Ich hatte mich schon früher mit dem Genus des Wortes Tsunami beschäftigt und auch einige Gedichte zur Tsunami geschrieben [1]. Oder in einem anderen Zusammenhang tauchte die Tsunami bei mir auf [2]. Ausschlag gebend war die Tatsache, daß allgemein ein männliches Geschlecht angenommen wird, jedenfalls findet man nur wenig Texte, in denen dies nicht der Fall ist. Der Duden erlaubt beide Geschlechtszuordnungen [3].
Ich habe mir früher einmal das Buch Im Spiegel der Sprache / Warum die Welt in anderen Sprachen anders aussieht von Guy Deutscher [4] gekauft, weil es über Farben und Farbwahrnehmung berichtete. An Farben und ihren Bezeichnungen bin ich besonders interessiert [5]. Auch wenn die irrige Idee, der viele Menschen heute noch anhängen, daß man in verschiedenen Sprachen Dinge besser oder schlechter ausdrücken könnte, hatte es in diesem Buch sehr schnell ein Ende mit dieser Hypothese. Ich hatte das Buch jetzt noch einmal gelesen, wiederum in Hinsicht auf die Farben. Aber ich interessierte mich dann für das achte Kapitel: Sex und Syntax. Da wird zum Beispiel (S. 223 und S. 245) Heinrich Heines männlicher Fichtenbaum erwähnt, der sich nach der weiblichen Palme sehnt. Deutscher kommt zu dem Schluß, daß der Alptraum der Ausländer, im Deutschen und anderen Sprachen drei oder mehr Genera benutzen zu müssen, bisweilen auch als Gefängnis von Assoziationen bezeichnet, ihn nicht dazu verführen würde, darauf verzichten zu wollen. Denn wie langweilig wäre es, wenn „eine Biene keine Sie wäre oder ein Schmetterling kein Er wäre“.
Aber kommen wir zurück zur Tsunami. Guy Deutscher hatte sein Buch vor der Tsunami und Fukushima-Katastrophe geschrieben. Welle, Woge, Flutwelle, Bugwelle, Monsterwelle, Riesenwelle, Leewelle, Dünung, Flut, Ebbe, Gezeiten, Heckwelle – alle sind weiblich. Warum also sollte Tsunami ein anderes Geschlecht bekommen? Ich finde gerade im Internet eine Antwort: „Der Tsunami scheint unter die Wetter- und Umweltphänomene zu fallen und wie "der Orkan", "der Passat", "der Tornado" und "der Monsun" deswegen maskulin geworden zu sein.“ [6] All dies sind äolische und nicht aquatische Phänomene. Die Frage wurde 2021 gestellt. Jemand anderes antwortete (u.a.): „Am Ende läuft es eben darauf hinaus, dass sich jeder nach allen anderen richtet.“ Das ist sicherlich richtig, aber zu kurz gedacht, denn ich befürchte, daß es sich eine Macho-Zuordnung handelt. Der mächtige Tsunami muss einfach männlich sein. Ich aber bin weiterhin für die Tsunami – wie die Flutwelle.
Links und Anmerkungen:
[1] Hier sind nur zwei davon: https://rheumatologe.blogspot.com/2022/12/freitagsgedichte-kurzlyrik-09122022.html und https://rheumatologe.blogspot.com/2015/01/freitagsgedichte-kurzlyrik-30012015.html
[2] „Entschuldigung!“ sprach die Tsunami, als das Meer ein wenig schwappte.
https://rheumatologe.blogspot.com/2021/09/lyrik-taschenkalender-2018_12.html
[3] https://www.duden.de/rechtschreibung/Tsunami
[4] Guy Deutscher: Im Spiegel der Sprache. Warum die Welt in anderen Sprachen anders aussieht.
C.H. Beck Verlag, München 2010. ISBN: 9783406606892.
[5] Farben und Farbnamen Version 5.0 – https://rheumatologe.blogspot.com/2021/03/farben-und-farbnamen-version-50.html Hier müßte ich schon längst die Farbbezeichnungen von zwei weiteren Blogposts eingearbeitet haben: https://rheumatologe.blogspot.com/2022/01/annaherungen-beige-und-seine.html und
https://rheumatologe.blogspot.com/2022/01/annaherungen-die-farbnamen-der-farbe.html Insgesamt sind das dann über 600 Farbbezeichnungen.
[6] https://german.stackexchange.com/questions/63032/warum-ist-tsunami-m%C3%A4nnlich
.
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