Thursday, March 16, 2017

Tibetische Knoblauchkur bei Rheuma und weiteren Erkrankungen



 
Heute sprach mich eine meiner langjährigen Patientinnen auf die tibetische Knoblauchkur an, die ihr von einer Freundin empfohlen worden war. Tibet, uraltes Heilwissen, 6000-7000 Jahre Erfahrung – schon da schwante mir nichts Gutes.

Ich las im Internet: „Knoblauchtropfen: nach einer alten tibetischen Formel hergestellt“ und die kosten jetzt 39,90 € (1). Ich lese: „Besonderer Knoblauchextrakt, wird nach einer alten tibetischen Formel hergestellt, mit erstaunlicher und erwiesenem Wirksamkeit …“. Wenn Sie hier nicht wach werden – erstaunlich ist wie ein Warnhinweis im Straßenverkehr. Es handelt sich um rohen Knoblauch, der mit hochprozentigem Alkohol aufgesetzt wurde. Und dann soll man den Extrakt tropfenweise zu sich nehmen: „1. Tag: 1 Tropfen vor dem Frühstück, 2 Tropfen vor dem Mittagessen, 3 Tropfen vor dem Abendessen“ und dann wird täglich gesteigert bis: „5. Tag: 13 Tropfen vor dem Frühstück, 14 Tropfen vor dem Mittagessen, 15 Tropfen vor dem Abendessen“, und dann wird wieder reduziert (2). Diese Art der Dosierungsanweisung finden Sie häufiger zusammen mit dem Hinweis, dass man sich strikt an die Anweisung halten muss. Ich habe das auch schon für Zitronenkerne gefunden. Eine völlig abstruse, willkürliche Anweisung.

Pharmawiki berichtet (3): „Angeblich sei eine UNESCO-Expedition im Jahr 1971 in den Ruinen eines tibetischen Klosters auf das Rezept gestoßen, das auf Tontafeln geschrieben war. Es soll auf ein Alter von zirka 6000-7000 Jahren datiert worden sein.“ 1971 lag in der Mitte der Zeit der Kulturrevolution in China (文化大革命); da kam kaum ein Ausländer ins Land und schon gar keine UNESCO-Expedition, die dann in Klöstern herumstöbern konnte. In welcher Schrift hat denn welches Volk diese Tontafeln beschrieben? Historisch ist Tibet seit dem 7. Jahrhundert. Die Schrift ist eine Entwicklung aus dem indischen Schriftsystem. Und das widerlegt die Annahme von 6000-7000 Jahren.  

„Zur Herstellung werden frisch geschälter Knoblauch und Ethanol 96% resp. Wodka 40% verwendet.“ Wo aber kam der hochprozentige Alkohol her? Das ist ebenfalls ein gutes Argument, dass etwas nicht stimmen kann mit den Angaben, die im Internet kursieren, denn das Destillieren zu konzentriertem Alkohol ist höchstens 11 Jahrhunderte alt. Und warum reicht dann plötzlich der 40%ige Wodka?

Ich las auf einer Internetseite auf Englisch über ein 2000 Jahre altes Rezept aus Tibet (4). Da will man uns weismachen, dass man Knoblauch mit Zitronen in Wasser aufkocht – „Cook everything on low temperature for 14-15 minutes, not a minute longer.“ Ich stelle mir gerade vor, wie der Heiler vor 2000 Jahren seine Stoppuhr betrachtet, damit er Knoblauch und Zitronen für 14-15 Minuten köcheln lassen konnte – und keine Minute länger. Kommen wir nun zu den Zitronen (5): „Um das Jahr 1000 sind erste sichere Nachweise sowohl in China als auch im Mittelmeerraum zu finden.“ Mist, zu spät! „Zitronen verlangen ein gleichmäßig warmes und feuchtes Klima, sie sind gegen Trockenheit und Kälte empfindlicher als andere kommerziell genutzte Zitrusfrüchte.“ Johann Wolfgang von Goethe schrieb: „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, / Im dunklen Laub die Goldorangen glühn, …“ – und das Land ist gewiss nicht Tibet, denn da ist es kalt und trocken.

Von mir aus setzen Sie sich Knoblauch mit Alkohol auf. Sie sollten aber nicht mehr davon erwarten als von Knoblauch, den Sie mit dem Essen zu sich nehmen. So einen einfach aufgesetzten Schnaps für 39,90 € (75 ml) anzubieten, nenne ich Abzocke. Also ich würde das nicht machen. Aber ich bin auch nicht verzweifelt. Mich ekelt es aber an, wenn verzweifelte Menschen ausgenutzt werden. Ich rate insgesamt ab.


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