Thursday, December 25, 2025

Altargesteck am Heiligabend 2025

 


Heiligabend 2025 bestand für mich zunächst aus Familiengottesdienst und Christvesper in der Versöhnungskirche als aktiver Teilnehmer und die Christmette in der Christuskirche als weniger aktiver Teilnehmer. 

Gewöhnlich gestalten die Konfirmanden das Krippenspiel [1], aber diesmal fanden sich keine, die so verrü... motiviert waren, also spielten Erwachsene ad hoc die Rollen. Mir fiel der Josef zu, dem in den Evangelien gerade so viel Aufmerksamkeit zugebilligt wird, wie es sein muss. Ich bin ja der Meinung, daß er mehr Bauunternehmer war als die Bezeichnung Zimmermann hergibt. Im Matthäusevangelium [2] steht noch am meisten über ihn. In Vers 19 heißt es: „Josef aber, ihr Mann, der fromm und gerecht war und sie nicht in Schande bringen wollte, gedachte, sie heimlich zu verlassen.“ Nobel, nobel, aber dann steht sie mit der Stigmatisierung als Alleinerziehende doch allein. Gott sei Dank, Gott greift ein und sendet seinen Engel. Wahrscheinlich war Gottes Wahl gar nicht so unklug, wie wir meinen, denn Josef wollte fliehen und das konnte er umsetzen, als es galt, vor Herodes nach Ägypten zu fliehen. Matthäus zitiert Jesaja [3] und daher haben wir die „Jungfrau“, aber der hebräische Text spricht von einer „jungen Frau“ bzw. einer „Herangereiften“. Aber ich verstricke mich schon wieder viel zu weit in einem Evangelium und einem alttestamentlichen Text, die in den Gottesdiensten gar nicht zitiert wurden.

Aus dem Alten Testament wurde schon gelesen und auch aus dem Buch des Propheten Jesaja [4], aber nicht aus dem 7. sondern dem 9. Kapitel. Der Kern dieser Textstelle lautet: „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er’s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.“ Das legen wir nun christlich aus, aber es war an die Zielgruppe Bewohner des Königreiches Juda und seine Könige (besonders aber Hiskia) gerichtet, um sie zur Umkehr zu bewegen. Andererseits ist es aber auch eine tolle Überleitung zur Lesung aus dem Lukasevangelium: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war.“ [5] Wahrscheinlich ist dies die Bibelstelle die neben dem Psalm 23 am bekanntesten ist. Es begab sich aber zur Zeit – das darf in zukünftigen Bibelbearbeitungen nicht geändert werden! Und die für mich wichtige Stelle: „..., da Quirinius Statthalter in Syrien war“ darf nicht fehlen. Nach Conzelmann / Lindemann läßt sich die Volkszählung  in der Zeit der Geburt Jesu Christi nicht mit der Amtszeit von Quirinius in Einklang bringen [6]. Aber das tut überhaupt nichts zur Sache, denn Lukas wählte „da Quirinius Statthalter in Syrien war“, um die Zeit der Geburt Jesu für Theophilos greifbarer zu machen. Wir könnten heute auch solcher Art Zeitpunkte wählen: nach 9/11 oder vor dem 2. Weltkrieg. In Ordnung, weg von den Nebensächlichkeiten. Es wird die Geschichte der Geburt Jesu Christi im Stall von Bethlehem erzählt. Im Wochenspruch wird ebenfalls aus dem Lukasevangelium zitiert: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ [7] 

Aus: O Jesu Christ, dein Kripplein ist mein Paradies
Von: Paul Gerhard

Der Predigttext steht im Buch des Propheten Hesekiel (Ezechiel) [8]. Wie es aus dieser Zusage Gottes zur Überleitung zu Kaiser Augustus kam, habe ich nicht behalten. Aber Augustus machte allerlei Anstalten, die Bürger Roms in Stimmung für ihn zu halten, z.B. mit Superlativen wie sich sich aus der Volkszählung ergeben sollten oder dem Bau eines goldenen Ballsaales äh Tempels [9].

Die Christvesper wurde musikalisch untermalt von Ulrike und Gunther Tiedemann. Bei den Tönen vor dem Stück, wahrscheinlich waren es C, G, D, A, dachte ich an Canned Heat (On the Road Again), aber das lenkte mich nicht von dem klassischen Stück ab; wobei ich zwei Dinge gestehen muss: 1. das Stück war mir unbekannt, 2. ich habe nicht nachgefragt.

Aus Dunkelheit und Lichtern wurde ein wunderbare Stimmung für „Stille Nacht, heilige Nacht“. Wir hatten zu Beginn Kerzen ausgegeben, schließlich wurde die Kirche abgedunkelt und eine Kerze nach der anderen wurde entzündet. Schließlich brannten außer einem Notlicht und dem Licht beim Kreuz nur noch Kerzen. Ich finde Dunkelheit und Ruhe meditativ, aber Dunkelheit führt bei vielen Menschen zu Angst, trotzdem es doch hieß: „Fürchtet euch nicht!“ Während das helle Licht eher für Geschäftigkeit steht, gibt das Kerzenlicht Geborgenheit und da sind wir plötzlich ganz nah am Stall von Bethlehem. Dies wiederholte sich auch bei der Christmette, die sich aber auf dem Liedblatt bescheidener „Heiligabend 2025 in der Christuskirche“ nannte. 

Das Motto von „Heiligabend 2025 in der Christuskirche“ war: „Das Zerschlagene zusammenfügen“ und bezog sich auf das Bild „Verwundeter Engel“ von Hugo Simberg [10]. Der lange Text aus dem Lukasevangelium wurde durch Lieder unterbrochen, teilweise sangen Chor und Gemeinde im Wechsel. Nun kann man viel gegen die Akustik der Christuskirche, die aus dem Jahr 1905 stammt [11], sagen, insbesondere, wenn die Lautsprecheranlage bei wenig Besuchern nicht richtig eingestellt ist, aber „O du fröhliche“ bei voller Kirche war ein akustischer Genuß. 

Altargestecke spielten weniger eine Rolle. Da war z.B. die Krippe und es standen „staatse“ [12] Christbäume in beiden Kirchen. Am Rande bemerkt: Nein, ich hatte nicht vor, an die Krippe der Versöhnungskirche auf das Stichwort „Dann entzündete er [Josef] ein kleines Feuer“ wirklich Feuer zu legen, als ich vor ihr ein Streichholz entzündete.






Inspiriert vom täglichen Blumenstrauß
auf einem Fahrrad von Ai Weiwei (艾未未).

Links und Anmerkungen:
[1] https://kirchenjahr-evangelisch.de/christvesper/ 
[2] https://www.bibleserver.com/LUT/Matth%C3%A4us1 Mt 1,18-20(21-25)
[3] https://www.bibleserver.com/LUT/Jesaja7 Jes 7,14
[4] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/ISA.9 Jes 9,1–6
[5] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/LUK.2 Lk 2,1–20
[6] Hans Conzelmann und Andreas Lindemann: Arbeitsbuch zum Neuen Testament. 11. Auflage. Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 1995. ISBN: 3-8252-0052-3 (UTB). S. 179.
[7] Lk 2,10b.11
[8] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/EZK.37 Ez 37,24–28 
[9] Diesen Teil der Predigt von Vikar Joscha Halm habe ich behalten.
[10] „Der verwundete Engel, auf Finnisch Haavoittunut enkeli, ist ein Ölgemälde des finnischen Malers Hugo Simberg aus dem Jahr 1903.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_verwundete_Engel  
Das Bild kann man hier anschauen.
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Christuskirche_(K%C3%B6ln-Dellbr%C3%BCck)  
[12] Kölsch für prächtig.

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