Saturday, March 4, 2023

Weltgebetstag 2023


平安 – Ping An – Friede sei mit uns allen

Der Weltgebetstag ist auch als Weltgebetstag der Frauen bekannt. Das kommt daher, daß sich für Mädchen und Frauen engagiert wird, damit sie in Frieden, Gerechtigkeit und Würde leben können. Es handelt sich um ein ökumenisches Projekt. Für dieses Jahr hatten hatten Frauen in Taiwan die Vorbereitung des Weltgebetstages durchgeführt. Und am 03.03.2023 konnten wir auch in Schleiden einen Gottesdienst unter dem Motto „Glaube bewegt“ feiern.
 
Man könnte sich jetzt fragen, was ich dort zu suchen hatte? Ja, Männer haben häufig bei Veranstaltungen, die von Frauen organisiert werden, Berührungsängste. Aber das war bei mir nicht der Fall und ich meine auch, daß Männer gerade für die Belange von Frauen mit einstehen müssen. Hier aber war mein besonderes Interesse Taiwan. Ich habe in Taiwan studiert, und zwar vor dem Medizinstudium und habe den Übergang von der Militärdiktatur in die Demokratie miterleben können. Deshalb hatte ich mich auch bereit erklärt, über meine Aufenthalte in Taiwan zu berichten; zum Beispiel, wie es dazu gekommen war, dass ich in Taiwan studiert hatte. Ich hatte in Köln unter anderem Sinologie und Völkerkunde studiert. Wegen der Parkstudienregelung konnte dann nicht mehr weiter studieren, denn ich wollte Medizin studieren. Man war der Meinung, ich würde jemandem den Studienplatz wegnehmen, aber in der Sinologie saßen wir mit 3-5 Studenten im Seminar. In dieser Situation hat mein alter Professor Chang Hao (張豪) [1] die Idee gehabt, daß ich mit einem Stipendium des Chinesisch-Deutschen Kultur- und Wirtschaftsverband (中德文化經濟協會) [2] nach Taiwan gehen könnte. Tschiang Wei-Kuo (蔣緯國) [3], der Adoptivsohn von Chiang Kai-shek (蔣介石) [4] hatte diesen Verband gegründet. Er sprach er ausgezeichnet. Er war damit auch Bruder des damaligen Präsidenten der Republik China. Damals ging noch der größte Teil des nationalen Haushaltes in das Militär und der Aufbau und der Sprung in die Tigerstaaten erfolgte im darauffolgenden Jahrzehnt.  

Das Prüfungssystem war damals schon so kompetitiv, daß man damals schon Unterricht an einer Nachhilfeschule benötigte, um zur besseren nächsten Schule zu gelangen, und dann die bessere Universität besuchen konnte. Zu den Prüfungsterminen gab es regelmäßig Verkehrsstaus, denn die besorgten Mütter fuhren die Kinder zum Prüfungsort. Da zeigt sich der patriarchalische Aspekt der damaligen Gesellschaft: die Väter arbeiteten und die Mütter blieben zu Hause oder aber hatten die Doppelbelastung von Haushalt und Arbeit. Eine belgische Freundin berichtete mir über ihren Aufenthalt in einem Dormitory, also im Studentenheim, in dem 6-8 Studentinnen in einem Zimmer zusammen wohnten. Wenn die letzte mit dem Auswendiglernen fertig und zu Bett gegangen war, stand bereits die erste zum Auswendiglernen wieder auf, so dass sie diese preiswerte Unterkunft verlassen musste und sich ein Einzelzimmer gesucht hatte. Die Sommer sind heiß. Das spürt man in den nicht klimatisierten. Seminarräumen. Und im Winter war es für einige Tage kalt, denn alle Fenster standen genauso weit offen und der Boden war aus Beton. Allerdings war dies nur für etwa 7 Tage über einen Monat verteilt der Fall. Danach war wieder Frühling.  


Zhonghua Boulevard (中華路)


Damals herrschte in der Innenstadt ein chaotischer Verkehr. Da fuhren Busse völlig überladen und stießen riesige, dunkle Wolken von Abgasen aus. Besonders im Zhonghua Boulevard (中華路). Das ist im im Zentrum. Zwischen Bahnstrecke und Straße ein schmaler Strich, wo die Veteranen ihre Unterkünfte und Geschäfte hatten. Neben der Intelligenzschicht waren nicht nur hohe Militärs sondern auch Mannschaftsdienstgrade nach Taiwan gekommen. Insgesamt sind 1.5-2.0 Millionen Flüchtlinge 1949 nach Taiwan gekommen. Die Mannschaftsdienstgrade hatten die schlechtesten Veraussetzungen für eine Integration. Die Taiwanesen hatten Ressentiment gegen die Militärdiktatur. Die Veteranen und ihre Angehörigen lebten dann zwischen Bahnlinie und Hauptverkehrsstraße auf engem Raum. Wenn ich in der Innenstadt gewesen war, muss ich danach die Rußpartikel abwaschen bzw. ich duschte mich, da ich auch völlig durchgeschwitzt war.

Damals war die Überbevölkerung noch nicht so weit fortgeschritten, sodaß man in den Außenbezirken sehr schnell auch ins Grüne konnte. Da werden heute aber Häuser stehen. Ich  nehme allerdings an, daß man mittlerweile mit den ausgebauten Straßen und Verkehrsnetz auch ins Grüne hinaus kann. Damals hat man sich einfach in den Bus gesetzt und ist durch die Dörfer gefahren. Etwa vom Palastmuseum zum Zhinan Temple (指南宮), das heißt zu einem sehr schönen taoistischen und buddhistischen Tempel.

Zhinan Temple (指南宮)


Einmal fuhr ich mit Freunden in den Süden von Taiwan aufs Land, um die Eltern des Freundes zu besuchen. Da kam mir der Vater im japanischen Yukata (浴衣), das ist ein Kleidungsstück, das man im Haus oder zum Beispiel auch  im Hotel, in Japan im Ryokan (旅館), trägt? Ich war etwas überrascht, aber er sagte zu mir: „Da brauchst du gar nicht überrascht zu sein, denn als kleiner Junge habe ich mich für eine Art Japaner gehalten.“ Einige Gebräuche sind in der Zeit der japanischen Besetzung (1895-1945) übernommen worden. Ein andermal war ich bei einer Freundin zu Gast in Taipei. Ihre Mutter hatte gerade einige Freundinnen zu Besuch und die drei Frauen sprachen durcheinander Taiwanesisch, ein südchinesischer Dialekt/Sprache [5], Hochchinesisch (bzw.  Mandarin) und Japanisch. Die Mutter schaute sich auch Sendungen im japanischen Fernsehen an. Wie ich kürzlich herausgefunden habe, ist das Alte Testament ist noch nicht vollständig ins Taiwanesische übersetzt worden, währenddessen es scho  lange eine vollständige Bibel auf Mandarin gibt.  

 

Die Begleittexte für den Gottesdienst gibt es auch auf Taiwanesisch und Mandarin.
Ich habe hier einmal ein Beispiel herausgesucht:
Taiwanesisch: 代禱者2:恩典的主啊,阮向祢承認阮的自私及驕傲,𧿬踏(thún-ta̍h) 人的尊嚴 ...
Mandarin: 代禱者2:恩典的上主啊,我們向祢承認我們的自私和驕傲,踐踏人的尊嚴...
Es sind in beiden Texten doch eine Menge von Zeichen gleich (hier kursiv):
代禱者2:恩典的主啊,阮向祢承認的自私驕傲,𧿬(thún-ta̍h) 人的尊嚴
代禱者2:恩典的主啊,我們向祢承認我們的自私驕傲,踐踏人的尊嚴
Große Teile des Textes werden gleich geschrieben, aber verschieden ausgesprochen. Bei 𧿬踏 (thún-ta̍h) ist das erste Zeichen ein Kurzzeichen, wie es in der VR China gebräuchlich ist, aber im Mandarin werden die Zeichen jiàntà ausgesprochen – es bedeutet trampeln.

Es wurden Briefe an Glaubensschwestern verlesen, wie z.B. Pao-chu (Bao-Zhu / 寶珠), Fen-Jiau (Feng-Jiao / 鳳嬌) oder Daiken (Dai-Ken 岱懇), in denen von den Schwierigkeiten, aber auch deren Überwindung berichtet wurde. So wir Pao-chu für ihren Einsatz im Umweltschutz gelobt und man möchte in ihre Fußstapfen treten. Die Briefschreiberin berichtet darüber, daß sie schon zuhause Dinge recycelt, so zum Beispiel Plastikmüll vermeided. Bei Fen-Jiau wird berichtet, daß sie jahrelang für ihre Familie gesorgt hat und am Arbeitsplatz wegen ihres Alters diskriminiert wurde. Sie mußte gesellschaftlichen Normen, die sich gegen die Frauen richteten, ertragen, aber durch ihr Engagement ist sie ein Segen für andere Schwestern geworden. Bei Daiken berichtet die Briefschreiberin über sexuelle und verbale Misshandlung im Kindesalter. Dieses unerträgliche Leid aber wurde mit 14 Jahren durch die Hilfe einer Lehrerin, die Unterstützung von Sozialarbeiterinnen und anderenzur bewältigt.  Daiken konnte sie Gottes Liebe erfahren und Christus nachfolgen.  

Auch wenn es im nächsten Jahr nicht um Taiwan geht, hoffe ich, daß ich wieder Gottesdienst zum Weltgebetstag teilnehmen darf.



Links und Anmerkungen:
[1] http://rheumatologe.blogspot.com/2017/01/eine-art-biografische-notiz-zu.html
[2] https://www.cdkwv.org.tw/%e8%81%af%e7%b5%a1%e6%88%91%e5%80%91/    
[3] Die Pinyin-Umschrift ist Jiang Weiguo, häufig benutzt wird noch die Wade-Glies-Umschrift Chiang Wei-kuo, aber er selbst benutzte für den Vornamen auch Wego. Tschiang Wei-Kuo ist die Umschrift seines Namens, die er selbst bei seinem Buch benutzte: Der chinesisch-japanische Krieg 1937-1945. Wie mein Vater Tschiang Kaischek die Japaner besiegte. (Biblio Verlag, Osnabrück1986. ISBN: 3-7648-1477-2). Interessanterweise ist aber die CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Biblithek unter Chiang Wei-kuo erfolgt. Er lebte von 1916 bis 1997. Mehr auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Chiang_Wei-kuo
[4] Chiang Kai-shek ist die katonesische Aussprache von Jiang Jieshi. Er wurde 1887 als Jiang Zhongzheng geboren und starb 1975. Mehr zu ihm: https://de.wikipedia.org/wiki/Chiang_Kai-shek
Kurzer Exkurs, warum die chinesischen Namen in Taiwan so kompliziert umgeschrieben werden. In der Volksrepublik China hatte man frühzeitig Pinyin eingeführt, aber ideologische Gründe verhinderten lange die Übernahme in der Republik China (Taiwan). Pinyin ist die (nach meiner Meinung) am leichtesten zu erlernende Umschrift, allerdings muss man sie lernen, denn z.B steht x in Pinyin für einen stimmlosen, palatalen Frikativ und nicht für „iks“ oder q steht für einen stimmlosen, aspirierten, palativen Frikativ und nicht für „kw“.
[5] Taiwanesisch (臺灣閩南語) ist besser als südlicher Dialekt der sino-tibetischen Sprache oder des chinesischen Min-Dialektes (閩南語) aufzufassen, der in Taiwan anders gesprochen wird als auf dem Festland. Muttersprachler nennen ihre Sprache Hokkien. Ganz genau steht es bei Wikipedia [5a] Der englische Artikel ist übrigens detaillierter und man erfährt einige interessante linguistische Einzelheiten über die acht Töne und das schwierige System des Sandhi [5b]. Es gibt nicht nur Transkriptionen in Buchstaben sondern auch in japanische Katakana und das chinesische Bopomofo System oder korrekt dem Zhuyin Fuhao (注音符號), das zu den Taiwanese Phonetic Symbols (臺語方音符號) ergänzt werden mußte [5c].  
[5a] https://de.wikipedia.org/wiki/Taiwanische_Sprache
[5b] https://en.wikipedia.org/wiki/Taiwanese_Hokkien
[5c] https://en.wikipedia.org/wiki/Taiwanese_Phonetic_Symbols
 
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