Gerne werden bei
Fibromyalgie und anderen chronischen Schmerzen Lidocain Infusionen eingesetzt.
Wie komme ich jetzt darauf? Ich hatte natürlich wieder einmal eine Patientin,
die mir berichtete, dass sie nach einer solchen Infusion mit Verdacht auf
Schlaganfall in eine Klinik eingeliefert wurde, wo allerdings die Diagnose
nicht gestellt werden konnte. Gott sei Dank! Aber wenn dies in einer Studie
passiert wäre, ginge man von einer schweren unerwünschten Arzneimittelwirkung
(SAE – severe adverse event) aus (Krankenhausaufenthalt), von der sofort (!)
alle Zentren, die an der Studie beteiligt sind, informiert werden müssten. So
aber wird wahrscheinlich niemand informiert worden sein.
Lidocain (z..B. Xylocain)
ist ein örtlich wirksames Betäubungsmittel (Lokalanästhetikum), wirkt aber auch
Antiarrhythmikum, also bei bestimmten Herzrhythmus-störungen [1]. Während
Lidocain früher häufig gegen Extra-schläge des Herzens eingesetzt worden ist,
hat man es später ersetzt, da es selbst Herzrhythmusstörungen aus- lösen und
die Kontraktionskraft des Herzens ver- mindern kann. Weitere Nebenwirkungen
sind Unruhe, Krampfanfälle, Blutdruckabfall und allergische Reaktionen [1].
Deshalb erstaunt es mich,
dass es beim Fibromyalgie-syndrom eingesetzt wird. Wie sieht dazu die Studienlage
aus?
M.D. Schafranski und
Kollegen veröffentlichten 2009 eine Studie [2]: “ Intravenous lidocaine for
fibromyalgia syndrome: an open trial.“ Die Autoren schlossen: „Intravenöse
Lidocain-Infusionen sind sicher und wirksam bei der Behandlung von Fibromyalgie.“
Wut oder Lachen wären jetzt zwei angesagte Verhaltensmuster. Die Autoren
untersuchten 23 Patienten, die jeweils 5 Tage mit 2%iger Lidocain-Lösung
behandelt worden sind. Sie versäumten eine Kontrollgruppe mit Placebo zu
etablieren. Eine Infusion hat nämlich einen tollen Placeboeffekt, egal, was in
der Flasche ist. Wenn Sie die Flasche mit Alufolie umhüllen, ist z.B. der
Effekt noch stärker. Also ist diese Studie überhaupt nichts wert. Die Autoren
(Schafranski MD, Malucelli T, Machado F, Takeshi H, Kaiber F, Schmidt C, Harth
F) sollten sich schämen.
Im Jahr 2011 haben R.
Vlainich und Kollegen eine Placebo kotrollierte Studie vorgelegt [3]: „Effect
of intravenous lidocaine associated with amitriptyline on pain relief and
plasma serotonin, norepinephrine, and dopamine concentrations in fibromyalgia.”
Eine prospektive, randomisierte, doppelblinde Vergleichsstudie wurde bei 30
Patienten durchgeführt. Die Autoren fassten zusammen: „Die kombinierte
Verabreichung von 240 mg Lidocain intravenös (einmal wöchentlich) und 25 mg
Amitriptylin für 4 Wochen veränderte weder Schmerzintensität noch Plasma
Serotonin-, Norepinephrin- oder Dopamin-Konzentrationen bei
Fibromyalgie-Patienten.“ Die Studie konnte also keinen sinnvollen Effekt
nachweisen.
A.L. Albertoni Giraldes und
Kollegen legten 2016 folgen Studie vor [4]: “ Effect of intravenous lidocaine
combined with amitriptyline on pain intensity, clinical manifestations and the
concentrations of IL-1, IL-6 and IL-8 in patients with fibromyalgia: A
randomized double-blind study.” Die Autoren schlossen: “Die Kombination von 240
mg intravenösem Lidocain (einmal wöchentlich für 4 Wochen) mit 25 mg
Amitriptylin für 8 Wochen hatte keine sinnvolle Wirkung bei
Fibromyalgie-Patienten.“ Leider ist im Abstract die Anzahl der Patienten nicht
erwähnt worden.
Ich finde keine sinnvolle
Begründung für die Verabreichung von Lidocain-Infusionen bei
Fibromyalgie-Patienten. Mögliche Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen,
Krampfanfälle, Blutdruckabfall und allergische Reaktionen sollten unter dem
Gebot, nicht zu schaden, Anlass genug sein, solche Infusionen nicht
durchzuführen.
Ich rate allen Patienten,
kritische Fragen zu stellen, wenn solche Infusionen mit Lidocain durchgeführt
werden sollen – und Sie können das auch ablehnen!
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