider werden sie auch häufig bei anderen Muskelverspannungen eingesetzt. Es sind dies Medikamente wie Methocarbamol, Flupirtin und Tolperison. Beim akuten Schmerz sieht man eine Wirksamkeit, was auch durch drei neuere Studien bestätigt wird. Beim chronischen Schmerz ist der Nutzen deutlich geringer.
Ich halte die die Risiken bei diesen Medikamenten deutlich für höher als den Nutzen. 

Antidepressiva 
Keine Untersuchung zum akuten Rückenschmerz. Keine Vorteile beim chronischen Rückenschmerz für trizyklische Antidepressiva oder SSRI. Geringer Effekt für Duloxetin. (Wäre für mich keine ausreichende Begründung). 

Antikonvulsiva 
Antikonvulsiva wurden zur Therapie von Krampfanfällen entwickelt, aben aber aber darüber hinaus Eigenschaften, die man nutzen will, z.B. antidepressive Effekt; man will sich also Nebenwirkungen zu Nutze machen. Für nicht-radikuläre Schmerzen konnte man keine Wirksamkeit attestieren, und für die radikulären Schmerzen waren die Ergebnisse widersprüchlich. 

Schlußfolgerung der Autoren
Mehrere systemische Medikamente gegen Rückenschmerzen zeigen kleine bis mäßige, vor allem kurzfristige Auswirkungen auf die Schmerzen. Neue Evidenz deutet darauf hin, dass Paracetamol gegen akute Rückenschmerzen unwirksam ist, und Duloxetin zeigt mäßige Effekte gegen chronische Rückenschmerzen.

Hier noch einmal detaillierte Übersichten zu Effekten der verschiedenen Medikamente auf Schmerz und Funktion:





Wie stehen wir nun da? Gar nicht so schlecht, wie es aussehen mag. Nur wenn Sie der Auffassung sind, Rückenschmerzen könne man nur mit Medikamenten behandeln, nur dann sieht es düster aus. Die Metaanalyse von Chou und Kollegen zeigt auf, dass Medikamente keine überzeugende Wirksamkeit bieten. Viele dieser Schmerzen verschwinden auch wieder (4). Und dann stehen (nach Abklärung der Red Flags) auch noch nicht-medikamentöse Optionen zur Verfügung:

·         Bewegung / Sport im Wohlfühlbereich

·         Bewegungsbad

·         Rückengymnastik

·         Rückenschule

·         Progressive Muskelentspannung nach Jacobson

·         Stressreduktion

·         Wärmeanwendung


Links:






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