Der zweite Sonntag der Passionszeit wird auch Reminiscere genannt, eingedeutscht Reminiszere [1] geschrieben. Reminiscere (gedenke!) kommt von: „Reminiscere miserationum tuarum, Domine“ („Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit!“) [2]. Der Predigttext steht im Markusevangelium [3] und handelt „Von den bösen Weingärtnern“; die Perikopenordnung sieht auch die Überlieferung nach dem Matthäusevangelium im Wechsel mit anderen Textstellen vor [4]. Die beiden Synoptiker unterscheiden sich nur in Nuancen, wobei der Text von Markus, wie fast immer, kürzer ist. Es ist dies die Stelle, in der jemand einen Weinberg gebaut hatte, einen Zaun darum gezogen und eine Kelter sowie einen Turm gebaut hatte. Der Weinberg wurde dann an Weingärtner verpachtet, die aber die Pacht nicht bezahlt haben. Die Knechte des Besitzers wurden geschlagen oder sogar getötet. Schließlich wurde sogar der geliebte Sohn des Vermieters getötet. Bei Markus steht dann das Zitat: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen, und er ist ein Wunder vor unsern Augen“ [5]. Bei Matthäus wird noch weiter ausgeführt, dass man auf diesen Steinfallen und zerbrechen könnte, oder daß dieser Stein, wenn er auf einen fällt, einen zermalmen könnte. Es ist dies eine Geschichte von Rechnungen, die nicht aufgehen. Der Besitzer des Weinberges bekommt nicht seinen Anteil bzw. seine Pacht und die Pächter fühlen sich übervorteilt, weil der Besitzer überhaupt nichts tut,sie die ganze Arbeit hatten und nun einen Anteil als Pacht abliefern sollen. Warum gehen solche Rechnungen nicht auf? Solche Rechnungen können nie aufgehen, denn sie müssen immer ein Mehr erwirtschaften. Das ist im Kapitalismus genauso wie im Sozialismus, immer wird ein Mehr erwartet und nie ist ein Genug genug.
Die Lesung aus dem alten Testament behandelt auch einen Weinberg und steh bei Jesaja [6]. Auch dort wurde ein Weinberg angepflanzt, Kelter und Wachturm gebaut. Aber dann ändert sich schnell der Text, denn es geht darum, daß nach guter Pflege nur schlechte Trauben reiften. Als Konsequenz spricht der Prophet folgende Sätze: „Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er kahl gefressen werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten werde. Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen.“ Mich hatten diese Worte an etwas ganz anderes denken lassen – an die Immobilien der Gemeinden. Lassen wir sie brach liegen? Warten wir ab, bis Disteln und Dornen in verfallenen Kirchen wachsen? Der Prophet Jesaja allerdings sprach über die Enttäuschung Gottes an der Entwicklung seiner Schöpfung.
Der Sonntag Reminiscere soll uns an verfolgte Christen erinnern. Aus dem dunklen Strauß verwelkter Blumen schaue ich auf Nordkorea. Laut Weltverfolgungsindex [7] unterdrückt Nordkorea Christen am stärksten. Gläubige werden in Arbeitslager gesperrt und dort sogar zu Tode gefoltert. Allerdings verfolgt Nordkorea sämtliche Religionen, wie etwa Buddhisten. Keine Religion ist in Nordkorea wohlgelitten. Bei meiner Reise durch Nordkorea erzählte mir die Übersetzerin, sie und ihre Familie wären Christen, wobei ich annehme, daß dies nicht stimmte. Denn dann wäre sie nicht auf dieser Reise sondern in irgendeinem Arbeitslager gewesen. Auf dieser Reise besuchte ich mehrere buddhistische Tempel. Auf Anweisung von Kim Il Sung sind diese von den ungebildeten Massen nicht zerstört worden. Dort waren einige Gestalten, die als Priester agierten, aber offensichtlich keine Priester waren, nur bei einem war ich mir nicht sicher, ob er nicht doch insgeheim ein buddhistischer Priester war. Alle hatten nämlich, fast empört schon, behauptet, daß sie natürlich buddhistische Priester wären, aber es handelte sich um sehr schlechte Schauspieler. Nur dieser eine, der antwortete auf die Frage „Sind sie ein buddhistischer Priester?“ ganz vorsichtig: „Weiß man es?“ Das hatte mir gefallen.
Das Altargesteck zeigt einen bunten Strauß, in dem die liturgische Farbe Violett nicht fehlt. Advents- und Passionszeit stehen im Zeichen der Farbe Violett, damit werden Gebet, Buße und Umkehr symbolisiert. Ich gehe mit der Frage „Was ist genug und auf was kann ich verzichten?“ in die Woche. Der Wochenspruch „Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ [8] ist tröstlich, aber die Frage muss ich für mich selbst beantworten.
Inspiriert vom täglichen Blumenstrauß
auf einem Fahrrad von Ai Weiwei (艾未未).
Links und Anmerkungen:
[1] https://www.kirchenjahr-evangelisch.de/article.php#1098
[2] Ps 25,6
[3] https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/MRK.12/Markus-12 Mk 12,1–12
[4] https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/MAT.21/Matth%C3%A4us-21 Mt 21,33-46
[5] Ps 118,22-23
[6] https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/ISA.5/Jesaja-5 Jes 5,1–7
[7] https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/nordkorea
[8] Röm 5,8
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