Tuesday, May 27, 2025

LYRIK-Taschenkalender 2014 24. KW 26.05.2025

 


Michael Braun hat den LYRIK-Taschenkalender 2014 herausgegeben. 17 Dichterinnen und Dichter stellten jeweils zwei Lieblingsgedichte mit Kommentar vor. Von diesen wählte der Herausgeber je ein exemplarisches Gedicht aus und kommentierte es. In diesen Taschenkalender habe ich nun wieder Annotierungen und Assoziationen geschrieben. Vielleicht so ein wenig wie Daniel Spoerris: An Anecdoted Topography of Chance (1966 Something Else Press, New York / Cologne). Diese Annotationen stammen aus den Jahren 2023-2025.


24. KW
Kurt Drawert: Kaspar Hauser


War Kaspar Hauser glücklich, bevor er in der Geschichte auftauchte? Ich wage es zu bezweifeln (vage).

Ich hatte im Alter von etwa 20 Jahren diese Obsession, alles über Kaspar Hauser zu lesen und die Universitätsbibliothek (UB) Köln besorgte mir brav jedes Buch, auch über Fernleihe. Ich weiß heute kaum noch etwas von dem, was ich damals gelesen hatte. Ich würde heute den Wikipedia-Artikel [1] lesen, der mit fast 18.000 Wörtern Länge doch recht erschöpfend ist.

Irgendwie erinnert mich das Schicksal von Kaspar Hauser an das Schicksal von Daniel Küblböck [2]; also das Ende. Das geht mit mitochondrialer DNA.

Und Kaspar Hauser war kein Nachkomme von Adel (Haus Baden), so viel konnte die DNA Analyse herausfinden. [3] Das geht mit mitochondrialer DNA.

Kaspar Hauser als Symbol der AufklärungsKritik, der Romantik vom einfachen Leben und vom Ideal des edlen Wilden, denn früher war alles besser und das Gras war grüner.


24. KW
Kommentar: Michael Braun   


Auch die vielen wilden Kinder, die sich teilweise wie Tiere bewegten, haben nicht lange in der Zivilisation überlebt.

Ich erinnere mich noch an Kamala und Amala [4], als wäre ich Anfang der 1920iger dabei gewesen. Sie wurden in Westbengalen als sogenannte Wolskinder gefunden. So wie Romulus und Remulus. Joseph Amrito Lal Singh,  Priester und Rektor des dortigen Waisenhauses, dokumentierte seine Beobachtungen an den Kindern.

Kaspar Hauser sprach zunächst wie ein Papagei, der die Wörter oder Laute, wiederholte, ohne scheinbar ihren Sinn zu eerkennen. Bei seiner Ankunft plapperte er: „A söchtener Reuter möcht i wern, wie mein Voater gwen is“. Oder war dies schon Teil einer Scharade?

Ich erinnere mich An den Film „Der Wolfsjunge“ (L’Enfant sauvage) von François Truffaut noch dunkel. Truffaut spielte selbst die Rolle des Dr. Itard, der um 1800 den Wolfsjungen Victor von Aveyron betreute und sein Aufwachsen / Leben dokumentierte. [5] Der Film war in Schwarzweiß gedreht, wirkte fast wie ein Dokumentatarfilm, hatte aber etwas Düsteres.

Glückliche Zeit jenseits der Sprache? Ich hatte einige Zeit in einem Kölner Krankenhaus als Arzt die Isolierstation betreut. Dort kam es einmal dazu, daß wir eine Frau mittleren Alters mit schweren Behinderungen aufgenommen hatten, denn wir haben dort auch nicht isolierungsbedürftige Patienten behandelt. Sie konnte nicht reden. Sie konnte noch nicht einmal kauen. Die Eltern hatten sie während des Dritten Reiches ohne Information der Behörden versteckt Und aufgezogen. Die Krankenschwestern haben sehr schnell herausgefunden, daß sie gerne Fußball im Fernsehen sah, sie verstand sicherlich nicht, was da passierte, aber dieses Hin und Her hat ihr gefallen. Und es war nun so, daß die Mutter gestorben war und der Vater litt an Krebs, außerdem war er Kriegsversehrter. Wir konnten es so arrangieren daß er mit dem Auto hinten vor die Patientenzimmer vorfahren konnte. Wenn er vom Auto  her „Liebchen“ rief, dann freute sich dieser Mensch so sehr, daß ist eine Freude war, zuzusehen. Es gibt eine glückliche Zeit jenseits der Sprache.  

Und dann wäre noch der Film „Nell“ mit Liam Neeson und Jodie Foster [6]. Wenn ich zwei Filme von/mit Jodie Foster hervorheben sollte, wäre „Nell“ der eine und „Tate“ [7] der andere.

Hauser ist übrigens der Name des Protagonisten in „Total Recall“, von Colin Farrell im Remake und Arnold Schwarzenegger im Original gespielt [8].





Links und Anmerkungen:
[1] Kaspar Hauser wurde wahrscheinich am 30. April 1812 geboren und ist am 17. Dezember 1833 in Ansbach gestorben. Er tauchte plötzlich in Nürnberg im Alter von 16 Jahren auf und konnte kaum sprechen. Er galt als Rätsel und man vermutete lange, daß er von Adel war und von seiner Familie verstoßen worden war. Er könnte aber auch ein Hochstapler gewesen sein.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kaspar_Hauser
[2] Daniel Küblböck (1985-2018) wurde 2003 durch die RTL-Castingshow Deutschland sucht den Superstar (DSDS) bekannt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Daniel_K%C3%BCblb%C3%B6ck
[3] https://www.i-med.ac.at/mypoint/news/785517.html  
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Kamala_und_Amala
[5] „Der Wolfsjunge“ (L’Enfant sauvage) ist ein Film von François Truffaut aus dem Jahr 1970.
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Wolfsjunge  
[6] Nell ist ein US-amerikanisches Filmdrama von Michael Apted aus dem Jahr 1994. https://de.wikipedia.org/wiki/Nell
[7] „Das Wunderkind Tate“ (Little Man Tate) ist ein US-amerikanischer Film von Jodie Foster aus dem Jahr 1991. https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Wunderkind_Tate
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Total_Recall_(2012)  
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_totale_Erinnerung_%E2%80%93_Total_Recall  
 
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