Wer diesen Blog regelmäßig liest, der weiß es schon, aber ich wiederhole es trotzdem: Der dritte Sonntag der Passionszeit wird auch Okuli [1] genannt. Die Bezeichnung geht auf die lateinische Fassung eines Psalm-Verses zurück: „Oculi mei semper ad Dominum“(wörtlich: meines Augen immer zum Herrn; oder: Meine Augen schauen stets auf den Herrn) [2]. Im Wochenspruch hören wir: „Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ [3]
Im Lukasevangelium für den aktuellen Sonntag ist vom Ernst der Nachfolge die Rede [4]. Die Textauszug beginnt mit: „Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst.“ Er kulminiert in: „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!“ Und endet mit: „Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ Vielleicht will Jesus Christus uns einen Entscheidungskonflikt, ein Dilemma, aufzeigen. Wir müssen im Einzelfall selbst entscheiden, welchen Weg wir einschlagen.
Der Predigttext steht im Alten Testament. Der Prophet Jeremia klagt über die Last des Prophetenamtes [5]. Es ist mehr eine Anklage. „Herr, du hast mich überredet und ich habe mich überreden lassen.“ Denn im ersten Kapitel sprach Jeremia [6]: „Ach, Herr Herr, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung.“ Der Herr aber sprach zu ihm: „Sage nicht: »Ich bin zu jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete.“ Was hätte er anderes tun sollen. Jona hatte es versucht: „Aber Jona machte sich auf und wollte vor dem Herrn nach Tarsis fliehen und kam hinab nach Jafo. Und als er ein Schiff fand, das nach Tarsis fahren wollte, gab er Fährgeld und trat hinein, um mit ihnen nach Tarsis zu fahren, weit weg vom Herrn.“ [7] Das führte dazu, daß Jona im Bauch des großen Fisches landete. Jeremia wollte sich abwenden, aber ein Feuer brannte in ihm. Ich habe das einmal vor Jahrzehnten erlebt, wie es bei so jemandem hervorbrach. Es handelte sich um einen jungen, sehr schlanken Mann mit dem Blick eines Getriebenen, der nicht gegen seine Mission ankam. Er trug einen Parka, wie er vorher und nachher nie modisch genannt wurde, und eine olivgrüne Umhängetasche, nicht größer als DIN A5, in der ich erbauliche Schriften vermutete. Ich sah ihn auf der Schildergasse in Köln stehen und die Menschen eilten in beiden Richtungen an ihm vorbei. Ein Vulkan vor dem Ausbruch! Und da wandte er sich mit lauter, fester Stimme an die Menschen und predigte von Buße, Reue und Umkehr sowie von Liebe, aber die Menschen liefen nur noch hastiger an ihm vorbei. Jeremia hat da weitaus schlimmere Erfahrungen von Leid, Ohnmacht und Gewalt gemacht und sieht sich von Gott überrumpelt. Nun will er Gottes Rache sehen. „Singet dem Herrn, rühmet den Herrn, der des Armen Leben aus den Händen der Boshaften errettet!“ Das klingt wie eine Verhöhnung Gottes und Jeremia verflucht den Tag seiner Geburt. Die fünfte Klage Jeremias bleibt unaufgelöst, den im nächsten Kapitel geht es mit „Jeremia kündigt Zedekia die Zerstörung Jerusalems an“ weiter. Ich sehe darin auch nicht eine Durchhänger seitens Jeremias, es zeigt aber, daß Gott den ganzen Menschen zum Propheten erwählt hat. Und da dürfen wir nochmals die heutige Passage des Lukasevangeliums gegenlesen. Dann kann es sein, daß wir Wege gehen, die wir vormals nicht für möglich gehalten hatten.
Das Altargesteck in der Versöhnungskirche Köln-Holweide war deutlich als der Durchschnitt, kam aber nicht so sehr zum Tragen, da wir um den Taufstein herum den Gottesdienst feierten. Es war sogar besser als in der Vorwoche, irgendwie strukturierter. In Kall war erneut ein prächtiges Gesteck zu sehen, das ich nicht erwartete hatte, denn bei dem Andachtsformat „Auf ein Wort“ wird ein extra Tisch als Altar aufgestellt – ohne Altargesteck. Außerdem hatte die Küsterin Urlaub, aber sie hatte doch die Mühe gemacht, ein Altargesteck zu erstellen. So konnten wir beide Gestecke sehen, aber sie waren mehr für Gottes Auge gemacht – oculi dei.
Inspiriert vom täglichen Blumenstrauß
auf einem Fahrrad von Ai Weiwei (艾未未).
Links und Anmerkungen:
[1] https://kirchenjahr-evangelisch.de/okuli/
[2] Ps 25,15 – siehe auch https://rheumatologe.blogspot.com/2023/03/altargesteck-am-1112032023-okuli.html
[3] Lk 9,62
[4] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/LUK.9 Lk 9,57–62
[5] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/JER.20 Jer 20,7–11a(11b–13)
[6] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/JER.1
[7] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/JON.1
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