Heute sprach mich eine meiner langjährigen
Patientinnen auf die tibetische Knoblauchkur an, die ihr von einer Freundin
empfohlen worden war. Tibet, uraltes Heilwissen, 6000-7000 Jahre Erfahrung –
schon da schwante mir nichts Gutes.
Ich las im Internet: „Knoblauchtropfen: nach
einer alten tibetischen Formel hergestellt“ und die kosten jetzt 39,90 € (1).
Ich lese: „Besonderer Knoblauchextrakt, wird nach einer alten tibetischen
Formel hergestellt, mit erstaunlicher und erwiesenem Wirksamkeit …“. Wenn Sie
hier nicht wach werden – erstaunlich ist wie ein Warnhinweis im
Straßenverkehr. Es handelt sich um rohen Knoblauch, der mit hochprozentigem
Alkohol aufgesetzt wurde. Und dann soll man den Extrakt tropfenweise zu sich
nehmen: „1. Tag: 1 Tropfen vor dem Frühstück, 2 Tropfen vor dem Mittagessen, 3
Tropfen vor dem Abendessen“ und dann wird täglich gesteigert bis: „5. Tag: 13
Tropfen vor dem Frühstück, 14 Tropfen vor dem Mittagessen, 15 Tropfen vor dem
Abendessen“, und dann wird wieder reduziert (2). Diese Art der
Dosierungsanweisung finden Sie häufiger zusammen mit dem Hinweis, dass man sich
strikt an die Anweisung halten muss. Ich habe das auch schon für Zitronenkerne
gefunden. Eine völlig abstruse, willkürliche Anweisung.
Pharmawiki berichtet (3): „Angeblich sei eine
UNESCO-Expedition im Jahr 1971 in den Ruinen eines tibetischen Klosters auf das
Rezept gestoßen, das auf Tontafeln geschrieben war. Es soll auf ein Alter von
zirka 6000-7000 Jahren datiert worden sein.“ 1971 lag in der Mitte der Zeit der
Kulturrevolution in China (文化大革命); da kam kaum ein Ausländer ins Land und
schon gar keine UNESCO-Expedition, die dann in Klöstern herumstöbern konnte. In
welcher Schrift hat denn welches Volk diese Tontafeln beschrieben? Historisch
ist Tibet seit dem 7. Jahrhundert. Die Schrift ist eine Entwicklung aus dem
indischen Schriftsystem. Und das widerlegt die Annahme von 6000-7000 Jahren.
„Zur Herstellung werden frisch geschälter
Knoblauch und Ethanol 96% resp. Wodka 40% verwendet.“ Wo aber kam der
hochprozentige Alkohol her? Das ist ebenfalls ein gutes Argument, dass etwas
nicht stimmen kann mit den Angaben, die im Internet kursieren, denn das
Destillieren zu konzentriertem Alkohol ist höchstens 11 Jahrhunderte alt. Und
warum reicht dann plötzlich der 40%ige Wodka?
Ich las auf einer Internetseite auf Englisch
über ein 2000 Jahre altes Rezept aus Tibet (4). Da will man uns weismachen,
dass man Knoblauch mit Zitronen in Wasser aufkocht – „Cook everything on low
temperature for 14-15 minutes, not a minute longer.“ Ich stelle mir gerade vor,
wie der Heiler vor 2000 Jahren seine Stoppuhr betrachtet, damit er Knoblauch
und Zitronen für 14-15 Minuten köcheln lassen konnte – und keine Minute länger.
Kommen wir nun zu den Zitronen (5): „Um das Jahr 1000 sind erste sichere
Nachweise sowohl in China als auch im Mittelmeerraum zu finden.“ Mist, zu spät!
„Zitronen verlangen ein gleichmäßig warmes und feuchtes Klima, sie sind gegen
Trockenheit und Kälte empfindlicher als andere kommerziell genutzte
Zitrusfrüchte.“ Johann Wolfgang von Goethe schrieb: „Kennst du das Land, wo die
Zitronen blühn, / Im dunklen Laub die Goldorangen glühn, …“ – und das Land ist
gewiss nicht Tibet, denn da ist es kalt und trocken.
Von mir aus setzen Sie sich Knoblauch mit
Alkohol auf. Sie sollten aber nicht mehr davon erwarten als von Knoblauch, den
Sie mit dem Essen zu sich nehmen. So einen einfach aufgesetzten Schnaps für
39,90 € (75 ml) anzubieten, nenne ich Abzocke. Also ich würde das nicht machen.
Aber ich bin auch nicht verzweifelt. Mich ekelt es aber an, wenn verzweifelte
Menschen ausgenutzt werden. Ich rate insgesamt ab.
Links:
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