Tuesday, January 30, 2024

Das große Teebuch aus dem Lingen-Verlag

 



Wenn auf einem Teebuch oder überhaupt einem Buch kein Name eines Autors erscheint, ist Vorsicht geboten. Ich schreibe aber über jedes Teebuch, das mir unter die Augen kommt, so auch „Das große Teebuch“ aus dem Lingen-Verlag [1]. Das Buch [2] ist großformatig und reich, auch schön, aber nichtssagend bebildert, ich schätze 2/5 des Buches entfallen auf Bilder, z.B. wie jemand eine Tasse (Tee?) in der Hand hält; auf S. 38 sieht man gar, wie jemand eine Siebstempelkanne drückt, vielleicht, weil auf S. 39 Koffein erwähnt wird [3], wobei wieder einmal erklärt wird, daß man es vor gefühlten 100 Jahren einmal Tein nannte. Auf den wirklich interessanten Aspekt wird nicht eingegangen – und das mache ich jetzt in einer Fußnote, da ich bereits wieder abschweife [4]. Kein Autor, also keine Käthe Kirschstein-Krummsäbel, aber das Konzept stammt von Nicole Constabel [5]. Für die Texte könnten wir Ulrike Schöber und Dr. med. Eberhard J. Wormer [6] verantwortlich machen.

Das Buch ist großformatig und weist 287 Seiten auf. Aber nur 11 Seiten unter „Wissenswertes über Tee“ sind Text zum Tee, wie ich ihn erwartete. Der Rest des Buches besteht aus Aufgußgetränken, Bildern, Teerezepten, asiatisch anmutenden Rezepten mit Fleisch, Fisch und Reis – ich bin viel in Asien herumgekommen, aber in Oolongtee gekochter Reis ist mir nicht untergekommen – sowie fragwürdigen Heilsversprechungen und Heilanwendungen. Nun könnte man meinen, daß dann auf 11 Seiten sauber recherchiertes Material präsentiert würde. Da muss ich Sie enttäuschen und ins Detail gehen.

Auf S. 10 taucht der legendäre Kaiser Shen Nong (
神農) als Chen Nung auf, was er in solchen Büchern häufiger macht, ich erwähnte es bereits früher [7]. „Erstmals schriftlich erwähnt wurde Tee um 350 v. Chr.“ (S. 10) – der Dumme ist sich seines Wissens sicher. Ich meine, es gibt eine Textstelle 59 v. Chr. und mittlerweile hat man auch Tee viel früher z.B. in Shandong (山东)  archäologisch [8] nachgewiesen. Seit wann wird Tee in China getrunken? Ich weiß es nicht [9], bleibe aber an der Frage dran. Dann so: „..., die den Tee im 6. Jahrhundert nach Japan brachten.“ (S. 10) Da gab es noch keine Kontakte von Japan nach China, die fanden im 8. Jahrhundert statt und man nimmt das frühe 9. Jahrhundert für den Kontakt zu Tee in Japan an. Aber es kommt noch schlimmer, denn der Tee soll von Buddha persönlich aus China „um das Jahr 500“ gebracht worden sein. Man nimmt an, daß Siddhartha Gautama (Buddha) 563 v. Chr.geboren und 483 v. Chr gestorben ist [10]. Und der hat sich erstens nicht um ca. 1000 Jahre vertan und hat, da vertrauen Sie mir bitte der Kürze halber, weder China besucht noch Tee nach Indien gebracht. Die Teepflanze und zwar Camellia sinensis var. assamica war zwar in Indien vorhanden, aber Tee wurde erst im britischen Kolonialreich angebaut und was Indien selbst daraus gemacht hat, ist etwas anderes.

Auf S. 24 erfahren wir, daß weißer Tee „nur ein wenig anfermentiert“ wird. Ich habe das so in Erinnerung: „Weißer Tee -: dabei wird nur das erste, knospende Blatt gepflückt, gedämpft (um jegliche Fermentation zu verhindern) und dann getrocknet.“ [11] Der Oolongtee wird als der teueste und feinste Tee bezeichnet. Fein ist eine Geschmacksfrage, aber teuerster Tee ist überprüfbar. Und da haben die Schreiber des Buches, mir zur Überraschung, recht gehabt [12]. Die Bezeichnung brauner Tee für Oolongtee wäre mir neu [13] und dabei habe ich mich doch so für die Farbbezeichnungen beim Tee interessiert [14].

Die nächste Überraschung kommt auf S. 44, denn man sagt uns, daß nur wenig Vitamin C im Tee ist, läßt sich dann allerdings über die Wichtigkeit von Vitamin C aus. Auch über Folsäure berichtet man – „in grünem Tee mehr als in schwarzem“ –,  was aber egal ist, da die Menge viel zu gering ist.

Ich halte Catechine für gesundheitlich günstig, aber die Versprechungen in diesem Buch gehen mir zu weit und sind auch nicht wissenschaftlich hinterlegt, ich habe jedenfalls keine Quellen gefunden.

Erfreulicherweise habe ich kein Rezept für Sherpa-Tee gefunden [15]. Ich halte diese Rezepte für überflüssig und würde selbst Scones nicht in einem Buch über Tee mit einem Rezept anführen.

Wie lautet mein Urteil? Selbst verramscht wäre es mir zu teuer. Wenn Sie es in einem öffentlichen Bücherschrank sehen, dann lassen Sie es liegen, da hat jemand den Bücherschrank mit der Recyclingtonne verwechselt.


Links und Anmerkungen:
[1] „Der Helmut Lingen Verlag ist ein Verlag mit Sitz in Köln, der Bücher für buchhändlerische Nebenmärkte produziert, unter anderem für Discountermärkte und im Auftrag für Industrieunternehmen.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Lingen_Verlag Und jetzt lasse ich die Katze sofort aus dem Sack, er bzw. seine Familie war Vormieter der Wohnung, in die unsere Familie in Köln-Buchforst früher einmal umgezogen ist. Es handelte sich um das oberste Stockwerk mit fünf Zimmern, einem Balkon und einem Dachgarten von 24 qm. Dafür herzlichen Dank!
[2] Das große Teebuch. Genuss - Wohlbefinden - Gesundheit. Lingen, Köln 2007. Ohne ISBN.
[3] Kaffee – Koffein / coffee – caffein.
[4] Vielleicht haben Sie sich gewundert, daß Kaffee aufpuntschend, Tee aber sanfter und dafür länger wirkt. Das Koffein aus Kaffee wird bereits im Magen freigesetzt, während das Koffein aus Tee erst später im Darm freigesetzt wird.
[5] Von Nicole Constabel gibt es Bücher wie: California Cuisine mit Trendthema Low Fat - Leicht und lecker auf Amerikanisch, Kochen - So gelingt´s sicher!, Gartenideen, Cakes, Cookies & Co., …
[6] Wikipedia erwähnt das Teebuch nicht, aber man schreibt: „Eberhard Jürgen Wormer (* 22. August 1951 in Frankfurt am Main) ist ein deutscher Medizinjournalist und Autor populärwissenschaftlicher Sachbücher und Ratgeber.“ [6a] Unter Werke finde ich folgenden Eintrag: „mit Johann A. Bauer, Fibromyalgie. Die Lösung des Schmerzproblems. Kopp, Rottenburg 2018, ISBN 978-3-86445-545-2“. Hier auf diesem Blog schrieb ich einmal (2013):
„Fangen wir mit den Schattenseiten der Medizin an: Ist Fibromyalgie operierbar? Natürlich nicht. Die Operationen haben allerdings einen hohen Plazeboeffekt. Wissenschaftliche Studien gibt es nicht. Das Verfahren widerspricht sich selbst. In der traditionellen chinesischen Medizin gibt es keine Operationen. "Verklebte Akupunkturpunkte", die durchgespült werden müssten, entspringen der Phantasie von Herrn Dr. Bauer.“ [6b] Tja, dann muss ich mich nicht wundern.
[6a] https://de.wikipedia.org/wiki/Eberhard_J._Wormer
[6b] https://rheumatologe.blogspot.com/2013/09/fibromyalgiesyndrom-vortrag.html
[7] Z.B. in: „Heilen mit Chinatees“ von Li Yongkang https://rheumatologe.blogspot.com/2022/10/heilen-mit-chinatees-von-li-yongkang.html
[8] What's the tea? Oldest brew in the world discovered in China / The 2,400-year-old remains of tea leaves were discovered in a royal tomb in Shandong province. https://www.theartnewspaper.com/2022/01/10/time-for-a-fresh-brew-oldest-tea-in-world-discovered
[9] Seit wann wird Tee in China getrunken?
https://rheumatologe.blogspot.com/2022/07/seit-wann-wird-tee-in-china-getrunken.html sowie: Tee und einige Aspekte aus Sinologie und Linguistik https://rheumatologe.blogspot.com/2022/04/tee-und-einige-aspekte-aus-sinologie.html
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Siddhartha_Gautama
[11] https://rheumatologe.blogspot.com/2023/04/happy-valley-teeplantage-in-darjeeling.html
[12] https://praxistipps.focus.de/der-teuerste-tee-der-welt-diese-3-sollten-sie-kennen_157403
[13] Das Teelexikon kennt die Bezeichnung für Schwarztee https://www.lerbs-hagedorn.de/info/lexikoneintrag-brauner-tee-teelexikon.html?language=de.
[14] Ein Versuch zur Klassifizierung von chinesischen Teesorten https://rheumatologe.blogspot.com/2023/12/ein-versuch-zur-klassifizierung-von_30.html
[15] Tee Sherpa https://rheumatologe.blogspot.com/2022/08/eigentlich-hatte-ich-schon-das-thema.html

.

No comments:

Post a Comment