Michael Braun hat den LYRIK-Taschenkalender 2015 herausgegeben und zusammen mit Henning Ziebritzki alle am Taschenkalender beteiligten Autoren und Kommentatoren mit je einem Gedicht vorgestellt. Er ist mir jetzt wieder in die Hände gefallen. Auch dieser Kalender lädt ein zum Annotieren und Assoziieren, zum Erstellen von GegenEntwürfen. Vielleicht so auch ein wenig wie Daniel Spoerris: An Anecdoted Topography of Chance (1966 Something Else Press, New York / Cologne). Diese Annotationen stammen aus den Jahren 2014/2015 und 2020-2022.
29. KW
Martin Merz: Nachtschatten
Erst kürzlich wurde ich beauftragt, die Bedeutung von NachtSchatten zu suchen. Im Internet findet sich das sehr einfach [1]. Es kommt also von Nachtschaden (Albtraum). Die NachtschattenGewächse wurden dagegen eingesetzt, also um Dämonen zu vertreiben. Heute gibt es Menschen, die NachtschattenGewächse meiden, da sie Alkaloide enthalten; da liest man dann: „Die Schattenseite von Kartoffel, Aubergine, Tomate und Co.“ [2]. Prinzipiell hat diese Abschweifung absolut nichts mit dem Gedicht zu tun.
Meine erste Assoziation war -: NachtSchatten wurde einer Motte gespendet, jedenfalls in Das Schweigen der Lämmer [3].
Schatten
MondLicht
Des
Ersten
Viertels
Schattet
Im
Meer
Aus der
Tiefe
Noch
Mehr
Schatten
Nacht-
Wellen brechen
Sich
Am Strand
„Grün leuchtend / … Bänder“ -: Martin Merz starb vor Matrix, sonst wäre es ein Bild der Matrix. OT: und Martin Fendel [4] (der Kefir-Martin) ist auch schon tot. Ich muss immer an ihn denken, wenn ich Kefir trinke.
Lieder vom Meer
am Meer
Denke
Ich
An
Die Berge
Und
Dort oben
Singe
Ich
Vom
Meer
Voller SehnSucht
Sind
Meine Lieder
Schnecken -: nein, die Schnecken in meinem Garten recken ihre Fühler auf zum Himmel (zum Gebet).
29. KW
Kommentar: Klaus Merz
Der Himmel ist immer Hoffnung und Abgrund zugleich und das ohne LageÄnderung von uns.
Ich habe einmal eine Weile ein grünes FarbBand für meine SchreibMaschine benutzt, hatte ein grünes StempelKissen und schrieb mit grüner Tinte, ohne zu wissen, daß Pablo Neruda auch mit grüner Tinte schrieb. Heute bevorZuge ich blauSchwarze Tinte, weil sie dokumentenEcht ist. Die SchreibMaschine habe ich noch, vielleicht, weil es auch wieder einmal ohne Strom gehen muss.
Celan (den Himmel als Abgrund) -: aber auch: am Ufer auf den ErTrunkenen warten, der einen retten wird.
„Die Demut der Schnecken“ -: in ihrer Demut vertilgen sie den halben Garten.
Schatten
was suchen
Die
Schatten
Im
Licht?
Sie
Suchen
Sich
Zu
VerBergen
Doch es
GeLingt
Ihnen nicht
Links und Anmerkungen:
[1] https://www.tomaten-welt.de/wissenswertes/faq/was-sind-nachtschattengewaechse/
[2] https://www.foodfibel.de/blog/kartoffel-tomate-ersetzen/
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Schweigen_der_L%C3%A4mmer Und hier das Originalzitat: „Somebody grew this guy, fed him honey and nightshade, kept him warm. Somebody loved him.“ https://www.shmoop.com/silence-of-the-lambs/deaths-head-moth-symbol.html
[4] Andere denken viel würdevoller an Martin Fendel: https://dgfmm.org/fileadmin/abstracts/2021-2_07_In_Gedenken_an_Prof._Dr._Martin_Fendel-kurz.pdf oder https://mailchi.mp/fcc6eb0aaee3/pressemitteilung-musikalische-reise-richtung-osten-5370658 Für mich bleibt er aber der Martin Fendel, mit dem ich zusammen auf der Intersivstation gearbeitet habe.
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