Nachdem der Tag warm war, ja sogar bis mittags heiß war, kühlte er ab. Wir hatten uns im Presbyterium bereits vorher darüber verständigt, daß die Präsenzgottesdienste über die Osterzeit wegen der wieder zunehmenden Inzidenz von COVID-19 nur im Freien unter Beachtung der Hygiene-Regeln stattfinden können. Nun war das Thermometer auf 11,5° C (Autothermometer) gefallen und ich war froh, dass ich doch einen Pullover angezogen hatte, nachdem ich über Mittag noch in Shorts und T-Shirt im Garten gearbeitet hatte.
Der Gottesdienst an Gründonnerstag wird sonst an einer langen Tafel mit Abendmahl und nachfolgendem Sättigungsmahl durchgeführt. Nun saßen wir auseinander, aber deshalb hieß das Motto nicht: „die andere nacht“. Es wurde trotzdem Abendmahl gefeiert. Das erste Lied – das die Gemeinde nicht mitsingen darf – war: „Das sollt ihr, Jesu Jünger, nicht vergessen“ [1], worin es heißt: „wir sind, die wir von einem Brote essen, aus einem Kelche trinken,...“. Das aber geht schon lange nicht mehr. Im letzten Jahr hatten wir aus einzelnen kleinen Gläschen getrunken; das geht zurück auf eine Praxis, die aus skandinavischen Volkskirchen stammt [2] und früher als „Eierbecherkultur“ belächelt wurde.
In der griechisch-orthodoxen Kirche werden Brot und Wein zu Leib und Blut Christi (Epiklese); das Wie wird als Geheimnis (Mysterium) bezeichnet [3].
In der römisch-katholischen Kirche werden Brot und Wein zu Leib und Blut Christi verwandelt (Transubstantiation); äußerlich bleiben Brot und Wein in ihrer Erscheinungsweise, aber innerlich haben sie sich gewandelt.
So ähnlich sah es auch Luther, der darüber mit Ulrich Zwingli stritt. In „Die Gegenwart Christi in Brot und Wein“ [4] schreibt Martin Luther: „Denn wir haben für uns den klaren, hellen Text und das Wort Christi ...“: „Nehmet, esset; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“ [5] Und ähnlich steht es auch in seinem kleinen Katechismus [6].
In der reformierten Kirche sind Brot und Wein Symbole, die „durch den Heiligen Geist mit Leib und Und Blut Christi, der im Himmel ist, vereinigt“ [3]. Der Heidelberger Katechismus antwortet auf die Frage (78) „Werden denn Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt?“ [7]: „ Nein. Wie das Wasser bei der Taufe nicht in das Blut Christi verwandelt wird ...“.
Zusammenfassend wäre eine ökumenische post-COVID Form des Abendmahles wünschenswert, aber praxisorientiertes Vorgehen ist in Glaubensfragen nicht wahrscheinlich. Jesus Christus „ehren wir, wenn wir einträchtig und ohne Trennungen das Brot brechen und den Wein teilen.“ [8]
Der Abend senkte sich farblich sehr schön in tiefem Orange über den Vorplatz der Versöhnungskirche, so daß ich mich an einen ähnlichen Abend vor dem Kölner Dom (Rocalliplatz) erinnert fühlte. Es war Mitte Mai 2001 nicht so kalt und die Gruppe R.E.M. spielte – unter anderem „Losing my Religion“. Einige tausend Menschen auf dem Rocalliplatz, so eng gedrängt, wie man es sich nicht mehr vorstellen kann.
Das Gesteck, ja jetzt fällt es selbst mir auf, daß wir wir gar kein Altargesteck hatten. Aber dafür entsprach das Tuch auf dem Altar voll und ganz der liturgischen Farbe Weiß. Und zum Trost gibt es jetzt noch das Altargesteck vom Gründonnerstag 2018.
Inspiriert vom täglichen Blumenstrauß auf einem Fahrrad
von Ai Weiwei (艾未未).
Links:
[1] Evangelisches Gesangbuch Lied 221 von Johann Andreas Cramer (1780)
[2] (K)eine Frage der Leibhaftigkeit, von Tilman Baier in: UK Nr. 13, 28.03.2021, S. 3.
[3] Evangelischer Erwachsenenkatechismus. Glauben – erkennen – leben, im Auftrag der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche herausgegeben von den Geschäftsführern der Katechismuskommission der VELKD Manfred Kießig, Lothar Stempin, Horst Echternach, Hartmut Jetter unter Mitarbeit von Gerhart Herold, 7. aktualisierte Auflage, Gütersloh 2006. S. 562 ff.
[4] Luther lesen: Die zentralen Texte. Bearbeitet und kommentiert von Martin H. Jung. Vandenhoeck & Ruprecht; 2. Auflage 2017. S. 136-137
[5] https://www.bibleserver.com/LUT/Matth%C3%A4us26 Mt 26,26b-28
[6] Dr. Martin Luthers kleiner Katechismus mit Erklärung. Mit einem Vorwort von Helmut Korinth. 24. Auflage (d.i. 1982). Fünftes Hauptstück: das Abendmahl, S. 158 ff.
[7] Evangelisches Gesangbuch für die Landeskirchen Rheinland Westfalen und Lippe, Gütersloher Verlagshaus 1996 (wie [1]). S. 1344-1345.
[8] https://www.kirchenjahr-evangelisch.de/article.php#958
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