Wissen Sie, was einen Rheumatologen wirklich
ärgert? Wenn mit Kortison nicht richtig umgegangen wird. Mal wird es zu hoch,
mal zu niedrig eingesetzt, dann wieder ohne entsprechende Diagnose, so dass man
als Rheumatologe das Vollbild der Erkrankung nicht selbst sehen kann. Besonders
ärgert es, wenn Verzögerungen entstehen. Das größte Ärgernis ist natürlich,
wenn es dann einmal nicht gegeben wird und der Patient deshalb erblindet.
Kortison ist eine Bezeichnung, die uns nicht so
passt. „Cortison (von lateinisch cortex ‚Rinde‘, Schreibweise auch Kortison)
ist ein Steroidhormon, das um 1935 als erster Wirkstoff in der Nebennierenrinde
des Menschen gefunden wurde.“ [1] Kortison selbst kann sich an keinen Rezeptor
binden und besitzt deshalb keinerlei Wirkung auf den Organismus. Kortisol (Cortisol
oder Hydrokortison) hingegen kann sich an den Glukokortikoidrezeptor binden, um
so wirksam zu sein. Wir benutzen synthetische Glukokortikoide wie Prednison
oder Prednisolon bei der systemischen Therapie in der Rheumatologie, da sie
eine kurze biologische Halbwertzeit besitzen. Längere Halbwertzeiten hingegen
möchten wir in der topischen Therapie nutzen, z.B. bei der Injektion in Gelenke
– da injizieren wir Triamcinolonhexacetonid (kristallines Glukokortikoid mit
sehr langer Wirkdauer im Gelenk). Wir benutzen hier in unserem Rheuma Zentrum also
die Bezeichnung Prednisolon, auch wenn andere Präparate möglich wären.
Diagnose unsicher oder überhaupt nicht
gestellt
Möglichst kein Prednisolon verordnen. Man
behandelt in der Rheumatologie Erkrankungen, die dauerhaft bestehen, also sind
kurzfristig durchgeführte Therapien nicht sehr sinnvoll. Auch sind hochdosierte
Gaben in der Regel nicht notwendig. Die stören erst recht bei der Diagnostik.
Ein typisches Beispiel wäre dieses Szenarium:
eine Patientin kommt mit Gelenkschmerzen an mehreren Gelenken. Laborwerte
wurden nicht gemacht, aber 2x50 mg Prednisolon für drei Tage, dann 75 mg für
drei Tage und so weiter in der Reduktion verordnet. Die Idee kann eine
rheumatoide Arthritis gewesen sein, aber entsprechende Befunde wurden nicht
erhoben. Wenn man die Entzündung einer rheumatoiden Arthritis mit Prednisolon
behandeln muss, dann macht man das mit viel niedrigeren Dosierungen und
reduziert sehr viel langsamer die Dosis. Rheuma spielt sich meistens an Geweben
mit langsamem Stoffwechsel ab.
Prednisolon zu niedrig
Bei Vaskulitiden (Entzündung von Blutgefäßen)
wird oft zu niedrig dosiert. Hier muss man mit 1 mg pro kg Körpergewicht
einsteigen. Aber dann muss man auch für eine Therapie sorgen, dass man den
Patienten wieder vom Prednisolon befreien kann, denn es hat 100 % Nebenwirkung.
Die Nebenwirkungen sind zwar abhängig von der Dosierung, aber eine sichere
Dosis gibt es nicht. Häufig sind Hautausdünnung, Osteoporose, Diabetes,
bakterielle Entzündungen als Nebenwirkung. In einer großen amerikanischen
Studie fand man: Orale verabreichtes Prednisolon für weniger als 30 Tage war
mit erhöhter Sepsis, venösen Thromboembolien und Frakturen verbunden; únd das auch
bei relativ geringen Dosen [2].
Zu schnell die Dosis reduzieren kann bedeuten,
dass die Krankheit von vorne beginnt. So z.B. bei der Polymyalgia rheumatica.
Man könnte ein Zitat von Dr. William Bell
umwandeln: „Prednisolone is a bitch!“ Da die meisten entzündlich-rheumatischen
Erkrankung chronisch verlaufen, sind wir daran interessiert, den Einsatz von
Prednisolon zu vermeiden oder aber, wenn er nicht zu umgehen ist, mit wenig
auszukommen und andere Medikamente einzusetzen, so dass man die Dosis
vermindern und schließlich Prednisolon absetzen kann.
Als verordnender Arzt: fragen Sie sich, ob
Sie beim Patienten eine belastbare Diagnose haben und ob Sie belegen können,
warum Prednisolon eingesetzt werden soll. Haben Sie die Entzündung zum Ziel
oder verordnen Sie, weil Sie hilflos geworden sind und dem Patienten aber doch
helfen wollen? Dann helfen Sie mehr, indem Sie kein Prednisolon verordnen.
Fragen Sie doch einen Rheumatologen!
Als Patient: fragen Sie sich, ob Ihr Arzt
begründen kann, warum Sie Prednison einnehmen sollen. Schmerz ist in der Regel
der falsche Grund. Lassen Sie sich zum Rheumatologen überweisen.
Links und Nachweise:
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