„Es war ein Tag, den man jahrelang in der Erinnerung genießen kann.“ Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise [1]
Die Zeit
Die Zeit ist wie ein Fluß, der sich aufteilt und dort, wo er sich weitet, wird er interessant, denn er fließt langsamer. Und so sollte man sich auch in der Zeit umsehen können, so daß sich die Zeit nicht mehr als einfacher Strahl sondern als eine Fläche darstellt.
Objekte
Auch wenn du mich betastest und in die Hand nimmst, ich bin nicht geeignet, der Stein zu sein, den du in das Schaufenster werfen willst und schon gar nicht bin ich die Flasche, die du mit einer brennenden Flüssigkeit befüllen willst, du Flasche!
Orte
Ich schreibe Gedichte an der StraßenbahnHaltestelle. Da sitzt man hart und schläft nicht ein. Da quietscht die Bahn, die man nicht nimmt, da prasselt Regen auf das Vordach, da quasselt jemand in sein Handy und schließlich fahre ich weiter, steige aus, schreibe weiter, steige in eine andere Bahn ein – Tag für Tag und Nacht für Nacht –, solange es die KVB [2] gestattet. Nie ruhe ich, nie ruht die Bahn. Ein Wunder ist es schon -: nie wurde ich aufgegriffen
FliegenKlatsche
Leg die FliegenKlatsche wieder hin. Warum nur willst du versuchen, einen Engel zu erschlagen? Soll man nicht und kann man auch nicht.
Armer Schlucker
Der SchwertSchlucker wäre fast erstickt, als er einmal die Utensilien des FeuerSchluckers erwischte.
Kraniche
IrgendWann begannen die Kraniche nur noch einfache Flüge zu buchen. Es wurde ihnen leid, umzubuchen und manchmal wollten sie auch früher zurück, wußten aber nicht mehr wohin.
Zazen
Bleibe nur ruhig sitzen, die Welt bewegt sich auch ohne dich.
Panzer
Versuchen wir einmal, die Panzer mit Cola oder Kwas anstatt mit Diesel zu betanken, mal sehen, ob da nicht Frieden wird.
Katze und Maus
Da spielte der Kater mit der Maus, warf sie hoch und schnappte sie wieder. Schließlich fraß er sie, jedenfalls zerTeilte er sie ein wenig und fraß ein wenig davon. Bevor ich die Reste entsorgen konnte, wollte ich warten bis sie gefroren waren, aber da hatte schon irgendein anderes Tier, vielleicht ein Vogel, alles aufgefressen.
Die Fee mit den drei Wünschen
Die Fee mit den drei Wünschen ist da. Was soll ich jetzt machen? Wieso nur drei Wünsche? Ich wünschte, sie wäre mir nie begegnet.
Verdunklung
Seit Jahren schneit es AscheFlocken. Und der Himmel wird nicht heller als die Nacht. Es muss schön sein, wieder im Sonnenschein … wenigstens zu sterben.
ZuGegeben
Ich gebe es zu, ich lese gerne Jack Kerouac und die Beat Generation, aber ich wäre nie mit ihnen losGezogen. Ich ziehe nicht des Ziehens Willen sondern des Zieles willen in die Welt.
Unterhaltungen
Ob die Toten miteinander reden, weiß ich nicht, aber mit uns Lebenden unterhalten sie sich jedenfalls nicht. Und wer etwas anderes sagt, der, der, ja der spinnt, der spintisiert.
SchreberGärten
Auch das ist Vergangenheit -: SchreberGärten mit zusammen geZimmerten GartenHäuschen, auch aus Abfällen, ähnlicher den Bauten der Favelas als den modernen GartenHäuschen aus dem GartenKatalog.
Erinnerungen
Der Strom der Erinnerungen führt zu einem WasserFall und alles, fast alles rauscht hinunter, nur an den Rändern bleibt etwas Eis am Fels hängen.
Steine im Bach
Im Bach lagen all die runden, schwarzen Steine und dann noch ein kantiger, weißer Stein, der ist aber achtKantig aus dem BachBett geflogen.
Der Wolf
Der Wolf beschuldigte die Steine an seinen Problemen mit dem Brunnen und nicht etwa die Frau Großmutter, der er sehr viel Achtung zollte.
Kirche und Hühner
Hühner haben nichts in der Kirche verloren. Oder doch? Dann müßte schnell eine Öffnung in die Tür geschnitten werden und daneben aber auch eine KatzenKlappe.
Muschel
Du reichst mir die Muschel, damit ich sie mir ans Ohr halte, doch ich spreche hinein in die Muschel, die alles schluckt und nichts erwidert.
SchneeFall
Laßt es doch schneien und die Straßen verstopfen Meter hoch. Laßt keine mehr in die Alpen, bis die Gletscher wieder kräftig geworden sind. Laßt eure Autos überhauptstehen. Es muss doch eine Lösung geben.
Paradies
Und dann war da noch der Teil des Paradieses, in dem Adam und Eva die abgebrochenen Äste auf einem Haufen und Schalen und durchGelegenes Gras („gebrochen bluomen unde gras“) auf einem anderen Haufen entsorgen konnten. Aber wozu stand dort die gelbe Tonne?
Reden
Manche reden mit sich selbst, andere reden zu den Toten und manche reden mit Gott. Ist Dir klar, daß alles Leben nur Reden ist? Gott sei Dank haben wir die Wörter dafür, manche jedenfalls.
SchneeChaos
Als wäre noch nie zuvor Schnee gefallen, so wundert sich die Presse, wenn im Winter Schnee fällt und jede ZugVerspätung ist ein Chaos.
Blau
Traditionell tragen Jungen blaue Kleidung, wahrscheinlich, weil sie unvorsichtiger sind und der Tod nun mal schwarz oder mindestens blau ist. Blau ist auch der Zustand vieler Männer. Nun ja, mittlerweile tragen die Frauen auch BlueJeans und machen BungeeJumping.
Die endlose Geschichte
Die endlose Geschichte hätte wie Teile von Finnegans Wake oder Ulysses ohne Punkt und Komma geschrieben sein müssen, um ja nicht die Idee von Endlichkeit aufkommen zu lassen.
Sinn
Sinne nach über die aufGeschnappten Wörter, die schnell vergessen werden oder keinen Sinn ergeben. Wenn man nachSinnt, ist in allem Sinn. [3]
PolizeiJargon
Im AmtsDeutsch des PolizeiBerichts wird nicht jemand von A nach B gebracht sondern verbracht. Was mag der Unterschied sein? Andererseits habe ich eine einen schönen Urlaub verbracht und nicht gebracht.
Idee
Ich wünschte, ich könnte ein Gedicht schreiben, in dem nur gezappt würde. Strophen unterschiedlicher Länge, die nichts miteinander zu tun haben. Ach, könnte ich eigentlich einmal machen.
SchwerKraft
Einstein und andere wollten die SchwerKraft berechnen. Dabei fühlen sich die Tage verschieden schwer an. So ein leichter FrühlingsTag oder die Erinnerung daran entschädigt doch für die schweren Tage des Novembers.
BahnDamm
All die Jahre ist keiner der Jungen aus dem Viertel, die am Bahndamm über die Gleise liefen, vom Zug überfahren worden. Und trotzdem bin ich nicht über die Gleise gelaufen, wozu auch?
Venedig
Werde ich nochmals in das reale Venedig zurückkehren oder wage ich es nicht mehr wegen des Venedigs von Donna Leon.
Anmerkungen:
[1] Goethes Italienische Reise. Herausgegeben von Dr. Hermann Freericks.Aschendorffsche Buchhandlung, Münster 1903.
[2] KVB – Kölner Verkehrsbetriebe, von Jürgen Zeltingen besungen in: Ich fahr schwatz met de KVB.
[3] Habe ich nicht diese Banalität hervorragend herausgearbeitet?!
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