Michael Braun hat den LYRIK-Taschenkalender 2016 herausgegeben und zusammen mit Henning Ziebritzki alle am Taschenkalender beteiligten Autoren mit je einem Gedicht vorgestellt und kommentiert. Die 17 Dichterinnen und Dichter stellten jeweils zwei Lieblingsgedichte mit Kommentar vor. Diesen Taschenkalender habe ich nun wieder herausgesucht, denn er hatte mich eingeladen zum Annotieren und Assoziieren, zum Erstellen von GegenEntwürfen. Vielleicht so auch ein wenig wie Daniel Spoerris: An Anecdoted Topography of Chance (1966 Something Else Press, New York / Cologne). Diese Annotationen stammen aus den Jahren 2022-2023.
7. KW
Quirinus Kuhlmann: 11.155.
Den Negerkuss (heute SchokoKuss) hatte man gewagt, aber nicht den JesusKuss.
„Der süstensüstensüsten Libe“ -: „Baby, Baby, Baby,“ Janis Joplin in Summertime. Und? Wer hat noch alles eine Gänsehaut bekommen?
Verzückung wie bei David, dem Psalmisten.
„Imehr si quillet ewigst über“ -: ähnlich wie die Upanischaden: aus der Fülle kommt die Fülle.
Das hat etwas von Bhaktiyoga, etwas von Sri Caitanya und seinem ekstatischen Samkirtan (Sri Krishna Caitaya …).
Liebe
wie schön
Sind
Der
Frühling
Der
Sommer
Der
Herbst
Wie
Schön
Auch
Der Winter
Wenn
Alles verGeht
7. KW
Kommentar: Martin Zingg
„Extatisches [1] Sprechen“ -: ekstatisch und ich meine auch exaltiert.
Kühlpsalter und Messias [2] -: nur in kleinen Portionen genießbar.
„Sprachrausch“ -: man wünschte sich Quirinus Kuhlmann bei einem poetry slam.
Es hat auch etwas Ruminierendes.
Links und Anmerkungen:
[1] Das ist eine sehr alte Schreibweise, die in modernen Wörterbüchern nicht mehr auftritt und in Wikipedia als Falschschreibung gilt, aber im Zusammenhang mit Quirinus Kuhlmann einen gewissen Charme hat.
[2] Der Messias. Ein Heldengedicht ist ein religiöses Epos in 20 Gesängen von Friedrich Gottlieb Klopstock. https://de.wikipedia.org/wiki/Messias_(Klopstock)
Und wer dennoch möchte: https://www.lernhelfer.de/sites/default/files/lexicon/pdf/BWS-DEU2-0373-05.pdf 547 Seiten!!!
Ludwig Tieck berichtet: „Er las uns heute aus dem Messias etwas vor; er liest sehr schlecht, und dann machte mir auch der unaufhörliche Kram von Engeln und bösen Geistern, die unverständlichen Verse, und daß das Gedicht nicht spaßhaft war, so viel Langeweile, daß mir die Kinnbacken vom verbissnen Gähnen wehtaten; meine Augen gingen endlich davon über – er hielt’s für Rührung!“
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