Die blaue Bibel [1] ist blau, die Seiten sind hellblau und die Schrift ist dunkelblau. Der erste Gedanke ist: was, noch eine Bibelausgabe?! Dann überlege ich Dunkelblau auf Hellblau; ich liebe Blau und Dunkelblau läßt sich auf Hellblau besser lesen als Wieß auf Weiß oder Schwarz auf Schwarz. Vielleicht nicht so gut wie Schwarz auf Weiß, aber immerhin. Und ich denke an die Bargfelder Ausgabe der Werke von Arno Schmidt, die auf getöntem Papier vorliegt, das läßt sich sogar noch besser als Schwarz auf Weiß lesen. Der zweite Gedanke war: müssen wir die Bibel nun in wichtige und weniger wichtige Stellen einteilen? In vielen Bibeln sind bereits wichtige Kernstellen markiert. Man könnte willkürlich einige Stellen heraus suchen aus dem Alten wie dem Neuen Testament und sie gegenüberstellen [2]. Also um die Wichtigkeit der Stellen an sich kann es nicht gehen sondern nur, wie wichtig ein Bibeltext für unser tägliches Leben ist. Und da ist die Idee gar nicht so übel: Was ein Christ aus der Heiligen Schrift braucht.
Das Vorwort ist unterschrieben mit: die Autoren, die Wissenschaftler, die Laienkreise. Und da steht: „Die Arbeit an diesem Buch begann mit der herausfordernden Anfrage von Laienchristen an ihre Theologen, ob sie sich zutrauten, die Kernaussagen der Bibel dem Laien verfügbar zu machen.“ Und darunter verstand man u.a., daß „man den Text in ein bis zwei Tagen lesen kann, damit man sich an alles erinnern kann, verständlich erklärt und für mündige Laien auf dem gegenwärtigen Stand der Bibelwissenschaft.“ Das ist fürwahr ein hoher Anspruch und ehrlich gesagt, wenn man den Text der Bibel, der einer durchschnittlichen Ausgabe 1200-1400 Seiten umfaßt, auf etwa 200 Seiten konzentriert, kommt da etwas Besseres als Reader's Digest heraus oder wird man nicht überfordert? Ist nicht die Bibel ein Buch, an dem man sein Leben lang liest? Lesen oder hören nicht auch die kirchenentfernteren Christen in jedem Jahr mit Genuß die Weihnachtsgeschichte? Wenn dann die Lesung aus dem Lukasevangelium beginnt mit: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war.“ [3] Und ist es nicht ganz wichtig beim Zuhören, daß Quirinius erwähnt wird, der doch überhaupt nichts mit der nachfolgenden Geschichte zu tun hat?
Kommen wir nun zu Einzelheiten. Auf Seite 6/7 gibt es eine Zeittafel über die Entstehung beider Testamente; sie ist deutlich besser als diejenigen, die man in der Einheitsübersetzung (1980) oder der Lutherbibel (1985) findet; beide Ausgaben [4] fallen in die Zeit nach dem Erscheinen der blauen Bibel. Man gibt eine Übersicht und strebt nicht Vollständigkeit in Details an, die eher den Theologen interessieren. Auch die Strukturierung der Daten gefällt mir besser. Da schneidet übrigens die Einheitsübersetzung am schlechtesten ab.
Auf Seite 23ff. wird sehr gekonnt der Zug der Israeliten durch das Schilfmeer [5] aufgearbeitet. Wir sind es gewohnt, diese Passage in einem Rutsch zu lesen, aber es sind verschiedene Überlieferungen zusammen gefaßt worden. Die Aussagen des Jahwisten, des Eloisten und die Priesterschrift werden hier dreispaltige gegenüber gestellt. Das aber ist kein nomales Lesen. So kann man im Neuen Testament z.B. Teile der Evangelien gegen einander lesen.
Da kommt nun die Frage auf: ist noch etwas für den Reader's Digest Leser? Ich meine nicht. Ich bin prinzipiell sowieso gegen dieses Reader's Digest Gelese von Literatur, aber das ist eine ganz andere Frage [6]. Aber hat sich vielleicht der interessierte Laie in den letzten 50 Jahren so sehr verändert? War der Anspruch damals so viel höher als heute? Ich meine, daß dies nicht mehr der Kreis der interessierten Laien, sondern schon etwa derjenigen sind, die in der Evangelischen Kirche zu PrädikantInnen ordiniert werden, oder die ein ähnliches Interesse an der christlichen Theologie haben.
Auch für mich wird nun diese theologisch ausgefeilte Ausgabe der Bibel interessant, aber ich werde dieses Buch bestimmt dich ein bis zwei Tagen lesen und damit vergeuden. Einen Krimi kann man in ein bis zwei Tagen lesen, bei der Bibel sollte man das tunlichst lassen.
Links und Anmerkungen:
[1] Lubkoll, Hans-Georg, Josef Hainz und Odilo Lechner: Die Blaue Bibel. Was ein Christ aus der Heiligen Schrift braucht. Verlag für Gemeindepädagogik, München 1975.
[2] Die Zehn Gebote [2a] sind mir zwar wichtiger als Manasse, König von Juda [2b] und die Bergpredigt [2c] wichtiger als Jesu Stammbaum [2d], aber es vervollständigt und stört doch nicht.
[2a] https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/EXO.20/2.-Mose-20
[2b] https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/2KI.21/2.-K%C3%B6nige-21
[2c] https://www.bibleserver.com/LUT/Matth%C3%A4us5
[2d] https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/MAT.1/Matth%C3%A4us-1
[3] https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/LUK.2/Lukas-2 Lk 2,1-20, hier die Verse 1 und 2 – ich hätte es bei geschätzet gelassen, dies nur nebenbei.
[4] Die Bibel: Altes und Neues Testament - Einheitsübersetzung. Herder Verlag, Freiburg, Basel, Wien 1980. ISBN-10: 3-451.28000-9.
Die Bibel.Nach der Übersetzung Martin Luthers. Mit Apokryphen. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1985. ISBN: 3-438-01561-5.
[5] https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/EXO.13/2.-Mose-13 2.Mose 13,17 bis 14,31
[6] Ich gehe aber nicht so weit, daß ich sagte: ceterum censeo digestum lectoris esse delendam.
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